• 20. Mai 2022 · 18:08 Uhr

Erklärt: Was ist DRS in der Formel 1 und wie funktioniert es?

DRS, das Drag Reduction System, ist einer der meistdiskutierten Punkte in jeder Formel-1-Übertragung, aber was bedeutet es und wie funktioniert es?

(Motorsport-Total.com) - Das Drag Reduction System, kurz DRS, ist ein umstrittenes fahrergesteuertes System, das Überholmanöver erleichtern und die Chancen auf Rad-an-Rad-Duelle in der Formel 1 erhöhen soll. Es wurde bereits im Jahr 2011 eingeführt.

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Charles Leclerc mit aktiviertem DRS am Heckflügel Zoom Download

Auch nach den neuen Regeln, die mit Beginn der Saison 2022 in Kraft getreten sind, wird DRS verwendet. Doch wie schon bei seiner Einführung vor über einem Jahrzehnt ist es Gegenstand von Diskussionen unter Formel-1-Fahrern und Fans.

Warum wird DRS in der Formel 1 eingesetzt?

DRS ist in erster Linie eine Überholhilfe. Es ermöglicht den Fahrern, die Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden zu erhöhen, indem ein Teil des Heckflügels geöffnet und so der Luftwiderstand verringert wird, wenn das Auto weniger als eine Sekunde hinter dem vorausfahrenden Auto liegt.

Die Fahrer können das System nicht nur in den Rennen, sondern auch in den Trainings und Qualifikationen nutzen - dann selbst wenn sie alleine auf der Strecke unterwegs sind.

Das System wird oft kritisiert, weil die Fahrer sich durch das Drücken eines Knopfes einen künstlichen Zeitvorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschaffen können. Es wird daher oft behauptet, dass dadurch die Fähigkeit, ein anspruchsvolles Überholmanöver durchzuführen, verloren geht.

Juan Pablo Montoya, ehemaliger Formel-1-Pilot und zweifacher Indy-500-Sieger, war in der Ära vor DRS für seine waghalsigen Überholmanöver bekannt war und stellte das Gleichnis auf, es wäre, als würde Picasso mit Photoshop arbeiten.

Aber DRS ist kein einfacher Überholknopf, der automatisch bedeutet, dass man am Vordermann vorbeifährt. Es hat zwar schon viele Fälle gegeben, in denen die Wirkung von DRS als zu stark empfunden wurde und Überholmanöver weit vor den Bremszonen auf den Geraden stattfanden. Aber im Allgemeinen soll das Gerät das Überholen erleichtern, wenn die Fahrer sonst in der "Dirty Air" feststecken.

Da die neueste Generation der Formel-1-Autos so konstruiert wurde, dass die Fahrer bei reduziertem "Dirty-Air"-Effekt enger folgen können, hatten viele gehofft, dass DRS abgeschafft werden würde. Während das ein Ziel der Sportchefs für die kommenden Jahre ist, bleibt sein weiterer Einsatz umstritten.

Seit die Aerodynamik der Flügel in den späten 1960er Jahren zu einem integralen Bestandteil der Leistung von Formel-1-Autos geworden ist, hat dies einen direkten Einfluss darauf, wie dicht die Autos einander folgen können.

Da die Teams in der Ära vor 2014 aufgrund der Motorengleichheit jedoch nur selten auf einen großen Leistungsvorteil zurückgreifen konnten, um einen Konkurrenten zu überholen, wurde durch die geringeren Leistungsunterschiede der "Dirty Air"-Effekt im Rennsport immer wichtiger.

"Dirty Air"-Effekt heißt: Luft, die bereits von einem Auto verwirbelt wurde, landet auf der Front eines nachfolgenden Autos, was zu unvorhersehbarem Fahrverhalten und erhöhtem Reifenverschleiß aufgrund eines verstärkten Rutschens des Autos führt.

In der Zeit um die Jahrtausendwende war das Problem der "Drity Air" so groß, dass die Teams ein Verfolgerauto oft an die Box holten, um zu versuchen, am führenden Konkurrenten vorbeizugehen, wenn dieser stoppt. Das schränkte das Überholen auf der Strecke erheblich ein, was Fans und Beobachtern als schlechtes Racing kritisierten.

DRS wurde auch in der Turbo-Hybrid-Ära weiter eingesetzt, was das Kräfteverhältnis der Formel 1 bis Ende 2021 dramatisch veränderte. Ab 2022 kehrte die Formel 1 zu den Bodeneffekt-Regeln zurück, um das Problem mit der "Dirty Air" zu verringern und das Überholen Rad an Rad zu verbessern.

Zwar scheint das funktioniert zu haben, aber die veränderte Aerodynamik hat auch den Windschatteneffekt verringert. Das bedeutet, dass DRS bei Überholmanövern weiterhin einen großen Einfluss hat.

Was ist DRS und wie funktioniert es?

Das DRS verwendet einen Aktuator, der den Flap (zu deutsch: Klappe) des Heckflügels eines Formel-1-Autos steuert. Er kann geöffnet werden, wenn der Fahrer einen Knopf am Lenkrad drückt, nachdem er in einen bestimmten Teil der Strecke eingefahren ist.

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Heckflügel und DRS-Aktuator am Williams FW44 Zoom Download

Diese Bereiche werden als DRS-Aktivierungszonen bezeichnet. Durch den geöffnete Flap wird die Oberfläche des Heckflügels verkleinert, was den Luftwiderstand verringert und die Geschwindigkeit auf der Geraden schnell erhöht.

Im Rennen ist dies erlaubt, wenn ein Fahrer weniger als eine Sekunde hinter einem vorausfahrenden Auto liegt - auch wenn dieses Auto überrundet wird. Im Training und im Qualifying kann DRS nach Belieben eingesetzt werden, allerdings nur innerhalb der festgelegten Aktivierungszonen.

Bis 2013 konnten die Fahrer DRS an jedem beliebigen Punkt der Strecke nutzen, um den Luftwiderstand im Qualifying zu verringern. Dies führte dazu, dass die Teams Einstellungen vornahmen, die perfekt für das Qualifying geeignet waren, aber die die Fahrer beim Versuch, Rad an Rad zu fahren, behinderten.

Der kritische Abstand von einer Sekunde zwischen den Autos wird an bestimmten Punkten vor einer DRS-Zone gemessen - dem so genannten Erkennungspunkt. Hier messen elektronische Zeitmessschleifen im Streckenbelag den Abstand zwischen zwei Autos.

Wird gemessen, dass das nachfolgende Auto weniger als eine Sekunde Rückstand hat, erhält es ein Signal, sodass sein DRS in der darauf folgenden Zone aktiviert werden kann.

Normalerweise werden die Fahrer durch das Aufleuchten der Kontrolllampen an ihren Lenkrädern darüber informiert, dass sie DRS nutzen können. Umgekehrt warnen die Teams ihre Fahrer in der Regel per Funkkontakt, wenn sich ein Konkurrent innerhalb der entscheidenden Lücke befindet.

Der angreifende Fahrer aktiviert das DRS manuell, indem er einen Knopf am Lenkrad drückt, der sich je nach Vorliebe des Fahrers vorne oder hinten am Lenkrad befinden kann.

Ist das DRS aktiviert und der Heckflügel geöffnet, schaltet der Fahrer das DRS aus und schließt den Flap, wenn er das nächste Mal vom Gas geht oder bremst. Die Lenkradtaste schließt den Heckflügel auch dann, wenn sie ein zweites Mal pro Aktivierung gedrückt wird.

Die Fahrer sind nicht dazu gewzungen, DRS zu aktivieren, wenn sie sich innerhalb einer Sekunde von einem anderen Fahrzeug befinden. Wird der Knopf zu früh gedrückt, öffnet sich der Heckflügel nicht zum gewünschten Zeitpunkt, was zu einer Verzögerung führt, bevor der Flügel geöffnet werden kann.

DRS kann nicht in den ersten beiden Runden eines Rennens oder nach einem stehenden oder rollenden Neustart nach einer Safety-Car-Phase oder einer roten Flagge verwendet werden. Die FIA-Rennleitung kann DRS auch nach eigenem Ermessen deaktivieren, wenn die Bedingungen als unsicher erachtet werden, zum Beispiel aufgrund von Regen.

Wenn ein Auto von der Strecke abkommt oder an einer Stelle Trümmerteile verliert, kann DRS in einer bestimmten Zone auch vorübergehend deaktiviert werden.

Die verteidigenden Fahrer können DRS nur dann aktivieren, wenn sie sich ebenfalls innerhalb einer Sekunde vor einem vorausfahrenden Auto befinden. Dies geschieht in der Regel in einem so genannten "DRS-Zug". Dadurch wird der DRS-Vorteil im Grunde zunichte gemacht, weil gleich mehrere Autos in einer Gruppe aufholen und die Abstände daher normalerweise stabil bleiben.

Es ist auch üblich, dass ein verteidigender Fahrer seine elektrische Energie über die Hybridelemente moderner Formel-1-Antriebe umverteilt, um auf einer Geraden schneller zu beschleunigen. Dies wird üblicherweise als "Überholknopf" bezeichnet, ist bei einigen Teams aber auch als "SoC"-Knopf (State of Charge) bekannt.

Er wird in der Regel eingesetzt, um das Risiko zu verringern, am Ende einer Aktivierungszone von einem Verfolgerfahrzeug überholt zu werden, das DRS aktiviert hat.

Wie viele DRS-Zonen gibt es?

Die Anzahl der DRS-Zonen variiert von Strecke zu Strecke und wird auch durch andere Merkmale des Veranstaltungsorts bestimmt. Normalerweise gibt es auf jeder Strecke auf jeder Hauptgeraden eine DRS-Zone. Wenn eine Strecke jedoch einen besonders schlechten Ruf für Überholmanöver hat, können zusätzliche Zonen eingerichtet werden.

Dazu können auch Strecken mit flachen Kurven gehören. Beispiele für eine solche Fälle wären die langgezogenen, gewundenen Zonen in den letzten Kurven und auf dem Weg zur Boxengasse in Baku oder zwischen den Kurven 9 und 11 in Miami.

Beim jüngsten Australien-Grand-Prix 2022 sollte die umgebaute Strecke ursprünglich mit vier DRS-Zonen ausgestattet werden. Der Gedanke dahinter war, zwei der Zonen zu nutzen, um den Fahrern die Möglichkeit zu geben, sich anzunähern und dann mit DRS durch die anderen beiden Zonen zu überholen.

Allerdings wurde die DRS-Zone zwischen den Kurven 8 und 9 aus Sicherheitsgründen vor dem Abschlusstraining entfernt, nachdem sich einige Teams dafür eingesetzt hatten. Dies bedeutet, dass die höchste Anzahl von DRS-Zonen, die in einem Formel-1-Qualifying oder -Rennen bisher verwendet wurden, bei drei bleibt.

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Die DRS-Zonen werden für jede Rennstrecke individuell definiert Zoom Download

Obwohl DRS in Kurven mit sehr flachen Winkeln eingesetzt werden kann - und auf einigen Strecken sind diese Kurven von der FIA nicht einmal als offizielle Kurven ausgewiesen - ist es generell unsicher, Kurven mit offenem Heckflügel zu durchfahren.

Der geringere Luftwiderstand würde zwar die Höchstgeschwindigkeit erhöhen, aber durch den fehlenden Abtrieb wird die Kontrolle über das Auto stark beeinträchtigt. Dies kann zu schweren Unfällen führen, da die DRS-Zonen in der Regel am Ende langer Geraden oder Beschleunigungszonen enden.

Für bestimmte Kurven hat die FIA den Fahrern erlaubt, diese mit aktivem DRS zu befahren. Ein berühmtes Beispiel war der britische Grand Prix 2018, bei dem eine dritte Zone ausgangs der Zielkurve und in den ersten beiden sehr schnellen Kurven vorgesehen war..

Doch es folgten zwei schwere Unfälle in der ersten Kurve für Romain Grosjean und Marcus Ericsson im Training und im Rennen. Ab 2019 wurde die Zone dauerhaft entfernt.

Die Möglichkeit eines DRS-Ausfalls kann dazu führen, dass Fahrern die schwarze Flagge mit einer orangefarbenen Scheibe gezeigt wird, wenn ihr Heckflügel stecken bleibt.

In diesem Fall muss der Fahrer an die Box zurückkehren, damit der Flap von den Mechanikern manuell geschlossen werden kann. Das System darf dann nicht mehr eingesetzt werden, wenn es nicht repariert werden kann.

Ein berühmtes Beispiel für einen DRS-Fehler, der zu einem Unfall führte, ereignete sich beim Grand Prix von Italien 2018, als Ericsson in der ersten Schikane von Monza schwer verunglückte, weil sich das DRS an seinem Sauber-Auto nicht wie erwartet schloss, als er bei hoher Geschwindigkeit bremste.

In welchen anderen Serien wird DRS verwendet?

DRS wird auch in der Formel 2 und der Formel 3 eingesetzt. Als es 2017 erstmals in der Formel 3 eingeführt wurde - damals hieß die Serie noch GP3 - konnten die Fahrer das System nur in maximal sechs Runden pro Hauptrennen und vier Runden bei Sprintrennen aktivieren und nutzen. Seit 2019 wird DRS in der Formel 3 nach den gleichen Regeln wie in der Formel 1 eingesetzt.

In der Formel 2 findet DRS bereits seit 2015 Verwendung, als die Serie noch als GP2 bekannt war. Auch bei der Einführung des neuen Formel-2-Autos für die Saison 2018 wurde an dem System festgehalten.

Andere Rennserien haben DRS bereits auf die gleiche Art und Weise wie die Formel 1 eingesetzt, wie etwa die DTM in den Jahren vor der Einführung der GT3-Regeln im Jahr 2021. Überholhilfen sind aber auch in anderen Motorsportserien üblich.

Diese beinhalten jedoch eine Erhöhung der Motorleistung für eine bestimmte Zeit pro Rennen (wie das Push-to-pass-System der IndyCar-Serie und das Überholsystem der Super Formula) oder wie der Attack-Modus der Formel E, der es den Fahrern ermöglicht, vorübergehend mit einer stärkeren Energiebereitstellung zu fahren, wobei die Gesamtzeit bei jedem Rennen unterschiedlich sein kann.

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