• 28. Juni 2021 · 17:31 Uhr

Motorsport gerettet: EU-Richtlinie zur KFZ-Haftpflicht angepasst

Die EU-Richtlinie für Versicherungen für motorisierte Vehikel (MID, oft auch: Vnuk) stellt keine Bedrohung mehr für den europäischen Motorsport dar

(Motorsport-Total.com) - Drei Jahre lang bedrohte das Schreckgespenst "Motor Insurance Directive" den Motorsport in der Europäischen Union. Das ist abgewendet worden - Motorsport wird weiterhin auch in Zukunft möglich sein wie bisher. Unter Motorsportlern war es auch unter dem Namen "Vnuk" bekannt, obwohl es sich dabei nur um den Fall handelt, der die Sache in Gang gebracht hat.

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Die FIA hat erfolgreich die MID-Richtlinie zu Gunsten des Motorsports beeinflusst Zoom Download

Das Europaparlament und der Europäische Rat (nicht zu verwechseln mit dem Europarat) haben vergangene Woche eine vorläufige Übereinkunft beim Thema Versicherung für motorisierte Fahrzeuge getroffen, die Rennfahrzeuge ausschließt. Damit wurde der Motorsport vor einer Kostenexplosion bewahrt, die zu seinem Ende in der Europäische Union hätte führen können.

Der Entwurf der Richtlinie 2009/103/EG sah in seiner ersten Rohfassung im Jahr 2017 vor, dass jedes motorisierte Fahrzeug in der Europäischen Union eine Haftpflichtversicherung benötigt hätte. Das sollte den Umgang mit Verkehrsunfällen europaweit einheitlich regeln, auch auf Privatgrundstücken.

Das bedeutete aber auch, dass jedes Rennfahrzeug hätte haftpflichtversichert werden müssen. Bei den zu erwartenden Versicherungsprämien war der Motorsport an der Basis wohl zerstört worden. Unfälle auf einer Rennstrecke hätten darüber hinaus wie normale Verkehrsunfälle von der Polizei aufgenommen werden müssen - in der Praxis natürlich undenkbar.

Jean Todt begrüßt Einigung

Den Motorsport hatte zunächst niemand auf dem Schirm gehabt, als der Entwurf eingereicht wurde. Genauso wie motorisierte Kleinfahrzeuge vom Elektroroller über E-Bikes bis hin zum Rasenmäher. Umso überraschender war, dass ein überarbeiteter Entwurf im Jahr 2018 wieder keine Ausnahme für Rennfahrzeuge vorsah.

Erst ab 2019 begann sich das Blatt langsam zu wenden, allerdings war bis zuletzt unklar, ob die Bedenken aus der Motorsportszene und auch von anderen Verbänden (etwa Kinderspielzeug) Gehör finden würden. In der nun getroffenen Übereinkunft sind Rennfahrzeuge von der MID ausgeschlossen.

Es ist das Ergebnis andauernder Verbandsarbeit des Automobil-Weltverbands FIA und seiner nationalen Ableger, also auch dem Deutschen Motor Sport Bund (DMSB). "Ich möchte mich bei allen Schlüsselfiguren bedanken, vor allem beim derzeitigen EU-Vorsitz Portugal und dem Europäischen Parlament, die diese komplexen Verhandlungen in diesem schwierigen Kontext erfolgreich zu Ende gebracht haben", sagt FIA-Präsident Jean Todt.


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"Die FIA begrüßt die Korrektur der MID. Durch die Ausnahmeregelung für Motorsportaktivitäten haben die EU-Institutionen eine lange Periode juristischer Unsicherheit seit dem Vnuk-Richterspruch im Jahr 2014 beendet. Sie erlauben weiterhin Motorsportaktivitäten innerhalb ihrer eigenen Versicherungsbestimmungen."

Dita Charanzova, Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, sagt: "Uns ist es gelungen, im Rahmen dieser Übereinkunft eine absurde Überregulierung des Motorsports und von E-Bikes zu verhindern. Außerdem haben wir den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit verschafft, Roller, Kinderspielzeug und Rasenmäher auszuschließen."

Noch muss der Entwurf sowohl vom Europaparlament als auch vom Europäischen Rat abgesegnet werden. Danach tritt eine 24-monatig Übergangsfrist in Kraft, damit die EU-Mitgliedsstaaten die Richtlinie auf ihr nationales Recht anpassen können.

Wie es zu der Richtlinie kam

Die Direktive kam in Bewegung, nachdem es zu mehreren Fällen innerhalb der EU gekommen ist, die Klärungsbedarf nach sich gezogen haben. Im Jahr 2006 schnappte sich ein junger Mann das Auto seiner Mutter ohne deren Erlaubnis. Es war zu jenem Zeitpunkt nicht versichert, weil es auf Privatgrund abgestellt war.

Der Fahrer baute einen Unfall, bei dem er selbst und zwei weitere Insassen ums Leben kamen. Ein Staatsfond entschädigte die Angehörigen und wollte daraufhin die Mutter in Regress nehmen.

Im selben Jahr stürzte, ebenfalls in Portugal, ein mit laufendem Motor stehender Traktor beim Versprühen von Unkrautbekämpfungsmittel auf einem Weingut einen Abhang hinunter und tötete einen Landarbeiter. Dieser Unfall ereignete sich ebenfalls auf einem Privatgrundstück.

Ein Jahr später kam es zu einem Unfall in Slowenien, der das berühmte Vnuk-Verfahren nach sich zog, das danach oftmals fälschlicherweise als Synonym für die neue Richtlinie verwendet wurde. Ebenfalls auf einem Privatgrundstück riss ein an einen Traktor befestigter Anhänger eine Leiter um (andere Quellen sprechen von einem Heuballen).


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Dabei stürzte ein Mann namens Damijan Vnuk zu Boden, der daraufhin auf Schadensersatz klagte. Die Versicherung wollte aber nicht zahlen, weil sich der Unfall nicht im öffentlichen Verkehrsraum abgespielt hatte. Dieser fast unbedeutende Unfall in Slowenien brachte letztlich den Motorsport in einen Existenzkampf hinter den Kulissen.

In allen drei Fällen musste der Europäische Gerichtshof entscheiden, wie in Versicherungsfällen umzugehen ist, wenn ein privates Grundstück im Spiel ist (und damit auch Rennstecken, obwohl diese in den drei Fällen gar keine Rolle spielten). Das wiederum war der Anstoß für die MID im Jahr 2009, die nun in Kraft treten kann, ohne den Motorsport zu gefährden.

Damijan Vnuk gewann übrigens im Jahr 2014 seinen Fall vor dem Europäischen Gerichtshof. Im Falle des herabstürzenden Traktors wurde geurteilt, dass die Versicherung nicht zahlen muss, da der Traktor in diesem Fall als Generator und nicht als Transportmittel verwendet wurde.

Beim Unfall des entwendeten Autos wurde geurteilt, dass eine Versicherung hätte abgeschlossen werden müssen, weil sich das Auto in fahrtüchtigem Zustand befand und nicht offiziell abgemeldet war.

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