1998: Ein Ungarn-Grand-Prix für die Ewigkeit
Nie funktionierte der Doppelpass Michael Schumacher - Ross Brawn besser als in Ungarn 1998: So bezwang Ferrari die Silberpfeile mit einem zusätzlichen Boxenstopp
(Motorsport-Total.com) - Ross Brawn denkt, Michael Schumacher lenkt. Diese perfekte Einheit zwischen dem Ferrari-Superhirn und seinem Starpiloten erwies sich bei keinem Rennen so effektiv und genial wie beim Ungarn-Grand-Prix 1998, als Schumacher die überlegenen Silberpfeile mit einer taktischen Meisterleistung und einer perfekten Umsetzung niederkämpfte. Und sich ins WM-Rennen zurückbeamte. Die Hungaroring-Hitzeschlacht 1998 im Rückspiegel:
Nach Schumachers Heimrennen in Hockenheim herrscht in Maranello Katzenjammer: Während die Silberpfeil-Piloten Mika Häkkinen und David Coulthard einen klaren Doppelsieg einfuhren und damit bei sieben der bisherigen elf Saisonrennen triumphierten, scheint Schumacher nach dem farblosen fünften Platz die WM zu entgleiten. Der Rückstand des Superstars auf WM-Leader Mika Häkkinen ist bereits auf 16 Punkte angewachsen.
Und die italienischen Gazetten erhöhen den Druck zusätzlich. "Ferrari geht die Luft aus!", ätzt der Corriere della Serra. Bei McLaren-Mercedes greift man währenddessen nach den Sternen. "Fahrer und Team wissen, dass sie es packen können. Jetzt wollen wir nicht nur Siege, sondern die WM", spricht Mercedes-Boss Jürgen Hubbert erstmals offen vom Titel.
Coulthard stellt klar: "Ich fahre für Mika"
Und auch die Rollenverteilung im Team wird klargestellt: Wie bei Ferrari, wo Eddie Irvine den Wasserträger mimt, ordnet sich ab sofort auch Coulthard unter, der erst ein Rennen gewonnen hat und in der WM bereits 34 Punkte hinter Häkkinen liegt. Das sind in Punkten über drei Siege Rückstand, bei noch fünf verbleibenden Rennen.
"Mika fährt dieses Jahr wie ein Weltmeister", lobt Coulthard seinen Teamkollegen. "Meine Aufgabe besteht jetzt darin, Häkkinen gegen Schumacher abzuschirmen. Mika würde es an meiner Stelle genauso tun."
Ist damit der WM-Kampf bereits entschieden? "16 Punkte sehen wie eine Menge aus, aber bei dem Massel, den Michael oft hat, reichen fünf Rennen aus, um aufzuholen", stichelt der amtierende Weltmeister Jacques Villeneuve, der im schwächelnden Williams eben seinen ersten Podestplatz der Saison geholt hat, gegen seinen Intimfeind.
Marathontests: "Schumi" stemmt sich gegen Niederlage
Auch bei Ferrari stemmt man sich gegen die Niederlage - und zwar in klassischer "Schumi"-Manier: mit Marathontests. Gleich nach dem Hockenheim-Dämpfer setzt sich Testpilot Luca Badoer auf der Teststrecke in Fiorano hinters Steuer des F300, dann übernimmt für einen Tag Teamkollege Irvine, ehe der Superstar selbst einsteigt.
Augenzeugen berichten, dass der zweimalige Weltmeister täglich über zwölf Stunden bis in die Dämmerung seine Runden dreht - und das an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Er probiert neue Flügel und neue Kühlluftauslässe aus. Und diktiert danach den Journalisten: "Ich garantiere, dass wir in Ungarn besser aussehen werden als in Hockenheim. In allen Abteilungen wird geschuftet, um in der WM das Ruder herumzureißen."
Ferrari glaubt nach Hockenheim-Pleite an Ungarn-Chance
Während Teamchef Jean Todt zugibt, dass Hockenheim "ein schwerer Schlag" gewesen sei, man aber vor Kanada "ein noch größeres Manko aufgeholt" habe, will Technikchef Ross Brawn von einer Krise gar nichts wissen und gibt sich kämpferisch: "Es stimmt, dass wir auf schnellen Strecken Probleme haben. Aber am kommenden Wochenende auf dem Hungaroring schaut alles schon wieder ganz anders aus. Die WM ist noch lange nicht vorbei."
Aber auch die Konkurrenz ist nicht untätig: McLaren, Williams & Co. bereiten sich in der Hitze von Jerez auf die Schlacht in der ungarischen Puszta vor. Die Bestzeit fährt völlig überraschend Villeneuve-Teamkollege Heinz Harald Frentzen im Williams, der eine neue Vorderradaufhängung ausprobiert und den leichten Williams-Aufwind bestätigt. Währenddessen gehen bei Mercedes sechs von acht Motoren hoch. Agiert der Topfavorit auf brüchigem Eis?
Gerüchte: Fährt die Formel 1 bald in Moskau?
Als die Formel 1 auf dem 25 Kilometer außerhalb von Budapest liegenden Hungaroring eintrifft, der von Zampano Bernie Ecclestone designt wurde und 1986 das erste Rennen im ehemaligen Ostblock war, gibt es Gerüchte um die nächste "Osterweiterung" der Königsklasse des Motorsports.
Ecclestone träumt neben geplanten Rennen in China, den USA und Südafrika vor allem von einem Russland-Grand-Prix. Die Rede ist von einer permanenten Rennstrecke in Moskau, deren Bau von der Öl- und Gasindustriere finanziert werden soll. Das Rennen soll Russland als Aufwärmübung für Olympische Spiele in Moskau dienen, die 2012 geplant sind. Sowohl die Russland-Premiere der Formel 1 als auch die Olympischen Spiele sollten aber erst 2014 in Sotschi über die Bühne gehen.
Ecclestone will Börsengang verschieben
Der Börsengang des Formel-1-Zirkus ist am Hungaroring-Wochenende ebenfalls ein heißes Thema. Denn der soll laut Ecclestone verschoben werden, weil sich der Grand-Prix-Sport gerade in einem Rechtsstreit mit der EU-Kommission befindet. Zentrale Frage: Dürfen größere Sportereignisse zentral vermarktet werden? Wenn jeder Grand Prix einzeln vermarktet werden müsste, hätte das einen Wertverlust der Marke Formel 1 zur Folge.
Für Ecclestone, der im Jahr davor als Vorbereitung auf den Börsengang seine Formel-1-Anteile Ehefrau Slavica Ecclestone übertrug, ist das ein herber Rückschlag. Selbst er ahnt zu diesem Zeitpunkt nicht, dass der Milliardenzirkus den Sprung an die Börse in seiner Ära gar nicht mehr schaffen wird, sondern erst 19 Jahre später unter Liberty Media.
Frentzens Poker: Williams, British American Racing oder Jordan?
Um viel Geld - wenn auch deutlich weniger als bei einem potenziellen Börsengang - wird am Hungaroring hinter den Kulissen gepokert. Abgesehen von den zwei Topteams McLaren-Mercedes und Ferrari dreht sich das Transferkarussell auf Hochtouren: Der bei Williams in Ungnade gefallene Frentzen, dessen Teamkollege Villeneuve zum Neueinsteiger British American Racing seines Managers Craig Pollock wechseln wird und durch IndyCar-Star Alex Zanardi ersetzt wird, ist die Schlüsselfigur.
Der Mönchengladbacher pokert neben Williams auch mit British American Racing und Jordan. Eine Rückkehr zu Sauber schließt er aus: "Ich konnte bis zuletzt nicht abschätzen, ob man dort überhaupt einen Fahrer auswechseln will." Bei Williams, wo ab dem Jahr 2000 BMW-Triebwerke winken, wird währenddessen Jordan-Pilot Ralf Schumacher hoch gehandelt, auch wenn Manager Willi Weber auf die Frage, ob er an einen Wechsel glaube, mit "eher Jein" antwortet.
Jos Verstappen als Ersatz für Jan Magnussen
Aber auch Stewart-Pilot Rubens Barrichello gilt als potenzieller Williams-Kandidat, obwohl sein Vertrag mit dem Team des Schotten noch bis Ende 1999 läuft. Der reibt sich bereits die Hände: "Ich bin überzeugt, Frank Williams wäre entzückt, für Rubens ein paar Millionen hinzublättern."
Barrichello hat seit dem Kanada-Grand-Prix einen neuen Teamkollegen: Jos Verstappen, dessen Sohn Max bereits zehn Monate alt ist. Der Niederländer ersetzt den Dänen Jan Magnussen, der nun wieder mehr Zeit für seinen bereits fünf Jahre alten Spross Kevin hat. Ob Stewart Verstappen auch 1999 behalten will? "Niemand heiratet beim ersten Date", winkt Teamboss Stewart ab, zeigt sich aber zufrieden: "Jos kann den Ingenieuren mehr Informationen über das Auto vermitteln als Jan Magnussen vor ihm."
"Schumi" vs. Villeneuve: Wirbel um Pkw-Wettfahrt
Noch bevor es in Ungarn am Freitagmorgen so richtig losgeht, liefern sich die Rivalen Villeneuve und Schumacher ein privates Duell: Die beiden brechen in ihren Pkws beim Hotel Kempinski mitten in Budapest gleichzeitig auf. Wer als erster am Hungaroring eintrifft? Der Kanadier! "Aber nur, weil ich von der Ecclestone-Geheimspur auf der Autobahn nichts wusste, er aber schon", grinst der Ferrari-Star.
Als die Reporter vom Pkw-Wettrennen Wind bekommen, rudert Schumacher rasch zurück: "Wir sind nicht gerast, und auch nicht schneller gefahren als die Ungarn auf der Autobahn." Die Angelegenheit ist heikel, weil Schumacher nach dem Rammstoß von Jerez im Vorjahr gegen Villeneuve bei der FIA als Vortragender für Verkehrssicherheit antanzen musste. Ein privates Rennen auf der Autobahn hätte da gerade noch gefehlt ...
Frentzen: Zuerst rebelliert er gegen Williams, dann sein Magen
Während sich also Villeneuve ins Fäustchen lacht, ist die Stimmung bei seinem Williams-Teamkollegen Frentzen am Boden. Ihm platzt der Kragen, als er erfährt, dass die modifizierte Aufhängung, auf die er die Fabelzeit beim Jerez-Test zurückführt, in der Fabrik in Großbritannien zurückgeblieben ist. Er fordert, dass das Teil eingeflogen wird - und setzt sich durch.
Als der Einbau der neuen Aufhängung am Samstagmorgen abgeschlossen wird, ist der Pilot allerdings nicht mehr in optimalem Zustand: Frentzen leidet an einer Lebensmittelvergiftung, hat Schüttelfrost, der Magen rebelliert. Dazu kommt Fieber. "Wenn ich zwei schnelle Runden einlege, kriege ich einen Schwindelanfall und muss in der folgenden Runde wieder langsamer machen", klagt der Mönchengladbacher.
Das Qualifying sollte zu schaffen sein, aber das 77 Runden andauernde Rennen auf einer Strecke, auf der der Pilot wegen der vielen Kurven keine Atempause hat? Frentzen übersteht die Tortur und stellt seinen Williams neben Villeneuve auf Startplatz sieben.
Qualifying: Klare Sache für die Silberpfeile
An der Spitze das gleiche Bild wie in Hockenheim: Auch mit den neuen, etwas breiteren Bridgestone-Vorderreifen sind Häkkinen und Coulthard eine Klasse für sich. Wie in allen Trainings zuvor belegen sie die ersten zwei Positionen - und damit auch die erste Startreihe. Jäger Schumacher fehlen rund vier Zehntel auf Häkkinens Pole.
Wie groß ist die Enttäuschung bei Schumacher, der weiterhin auf seine erste Saison-Pole wartet? "Ich bin zufrieden", verblüfft die Antwort des Drittplatzierten. "Unsere Reifenwahl ist aufs Rennen ausgelegt", hofft er auf seine Goodyear-Pneus. Bei Landsmann Frentzen wird die Lage am Samstagabend währenddessen noch ungemütlicher: Da er ständig erbrechen muss, verzichtet er gänzlich auf Essen und leidet unter 39,6 Grad Fieber.
Dennoch zeigt er sich kämpferisch und will das Rennen nicht auslassen. Nach dem Aufwärmtraining am Sonntagmorgen lässt er sich von Rennarzt Charlie Whiting durchchecken und wird für fahrtauglich erklärt. Zwei Stunden später hängt er schon wieder an der Infusion und wird von einem Arzt betreut. Trotz allem stellt er klar: "Ich fahre."
Rennen: Brawns Genieblitz vor dem ersten Stopp
Beim Start vor 115.000 Zuschauern läuft zunächst alles für die McLaren-Stars: Häkkkinen verteidigt seine Führung vor Coulthard, Schumacher gelingt es nicht, in die Silberpfeil-Phalanx einzudringen. Und dann macht der Schotte genau das, was er angekündigt hat: Er schottet Häkkinen ab, Schumacher findet im Kurvengeschlängel keinen Weg vorbei am McLaren-Mercedes.
Schon nach wenigen Runden der nächste Rückschlag für Ferrari: Der viertplatzierte Irvine rollt mit einem Getriebeschaden an die Box - die Scuderia hat nur noch ein Eisen im Feuer. Aber "Schumi" beißt: Nach einem Viertel des Rennens liegt er nur neun Zehntel hinter Coulthard, der in Häkkinens Windschatten hängt. Vor dem Trio: die ersten Piloten, die auf ihre Überrundung warten.
"Das war genau der Zeitpunkt, als ich beschloss, auf drei Stopps zu gehen", erklärt Stratege Brawn, der damit rechnet, dass Schumacher trotz des zusätzlichen Sprits weniger Zeit verliert als die im Verkehr steckenden McLaren. Auch bei einer Zweistoppstrategie, die als Alternativlösung galt, wäre Schumacher laut Brawn übrigens rund um die 25. Runde an die Box gekommen.
Villeneuve durchkreuzt "Schumis" Plan
Doch dann scheint der Plan des Superhirns schiefzulaufen: Schumacher kommt direkt hinter dem neuen Drittplatzierten Villeneuve wieder auf die Strecke zurück. Der Williams-Pilot denkt gar nicht daran, das Feld zu räumen, und macht sich breit. "Da dachte ich: Das geht nie gut", zweifelt Schumacher an Brawns Schachzug. "Ich habe jede Runde gehofft, dass Jacques endlich an die Box fährt." Erst nach fünf Runden wird seine Hoffnung belohnt. Da haben auch Häkkinen und Coulthard bereits ihren ersten Stopp absolviert.
Als der Ferrari-Star nicht mehr blockiert wird, fährt er in 1:19.952 eine neue schnellste Runde - ein Indiz dafür, dass sein Bolide leichter ist als die McLaren, zu denen er rasch wieder aufschließt. Nur 18 Runden später - in der 43. von 77 Runden - deckt die Scuderia ihre Karten auf: Schumacher ist erneut an der Box, und seine Crew tankt den Boliden nur für 19 Umläufe auf, wodurch die Standzeit kürzer wird.
Brawns berühmter Funkspruch
Da Schumacher in gewohnter Manier bei der Boxeneinfahrt alles riskiert, fällt Coulthard nach dessen Stopp hinter den Ferrari zurück. Die vielen deutschen Fans reißt es von den Sitzen. Im Cockpit des Ferrari läuft währenddessen der Boxenfunk heiß. "Michael", meldet sich Brawn. "Wir können gewinnen, wenn du in 19 Runden 25 Sekunden Vorsprung auf die McLaren herausholen kannst."
Schumacher bedankt sich etwas genervt dafür, dass Brawn von ihm ein Wunder erwartet, und gibt Gas. Zwei Runden später wird auch Häkkinens McLaren so aufgetankt, dass der Finne bis ans Rennende durchfahren kann. Schumacher wundert sich, als er den Silberpfeil nicht vor sich sieht: "Die Box zeigte mir ein Schild, auf dem stand, dass ich vier Sekunden Abstand zu Häkkinen habe. Das habe ich nicht kapiert. Erst in der nächsten Runde hat Ross mir gesagt, dass ich in Führung liege."
Dennoch liegt McLaren zu diesem Zeitpunkt Boxenstopp-bereinigt noch immer mit beiden Autos an der Spitze. Brawn weiß aber: Zehn Kilogramm weniger Sprit ermöglichen auf dem Hungaroring um vier Zehntel schnellere Zeiten. Dazu kommt, dass Schumacher im Gegensatz zu den weichen Bridgestone-Pneus der McLaren-Fahrer, die noch dazu mit einem schweren Auto kämpfen, die harten Goodyear-Reifen aufgeschnallt hat.
Schumacher-Ausritt bleibt ohne Folgen
"Ich fuhr eine Qualifying-Runde nach der anderen", schildert Schumacher, der vorne die Flucht ergreift. In nur vier Runden baut er den Vorsprung auf Häkkinen von 4,9 auf 12,5 Sekunden aus, doch dann leistet sich der Leader einen Ausrutscher ins Gras, verliert auf einen Schlag fünf Sekunden. Ist damit der Plan endgültig gescheitert?
Schumacher hat Glück: Auch Häkkinens Rundenzeiten fallen in den Keller. "Ich kann das Auto nicht mehr auf der Strecke halten, was ist da los?", bittet der Finne seine Box um Hilfe. Das Team ist ratlos, vermutet einen defekten Stoßdämpfer: "Mika, bleib im Rennen, wir können in den Telemetriedaten nichts erkennen." Später sollte sich herausstellen, dass sich ein Metallverbindungsstück des vorderen Stabilisators nach dem ersten Stopp in der Aufhängung verklemmt hat.
McLaren-Mercedes schlittert in Probleme
Und so überholt Coulthard in der 52. Runde 14 Sekunden hinter Schumacher seinen Teamkollegen. "Ich habe der Box Bescheid gesagt, dass ich schneller fahren kann", erzählt der Schotte. "Sie haben mir dann das Okay gegeben, Mika zu überholen." Somit darf er in zehn Runden nur noch zehn Sekunden auf den Ferrari-Piloten verlieren, will er nach Schumachers Stopp die Führung wieder übernehmen.
Aber auch er hat Probleme. "Die Reifen haben immer mehr abgebaut", verzweifelt er an den weichen Bridgestone-Pneus. Und so gelingt es Schumacher, den Vorsprung bis zum Stopp in der 62. Runde auf 25,2 Sekunden auszubauen. Da er in nur 7,7 Sekunden abgefertigt wird, kommt er sogar rund fünf Sekunden vor Coulthard wieder auf die Strecke zurück. "Das waren die wichtigsten 19 Runden meiner Karriere", freut sich der Kerpener, während die Mundwinkel der Silberpfeil-Granden klar nach unten zeigen.
Schumacher demütigt Häkkinen
Häkkinen wird immer langsamer und der Reihe nach von Villeneuve, Hill und Frentzen überholt - bei jedem Platzverlust ertönt Jubel von den Rängen. In der letzten Runde dann die Demütigung: Schumacher überrundet den WM-Leader, der als Sechster nur ein mickriges Pünktchen mitnimmt. Der Vorsprung im Klassement schmilzt von 16 auf sieben Zähler.
Schumacher reißt die Arme in die Höhe, die Ferrari-Crew kann es nicht fassen. Als Schumacher flankiert von Coulthard und Villeneuve, der den Großteil des Rennens ohne Servolenkung gefahren ist, auf das Podest klettert, ist er überwältigt: "Ich fühle mich wie bei einem Heimrennen, denn hier sind so viele deutsche Fans. Sie jubeln mir begeistert zu - und dann schießt es mir durch den Kopf: Was die Atmosphäre angeht, ist das einer meiner größten Siege."
Der Sieger nimmt einen kräftigen Schluck Champagner. Diesmal wirkt selbst der perfekt austrainierte Modellathlet nicht mehr ganz frisch. "Bis auf 15 Runden war das ein Rennen im Qualifying-Tempo", nennt er den Grund und schielt auf den WM-Stand: "Sieben Punkte Rückstand sind so gut wie nichts. Der Titelkampf ist also völlig offen."
"Schumi" feiert, Frentzen im Krankenhaus
Ob das Rennen womöglich sogar die Wende sei? "Für mich gab es nie eine Wende, weder auf die eine noch auf die andere Seite. Wir haben immer an den Erfolg geglaubt, haben hart gearbeitet und den Kopf nie hängengelassen. Diese Arbeit zahlt sich jetzt aus." Bei McLaren-Mercedes erkennt man währenddessen die Niederlage an. "Wir haben den Sieg diesmal nicht verdient", seufzt Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. Und auch Coulthard weiß, dass sein Team diesmal von Brawn und Schumacher ausgetrickst wurde: "Drei Stopps wären besser gewesen."
Nach dem Triumph legt Schumacher ein Geständnis ab: "Mein einziger Fehler waren zwei Schnäpse, die ich gleich nach meinem Sieg getrunken habe." Landsmann Frentzen, der im Rennen einen Adrenalinschub bekommt, die Schmerzen vergisst und am Ende sogar Jagd auf Hill macht, wird am Ende starker Fünfter. Und ist - während Schumacher feiert - bereits per Helikopter auf dem Weg ins Wiener Allgemeine Krankenhaus, wo er bis Mittwoch bleiben muss.
"Ich war total kaputt, aber mächtig stolz auf meine Leistung. Es war gewiss eines der stärksten Rennen meiner Karriere", bereut er seine Grenzerfahrung nicht. Und unterschreibt später bei Jordan, während Landsmann Ralf Schumacher sein Williams-Cockpit einnehmen wird.
Alles wird aber von der strategischen Meisterleistung Brawns und Schumachers überstrahlt, die von der Presse als historische Heldentat gefeiert wird. Schumacher könne jetzt im WM-Finale doch noch die Silberpfeile abfangen, heißt es. Von der Hockenheim-Schmach redet währenddessen niemand mehr - so rasch ändern sich in der Formel 1 die Zeiten.