Neue Aero-Regeln 2019: Formel-1-Autos 1,5 Sekunden langsamer
Die FIA will einen Teufelskreis durchbrochen haben: Sie verspricht "wahrscheinlich" mehr Überholmanöver, indem sie die Optimierung der Formel-1-Autos einbremst
(Motorsport-Total.com) - Die FIA geht davon aus, dass die Änderungen am Technischen Reglement der Formel 1 für die Saison 2019 die Boliden um rund 1,5 Sekunden pro Runde langsamer machen würden. Simplere Front- und Heckflügel, die das Hinterherfahren und das Überholen erleichtern sollen, versprechen laut dem Technikchef des Automobil-Weltverbandes trotzdem "sehr wahrscheinlich" spannendere Rennen.
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Die Formel-1-Frontflügel (hier bei McLaren) sollen bald nicht mehr so komplex sein Zoom Download
Nikolas Tombazis weiter: "Die Aussichten, für Besserung zu sorgen, sind richtig gut. Dass wir zumindest kleine Fortschritte herbeiführen, ist ebenfalls möglich. Dagegen tendiert die Wahrscheinlichkeit, dass es schlimmer wird, gegen Null." Deshalb riskiert die FIA eine Abkehr von einer Philosophie, die noch unter dem früheren Formel-1-Boss Bernie Ecclestone in die Wege geleitet wurde.
Denn die große Regelnovelle 2017 verfolgte das Ziel, die Königsklasse um bis zu fünf Sekunden pro Runde schneller zu machen, was zumindest auf einzelnen Kursen auch erreicht wurde. Die neuen Machthaber von Liberty Media - insbesondere Sportchef Ross Brawn - sind aber zu der Erkenntnis gelangt, dass mehr Tempo nicht zwingend mehr Action bedeutet. Ganz im Gegenteil.
Fotostrecke: Die zehn denkwürdigsten F1-Regeländerungen
#10: Fahren dürfen nur die Hinterbänkler - Sie ist der große Trumpf der Williams-Mannschaft. Doch nicht nur deshalb will die FIA der aktiven Radaufhängung beim Kanada-Grand-Prix 1993 einen Riegel vorschieben. Die fortschrittliche, aber unglaublich kostenintensive Technik wird von den Kommissaren bei der technische Abnahme als Fahrhilfe eingestuft und bei allen Teams für nicht-regelkonform befunden worden. Gleiches gilt für die Autos, die auf eine Traktionskontrolle setzten. Hintergrund: Die Systeme beeinflussen hydraulisch die Aerodynamik respektive entziehen dem Piloten teilweise die Kontrolle über den Vortrieb. Es entsteht die Drohkulisse, dass die Scuderia-Italia-Hinterbänkler Michele Alboreto und Luca Badoer die einzigen Starter in Montreal sind. Das Verbot wird bis Anfang 1994 aufgeschoben, dann aber durchgesetzt. Fotostrecke
"Ich vermute, dass es ohne eine Regeländerung in den kommenden zwei Jahren sukzessive schwieriger geworden wäre", sagt Tombazis mit Blick auf das Überholen. Schließlich wäre zu erwarten gewesen, dass die Teams bei stabilen Regeln ihre Autos weiter ausgereizt hätten - umso mehr sich ein Bolide jedoch aerodynamisch am Limit bewegt, umso sensibler reagiert er auch auf Turbulenzen.
Schließlich haben bislang alle Teams versucht, den Luftstrom vom Frontflügel aus außen um die Vorderreifen herumzuleiten, damit er weniger die Aerodynamik des Diffusors und des Heckflügels am eigenen Auto stört. Das ist aber besonders kritisch für das hinterfahrende Auto. Der Teufelskreis: Umso stäker ein Team seinen Wagen optimiert, umso schwieriger lässt es sich überholen.
Tombazis glaubt, ein Gegenmittel zu präsentieren, wenn die Frontflügel-Endplatte weniger komplex gestaltet wird und die kleinen Abweiser in dem Bereich verschwinden: "Sie sorgen für viele Luftwirbel, die den Luftstrom um die Vorderreifen kontrollieren - alles das verschwindet." Die neuen Vorschriften würden es erlauben, die Luft zu leiten, aber nicht für so viele Nebenwirkungen sorgen.
"In Studien hat sich herausgestellt, dass der Sog um die Vorderreifen herum Einfluss auf das hinterherfahrende Autos hat. Dass das wegfällt, wird für gewaltige Verbesserungen sorgen", so Tombazis. "Dennoch glaube ich nicht, dass sich die Autos bald wie Tourenwagen von der Strecke schieben." Am Rande des Rennens in Barcelona treffen sich die Technikchefs der Teams, um Details der Regeländerung zu besprechen.