• 14. Juni 2016 · 09:01 Uhr

Sorgenkind Start: Angreifbare Mercedes jetzt "Normalzustand"

Seit die manuellen Formel-1-Starts eingeführt wurden, ist Mercedes angreifbar geworden, von einer technischen Kupplungs-Krise könne aber keine Rede sein

(Motorsport-Total.com) - Man muss die Kirche schon im Dorf lassen: Mercedes hat sechs der bisherigen sieben Saisonrennen gewonnen, und hätten sich Nico Rosberg und Lewis Hamilton nicht in der ersten Runde von Barcelona gegenseitig von der Strecke geschossen, hätten sie in der Formel-1-Saison 2016 sogar noch eine blütenweiße Weste. Aber Tatsache ist, dass der Vorsprung der Silberpfeile auf der Stoppuhr schon einmal größer war.

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Seit in der Formel 1 wieder manuell gestartet wird, ist Mercedes angreifbar Zoom Download

Das zeigte sich in Montreal besonders deutlich, denn die Powerstrecke mit vier langen Geraden sollte dem F1 W07 Hybrid eigentlich wie auf den Leib geschneidert sein. Aber nach 70 Rennrunden hatte Hamilton trotz eines Boxenstopps weniger gerade mal fünf Sekunden Vorsprung auf Sebastian Vettel, der schon im Qualifying weniger als zwei Zehntelsekunden Rückstand hatte. Ferrari kann durch das Turbo-Update jetzt länger maximale Leistung abrufen, und das lässt den Abstand schmelzen.

"Wir haben uns den Geschwindigkeitsunterschied im Vorjahr angeschaut. Da waren es ungefähr fünf Zehntel", analysiert Mercedes-Sportchef Toto Wolff. "Montreal ist eine Powerstrecke. Im Qualifying ging es darum, die Reifen ins richtige Fenster zu bekommen. Die theoretische Rundenzeit war vielleicht repräsentativ: 1:12.6 für Mercedes, 1:12.9 für Ferrari. Aber das ist rein akademisch. Tatsache ist, dass sie nahe an uns dran sind - und wir uns anstrengen müssen."

Mercedes mit bestem Qualifying-Antriebsmodus

Denn Vettel hat mit seinem Raketenstart bewiesen, dass Ferrari dazu in der Lage ist, auch vom dritten Platz aus etwas schlechtere Qualifyings sehr schnell zu korrigieren, und der Rennspeed des SF16-H war immer schon gut. Das mag auch daran liegen, dass Mercedes immer noch den mit Abstand besten Qualifying-Antriebsmodus hat. Diese Maximalleistung kann aber nur über eine Runde abgerufen werden und muss für das Rennen gedrosselt werden.

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Das Mercedes-Team nimmt das Thema Starts nicht auf die leichte Schulter Zoom Download

Mercedes wiederum hat seit der Änderung der Startprozedur die Unangreifbarkeit auf den ersten Metern verloren. Der Start von Vettel am Sonntag sei "großartig" gewesen, analysiert Rosberg, sein eigener "ordentlich" und jener von Hamilton "echt schlecht". Aber das ist 2016 nicht mehr Ausnahme, sondern eher die Regel. "Unglaublich, wie Sebastian nach vorne gefahren ist", staunt Aufsichtsratschef Niki Lauda. "Da muss Mercedes besser werden."

"Ich verstehe das nicht", ärgert sich Hamilton. "Meine Übungsstarts waren gut, der Start am Beginn der Formationsrunde war fantastisch - ich habe die Kupplung losgelassen und das Ding zog perfekt weg. Dann habe ich angehalten, normale Prozedur, ich lasse die Kupplung los, aber es geht nichts mehr. Keine Ahnung warum. Ich war wirklich schnell im Rennen, aber das wäre beinahe ein Stolperstein geworden. Wäre die Gerade länger gewesen, hätten sie mich durchgereicht."

20 Positionen verloren, nur fünf gewonnen

Die Zahlen belegen, dass Mercedes 2016 ein Startproblem hat: Rosberg/Hamilton verloren in der ersten Runde insgesamt 20 Positionen, machten aber nur fünf gut (Hamilton in Sotschi von P10 auf P5). Den Safety-Car-Start in Monte Carlo nicht eingerechnet muss ein Silberpfeil-Fahrer rein statistisch gesehen also davon ausgehen, in der ersten Runde von mindestens einem Konkurrenten überholt zu werden.


Nico Rosberg und die "Massiv Mission" in Kanada

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Nach lediglich Platz fünf in Montreal heißt es für den Mercedes-Piloten nur noch: Nichts wie weg Weitere Formel-1-Videos

Das fängt an, Hamilton zu nerven: "Das ganze Wochenende waren die Starts fantastisch, aber unsere Kupplung performt nicht jedes Mal gleich. Sie war warm und lieferte nicht das Drehmoment. Bei Nico war es ein bisschen besser, aber bei mir rutschte die Kupplung einfach durch. Ich habe mir die Daten angeschaut. Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas falsch gemacht habe."

Thema Kupplung: Kein Problem des Produkts

Bei Mercedes ist man freilich der Ansicht, dass nicht nach jedem Positionsverlust am Start gleich eine technische Krise herbeigeredet werden muss. Und das mit Recht: Wenn man aus der ersten Reihe losfährt, ist eine negative Startbilanz fast zwangsläufig die Folge davon. Und letztendlich sollte genau das, nämlich mehr Positionsverschiebungen, mit der Änderung des Reglements, dass die Starts wieder stärker in die Hände der Fahrer gelegt werden, erreicht werden.

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So geht's auch: Der Mercedes-Start in Barcelona war zunächst souverän Zoom Download

Trotzdem möchte man die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen: "Wir haben die neuen Regeln erfunden, um die Starts unvorhersehbarer zu machen", erklärt Wolff. "In den letzten Rennen hatten wir auch ein paar wirklich tolle Starts. Diesmal waren sie nicht so toll und wir müssen analysieren, warum das so war, ob einfach Temperatur gefehlt hat oder ob Ferrari einfach viel besser weggekommen ist. Dann muss man das auch akzeptieren können."

Mercedes bezieht die Kupplungen bei AP Racing. Ein Wechsel steht nicht zur Diskussion, weil das Produkt an und für sich hervorragend ist. Aber: Sobald es Rosberg und Hamilton unter den manuellen Startregeln nicht gelingt, das optimale Temperaturfenster und den optimalen Schleifpunkt zu finden, reagiert die Kupplung sensibel.

Missverständnis: Daimler baut keine neue Kupplung

Um diesen Prozess zu optimieren, wurde der Daimler-Konzern mit seinem technischen Know-how um Hilfe gebeten. Beim Wolff-Zitat von Anfang April, wonach Daimler für Mercedes eine neue Kupplung bauen soll, dürfte es sich jedoch um ein Missverständnis gehandelt haben. Letztendlich geht es um das optimale Ausschöpfen des Potenzials der Kupplung und weniger um die Kupplung an sich. Das ist Fahrer- beziehungsweise Mercedes-Thema und kein Material-Problem.


Fotostrecke: GP Kanada, Highlights 2016

Dass Vettel in Montreal trotz der kurzen Geraden um so viel besser wegkam als die Silberpfeile, dass er sich vor der ersten Kurve schon wieder auf die Ideallinie begeben konnte, ist insofern nicht zwangsläufig ein Indikator für ein Kupplungsproblem: "Ich denke, das lag einfach am Schlupf, weil wir es nicht hundertprozentig perfekt getroffen haben", relativiert Wolff. "Der Launch von Ferrari sah großartig aus. Vielleicht haben die irgendwas. Das müssen wir uns anschauen."

Wolff: Stärkere Konkurrenz ist "Normalzustand"

Aber dass Ferrari und Red Bull generell näher rücken, überrascht ihn nicht: "Ich denke, wir kommen zurück in einen Zustand der Normalität", sagt der Österreicher. "Wir waren zwei Jahre lang in einer glücklichen Situation, wir waren das dominante Team. Jetzt sehen wir, dass die Abstände zwischen den drei, vier Spitzenteams schrumpfen. Letztendlich ist das der Grund, weshalb wir alle hier sind. Mein Gefühl ist, dass das jetzt Normalität ist."


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"Interessanterweise war Red Bulls Performance im Qualifying stärker als im Rennen, während Ferrari im Qualifying und im Rennen stark war", analysiert Wolff. "Wenn man sich die langfristige Entwicklungskurve von Ferrari anschaut, dann fällt auf, dass sie von Rennen zu Rennen besser werden. Am Saisonbeginn hatten sie einfach ein bisschen Pech. Aber in Montreal konnte man sehen, dass Ferrari dazu in der Lage ist, Rennen zu gewinnen."

Mercedes reagiert darauf mit kontinuierlicher Weiterentwicklung; auch beim Grand Prix von Kanada waren neue Teile am Auto, und am Freitag wurde ein neuer Heckflügel für Baku getestet. Das nächste größere Update kommt dann danach: "Wir machen Druck", sagt Wolff. "Wir werden wahrscheinlich für Silverstone ein Aero-Upgrade fertig haben, und auf Motorenseite arbeiten alle hart daran, mehr Performance zu bringen. Das ist notwendig."

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