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2008: Ein Kanada-Grand-Prix für die Ewigkeit
Genau ein Jahr nach seinem Horrorcrash holt Robert Kubica in Montreal 2008 seinen einzigen Grand-Prix-Sieg - Wie Adrian Sutil dieses Wunder möglich macht
(Motorsport-Total.com) - 2007 springt Robert Kubica dem Tod in Montreal bei seinem Horrorunfall haarscharf von der Schippe, genau ein Jahr später feiert der Pole am gleichen Ort seinen einzigen Grand-Prix-Sieg - und den einzigen des BMW-Sauber-Teams. Sogar die Führung in der WM hat das Toptalent plötzlich inne. Eine Geschichte, wie sie nur die Formel 1 schreibt - und plötzlich ein Hauch Magie in der Luft liegt.
Kein Wunder, dass Kubica schon vor dem Trainingsauftakt im Zentrum des Medieninteresses steht. Die schockierenden Bilder, als der BMW-Sauber-Bolide beim Versuch, Jarno Trullis Toyota zu überholen, bei rund 300 km/h von der Strecke abkommt, über eine Bodenwelle abhebt, in die Mauer einschlägt und erst nach einem Überschlag völlig zerstört liegenbleibt - die Füße des Piloten im Freien -, haben sich in die Köpfe der Journalisten eingebrannt. Und vor allem die Angst um Kubica, als dieser ohne Aufklärung durch die TV-Bilder aus dem Wrack verschwindet...
Nur der 21-Jährige, der mit einem verstauchten Knöchel und ein paar blauen Flecken glimpflich davonkam, scheint den Crash völlig verarbeitet zu haben. "Im Fernsehen hat das schlimmer ausgesehen, als es für ich im Cockpit war", diktiert er den erstaunten Reportern mit nüchterner Miene in die Notizblöcke. "Ich muss mit gar nichts fertig werden, denn mich beeinflusst das nicht. Ich habe keine negativen Gefühle. Im Gegenteil, wir fahren dort auf einer meiner Lieblingsstrecken."
Kubica macht bereits im Training ordentlich Dampf
Dass dies keine leeren Worte sind, beweist Kubica im Freitag-Training, als er knapp hinter McLaren-Star und WM-Leader Lewis Hamilton Platz zwei belegt. Der Brite führt in der Gesamtwertung vor dem Kanada-Grand-Prix drei WM-Punkte vor Titelverteidiger Kimi Räikkönen, dessen Teamkollege Felipe Massa liegt nur vier Zähler hinter Hamilton. Kubica fehlen sechs Punkte auf die Führung.
Auch im Qualifying macht der BMW-Sauber-Pilot ordentlich Dampf: Bei schwierigsten Bedingungen - der neue Asphalt bricht in einigen Kurven auf, was zu zahlreichen Crashes führt - fährt Kubica Bestzeit und wird nur von Hamilton in letzter Sekunde von der Pole-Position verdrängt. Hinter den beiden folgen Räikkönen und Renault-Pilot Fernando Alonso. Während sich Massa mit Rang sechs zufrieden geben muss, kommt Kubicas Stallkollege Nick Heidfeld nicht über Platz acht hinaus. Der Routinier verliert fast zwei Sekunden auf den gläubigen Krakauer.
Asphaltschäden: Fahren "wie auf Eis"
Für Aufregung sorgt nach dem Qualifying aber vor allem der Zustand des Circuit Gilles Villeneuve auf der Ile de Notre Dame. Da sich die Fahrer über die Fahrbahnschäden in der zweiten Kurve, der Haarnadel und der Kurve 10 beschweren, rückt das Notfallkommando aus: vier Mann und eine Dampfwalze. Die heiklen Stellen werden noch einmal planiert, damit der Sonntag nicht erneut zur Rutschpartie wird.
Denn auf den Teersteinen, die aus dem Asphalt gerissen wurde, fährt es sich "wie auf Eis", warnt "Iceman" Räikkönen. Auf einer Strecke, wo die Mauern unmittelbar neben dem Asphaltband lauern, keine beruhigende Ausgangssituation.
Als das Feld am Sonntag bei strahlendem Sonnenschein und über 30 Grad auf die Reise geschickt wird, sieht zunächst alles nach einem außergewöhnlich unspektakulären Kanada-Grand-Prix aus: In den ersten Kurven kommt es zu keinen Kollisionen, Pole-Setter Hamilton verteidigt seine Führung vor Kubica und Räikkönen, Alonso fällt hinter Williams-Überraschung Nico Rosberg auf Rang fünf zurück.
Hamilton: Auffahrunfall bei Rotlicht
Alles läuft für den McLaren-Leader wie am Schnürchen. Bis bei seinem damaligen Kumpel Adrian Sutil in der 16. Runde das Getriebe streikt und der Bayer seinen Force India in Kurve 3 an der Mauer abstellen muss. Als das Heck auch noch Feuer fängt, wird das Safety-Car auf die Strecke geschickt.
In der Boxengasse bricht Hektik aus: Die sieben Führenden biegen gleichzeitig in die Boxengasse ein. Die Mechaniker von Ferrari und BMW-Sauber fertigen Kubica und Räikkönen am schnellsten ab, doch die Ampel springt am Ende der Boxengasse auf rot, weil gerade das Safety-Car mit dem aufgefädelten Feld vorbeifährt.
Während Kubica und Räikkönen anhalten, kann Hamilton nicht mehr bremsen und donnert dem Ferrari ins Heck. Die Gedanken des Briten kreisten wohl noch um den verpatzten Boxenstopp seiner Truppe, der ihm die Führung gekostet hatte. Doch nun ist nicht nur die Führung verloren, sondern der ganze Grand Prix.
Kubica profitiert von Kettenreaktion
Der sonst so coole Räikkönen kann es nicht fassen, stürmt auf Hamilton zu und deutet auf die Ampel. Das Blackout des Briten, dem wiederum Williams-Pilot Rosberg ins Heck gefahren ist, ist für den Champion unbegreiflich: "Wenn du bei 300 Kilometer pro Stunden die Kontrolle verlierst und mit jemanden kollidierst, ist das verständlich, aber wenn es ein Speedlimit in der Box gibt, zwei Autos warten bei Rot und du fährst einem ins Auto, ist das einfach nur dumm." Hamilton entschuldigt sich kleinlaut: "Ich habe es nicht gesehen."
Und Kubica ist der lachende Dritte, der dem Zwischenfall beinahe selbst zum Opfer gefallen wäre: "Was für ein Glück, das sich Lewis Kimi ausgesucht hat und nicht mich", reibt sich der Pole die Hände. Der liegt zwar plötzlich nur noch auf Platz zehn, während sein Teamkollege die Führung innehat, doch der bereits absolvierte Boxenstopp wird zum Joker.
Eine Zeitlang scheint der Grand Prix für Heidfeld zu laufen, der in seinem 139. Rennen immer noch auf den ersten Sieg wartet: Der Mönchengladbacher profitiert davon, dass Toro-Rosso-Pilot Sebastian Vettel Kubica aufhält, kommt in Runde 29 an die Box und kehrt unmittelbar vor Kubica auf die Strecke zurück.
Bitterer zweiter Platz für Heidfeld
Doch Heidfeld kann sich gegen den Teamkollegen nicht wehren, weil sein Bolide nach den Tankstopp deutlich schwerer ist - er muss ihn ziehen lassen. Das Duell entwickelt sich zum Fernkrieg: Kubica fährt pro Runde um zwei Sekunden schneller und kann sich durch seine entfesselte Flucht um 25,1 Sekunden absetzen, wodurch er auch nach seinem zweiten Stopp in Führung bleibt - die Entscheidung im Grand Prix.
Kubica siegt in seinem 29. Rennen, Heidfeld sichert am Ende den sensationellen BMW-Sauber-Doppelerfolg ab. Der Deutsche gibt sich zwar nach dem Rennen als Teamplayer, die Enttäuschung ist ihm aber anzusehen. "Da ich Gründungsmitglied dieses Teams bin, ist es sehr befriedigend, dass wir es bis zum Doppelerfolg gebracht haben", sagt er. "Wir wollten dieses Jahr ein Rennen gewinnen, das haben wir jetzt geschafft." Auf Platz drei schiebt sich mit Red-Bull-Pilot David Coulthard ein Routinier, Vierter wird Timo Glock im Toyota.
"Ich bin sehr froh, den ersten Rennsieg für das Team geholt zu haben", bleibt Kubica selbst in der Stunde des Triumphes cool. Es sollte der einzige Sieg des Polen bleiben, der sich im Februar 2011 bei einem Rallyecrash schwere Handverletzungen zuziehen sollte. Die Formel 1 gerät damit für den mutigen Racer, der in der Rallye-WM sein Glück versuchen sollte, außer Reichweite. Doch diesen fantastischen Erfolg in Montreal 2008 kann ihm keiner mehr nehmen.