Der Motor und Spa: Zweimal Vollbremsung, ansonsten Vollgas
Energierückgewinnung gestaltet sich für die Formel-1-Motorenhersteller als Herausforderung, wenn kaum gebremst wird
(Motorsport-Total.com) - Bei Spa-Franchorchamps handelt es sich um den zweitschnellsten Kurs im Formel-1-Kalender, seit die Strecke in Hockenheim gekürzt wurde, beziehungsweise nicht mehr jährlich gefahren wird. Nur noch im italienischen Monza werden höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten erzielt. Für die Teams bedeutet die belgische Ardennenstrecke mit einem Vollgasanteil von 65 Prozent eine zusätzliche Herausforderung für den Antriebsstrang und das Energierückgewinnungssystem ERS.
Verbrennungsmotor unter Volllast
Ungefähr 73 Sekunden pro Umlauf stehen die Fahrer auf der Strecke, die von den schnellsten Wagen im Training in rund 1:48 Minuten umrundet wird, auf dem Gas. Allein 25 Sekunden davon entfallen auf den ersten Sektor von La Source über die legendäre Eau Rouge bis hin zum Anbremspunkt zu Les Combes - jene Stelle, an der sich im Vorjahr die Mercedes-interne Kollision zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton ereignete.
Auch Sektor drei ist mit Ausnahme der Vollbremsung in die Busstop-Schikane eine Vollgaspassage, bei der die Piloten etwa 20 Sekunden am Gas stehen. Dadurch, dass die Strecke rund 500 Meter über dem Meeresspiegel liegt, sinkt der Spritverbrauch, da sich in der Luft rund 5 Prozent weniger Sauerstoff befinden als auf Küstenhöhe.
Ebenso bedeutet dies, dass am höchsten Punkt der Strecke bei Les Combes ungefähr ein Prozent weniger Sprit verbrannt wird als in der rund 40 Meter niedriger gelegenen La Source.
Turbolader
Die Höhe der Strecke hat Auswirkungen auf die Leistung, die der Turbolader erzielt. Um mit den Umdrehungen des Verbrennungsmotors mitzuhalten, bedeutet das für ihn eine Anzahl von 95.000 Umdrehungen in der Minute, also über 1.500 Umdrehungen pro Sekunde.
MGU-K
An den beiden langsamsten Punkten der Strecke wird über die Bremsen die meiste kinetische Energie zurückgewonnen. Vor der Busstop-Schikane bremsen die Fahrer von rund 300 Stundenkilometern auf rund 75 km/h ab, vor La Source geht es von über 280 km/h herunter auf 70 km/h. Während dieses Geschwindigkeitsabfalls klettern die Temperaturen der Vorderradbremsen auf 300 Grad Celsius und müssen eine Energie von rund zwei Megajoule speichern, damit sie in der darauffolgenden Runde abgerufen werden kann.
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Belgien
1925 wird erstmals ein Grand Prix von Belgien ausgetragen, und schon damals wird in Spa-Francorchamps gefahren. Die Strecke führt über öffentliche Straßen und ist 15 Kilometer lang. Die heute berühmteste Kurve ist übrigens nicht von Anfang an Bestandteil der Strecke. Erst 1939 wird die Eau Rouge gebaut. Fotostrecke
MGU-H
Am wenigsten Energie wird im zweiten Sektor zurückgewonnen. Vor allem die MGU-K verliert hier an Bedeutung. Die schnelle Doppellinks Pouhon und die flüssige Fagnes-Kombination werden dazu genutzt, um über die MGU-H die Umgebungswärme aus dem Motorenraum zu sammeln, um Verbrennungsmotor und Turbolader in Sektor drei mit Energie zu versorgen.
Um bei diesen Belastungen zu alter Stärke zurückzufinden, versuchte Renault über die Sommerpause, das eigene System zu optimieren. "Seit dem Grand Prix von Ungarn waren wir extrem geschäftig. Im Gegensatz zu anderen Teams, die ihre Fabriken geschlossen haben, haben wir über die Sommerpause gearbeitet, um unser Entwicklungsprogramm fortzusetzen", berichtet Renault Motorenchef Remi Taffin. "Die Prüfstände sind ganz normal gelaufen", erzählt er weiter.
So arbeiten die Franzosen bereits an Konzepten für 2016, um den Rückstand auf die Konkurrenz von Ferrari und Mercedes aufzuholen. "Der Vollgasanteil ist so hoch wie in Monza, doch es sind die Kurven, die Höhenlage und die Streckenlänge, die den Schwierigkeitsgrad erhöhen", so Taffin, dessen Red-Bull-Fahrer Daniil Kwjat und Daniel Ricciardo beim vorangegangen Grand Prix von Ungarn beide aufs Podium fahren konnten - einem Kurs, der den schwächelnden Renault nebst äußerer Umstände entgegenkam.