Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Carlos Sainz
Inmitten eines turbulenten Ferrari-Jahres setzt Carlos Sainz im Williams klare Akzente: Sein Podium in Katar unterstreicht eine bemerkenswerte Formkurve
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
der Clip aus Las Vegas dürfte inzwischen bekannt sein. Im Sky-Interview vor dem Wochenende wurde Carlos Sainz auf John Elkanns Aussage angesprochen, Ferrari-Fahrer sollten "weniger reden" und sich darauf konzentrieren, wofür sie bezahlt werden: die roten Autos so schnell wie möglich zu bewegen.
"Als ehemaliger Ferrari-Fahrer", fragte Ted Kravitz, "müssen Ferrari-Fahrer vorsichtiger sein, wenn sie öffentlich etwas sagen - weil sie Gefahr laufen, Leute weiter oben in der Hierarchie zu verärgern? Ist man bei einem Team wie Williams offener in der Kritik?"
Ein leichtes Grinsen, weit geöffnete Augen. Dann sagte Sainz mit einem Grinsen im Gesicht: "Ted, das geht mich nichts an" - und fragte zurück, ob Kravitz das Meme mit Kermit dem Frosch und der Teetasse kenne. "Das bin gerade buchstäblich ich."
Sainz auf Platz drei: Nur eine Randnotiz?
Der Katar-Grand-Prix von Sainz wird inmitten des Titelkampfs vermutlich fast untergehen. Viele in der Boxengasse können dennoch zufrieden ins Bett gehen, weil sie ihren Job erledigt haben. Die Red-Bull-Leute dürften mit ihrem Sonntag in Doha hochzufrieden sein - aber wohl kaum zur Ruhe gekommen sein bei all dem Adrenalin.
Für Sainz im Williams geht es nicht um einen Titel, und nach seinem Podium in Baku hatte er ohnehin wenig zu beweisen. Doch Katar verstärkt nur den Eindruck der vergangenen Monate: Selbst ohne Topauto liefert Carlos Sainz Spitzenleistungen ab.
Wie sich Sainz neu erfunden hat
Vielleicht weiß kaum jemand, wie hart das vergangene Jahr für ihn war. Der Anruf im Januar, dass er sein Ferrari-Cockpit verlieren würde, muss ihn getroffen haben.
Er ging damit so professionell um, wie es möglich war. Kein Wort der Beschwerde, kein Anzeichen von Enttäuschung über seine Chefs. Kein Versuch, schwierig oder unkooperativ zu werden. Stattdessen Interviews darüber, dass er Platz machte - und zwar nicht für irgendwen, sondern für einen siebenmaligen Weltmeister.
Doch das war nicht alles. Nach und nach wurde klar, dass ihn nicht nur Ferrari 2025 nicht wollte - sondern keines der anderen Topteams. Mercedes hatte sich längst auf Andrea Kimi Antonelli festgelegt (und die jüngsten Rennen zeigen, dass das kaum ein Fehler war). Und Red Bull schien vor allem darauf bedacht, Max Verstappen nicht zu verärgern - vermutlich auch keine schlechte Idee.
Also musste Sainz akzeptieren, dass seine Optionen begrenzt waren. Audi: attraktiver Name, aber Jahre des Aufbaus; Alpine: chaotisch; Williams: Infrastruktur aus einer anderen Ära.
Sainz musste sich selbst etwas beweisen
Das Podium in Katar war nicht einmal nötig, um etwas zu beweisen. Seine erste Saison mit Williams war auch ohne diesen Erfolg gut genug, um festzustellen: Er hat die richtige Entscheidung getroffen. Das bestätigte er vor dem Wochenende selbst - hätte er damals gewusst, was er heute weiß, hätte er viel früher unterschrieben, statt als "Korken in der Flasche" den Fahrermarkt zu blockieren.
Es wirkt wie eine passende Antwort. Nicht, weil er Ferrari etwas beweisen müsste - doch er zeigt sehr wohl, welchen Fahrer sie ziehen ließen. Er sagte es nie öffentlich, aber man kann verstehen, wenn er Ferraris Logik nicht ganz nachvollziehen konnte. Ihn zu ersetzen durch Lewis Hamilton, der möglicherweise nicht mehr auf seinem früheren Niveau fährt? Einen Piloten im besten Alter austauschen gegen jemanden, der bald 40 wird? Hamilton mag der Größte aller Zeiten sein - aber "Größe" bringt keine Punkte.
Natürlich braucht Lewis Zeit. Er muss sich nach all den Jahren bei Mercedes erst an Ferrari gewöhnen. Doch die Ironie ist, dass sein Vorgänger dieses Adaptieren längst hinter sich hat und jetzt auf höchstem Niveau fährt. Ein Podium im Williams gegen keines von Hamilton im Ferrari war bereits ein Statement. Ein zweites - nach dem starken Sprint in Austin und der Qualifikation in Las Vegas - zeigt, wie unterschiedlich ihre Saisonverläufe geworden sind.
Keine "geschenkten" Podestplätze
Das Podium von Sainz entstand erneut aus einem sauber gefahrenen Rennen, ohne viel Glück. Ein paar Fehler der Konkurrenz - und er war da. Kontrolliert wie in Baku. Beide Podien kamen ohne Chaos-Rennen oder Zufälle zustande, was sie umso wertvoller macht.
Sainz sagt, es gehe ihn nichts an - doch ignorieren kann er die Lage bei Ferrari nicht. Denn nicht nur der Fortschritt von Williams hätte ihn früher unterschreiben lassen. Hätte ihm jemand vor einem Jahr gesagt, in welchem Zustand die Scuderia heute steckt, hätte er dem Verlust seines Ferrari-Cockpits wohl weniger nachgetrauert.
Katar war möglicherweise Ferraris Tiefpunkt in dieser Saison, rein sportlich. Und Hamilton wirkte selten so weit davon entfernt, das Auto zu beherrschen. Vielleicht ist er es - nicht Sainz -, der sich fragt, ob seine Karriere-Entscheidung die richtige war.
Und Sainz selbst? Nichts garantiert, dass es so weitergeht. Ferrari bleibt ein Topteam mit hervorragender Infrastruktur, und die nächste Saison kann vollkommen anders aussehen. Doch Sainz hat allen Grund, seiner Zukunft bei Williams optimistisch entgegenzublicken - ohne Bedauern über das, was war.
Kennst du das Meme mit dem kleinen Mädchen vor dem brennenden Haus?
Das ist momentan buchstäblich er.
- Formel-1-Newsticker
Formel-1-Liveticker: Ferrari scheitert an "Ballon"-Reifen - Formel 1
So können Norris, Verstappen und Piastri in Abu Dhabi F1-Weltmeister werden - Formel 1
"Halber Meter" entscheidet: Hülkenberg-Crash stellt Katar auf den Kopf - Formel 1
Verstappen kontert Norris-Vorwurf: "Ich lege nur die Fakten auf den Tisch"
Euer
Oleg Karpow

