Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Helmut Marko
Eine weitere Masterclass von Max Verstappen und eine doppelte Disqualifikation für McLaren halten den Traum eines fünften Titels des Niederländers am Leben.
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
Helmut Marko konnte sich ein breites Grinsen und einige ironische Bemerkungen nicht verkneifen, als er nach dem Formel-1-Rennen in Las Vegas 2025 - umringt von mehreren niederländischen Journalisten, darunter Ronald Vording - zum nächsten Glanzstück von Max Verstappen befragt wurde.
Der Österreicher genoss sichtlich, wie Lando Norris' Ingenieur Will Joseph seinem Fahrer noch mitgab: "Wir holen uns jetzt Max" -
"... und dann puff, puff, puff, eine schnellste Runde nach der anderen", sagte Marko und grinste. Niemand würde seinem Goldjungen diesen Sieg nehmen.
Man muss Marko jene Momente überbordender Bewunderung für Verstappen verzeihen. Verstappen ist wohl das erfolgreichste Projekt seiner gesamten Laufbahn - sein größter Triumph seit vielen Jahren.
Verstappen ist wie Vettel - nur besser
Für Marko ist Verstappen eine noch feinere Version von Sebastian Vettel, nahezu frei von Schwächen - die Verkörperung dessen, was das von Marko aufgebaute Programm seit einem Vierteljahrhundert ausmacht: jung, aggressiv, ganz dem Rennsport verschrieben. Belastbar unter Druck, ja, regelrecht darin aufblühend. Und immer siegorientiert.
Es ist schwer, Verstappens Status als derzeit bester Fahrer im Feld infrage zu stellen. Vielleicht sogar als einen der größten aller Zeiten.
"Es war eine unglaubliche Max-Verstappen-Show", sagte Marko. "Er hat Lando in der ersten Kurve zu einem Fehler gezwungen. Und dann hat er das Rennen kontrolliert."
Verstappens fünfter Titel: Markos letztes großes Ziel?
Marko macht kaum ein Geheimnis daraus, dass Verstappens fünfter Titelgewinn sein letzter großer beruflicher Traum ist. Was ihm mit Vettel nie gelang - der fünffache Coup - wäre ein perfekter Schlusspunkt dieses gemeinsamen Weges.
Weitergehen wird die Geschichte dennoch: Trotz aller Gerüchte der vergangenen Jahre bleibt Verstappen mindestens bis 2026 bei Red Bull. Doch für Marko selbst, so sagen viele, könnte 2025 das letzte Jahr in so aktiver Rolle sein. Fünf Titel in Serie mit dem wichtigsten Fahrer seiner Karriere - ein stimmiges Finale.
Kein Jahr wie jedes andere für Red Bull
Für Red Bull war es ein schwieriges Jahr, anders als fast alle zuvor - zumindest in der jüngeren Vergangenheit. Erstmals seit Langem fuhr man hinterher, phasenweise sogar hoffnungslos.
Interne Machtkämpfe führten schließlich zum Abschied von Christian Horner, einem der Architekten aller Erfolge des Teams. Kurz zuvor verließ auch Adrian Newey das Unternehmen - eine Figur, die für die Titel von Vettel, Verstappen und Red Bull insgesamt wohl noch entscheidender war.
Es war ein echter Stresstest. Vieles wirkte nach dem Ende einer Ära - besonders in jenen Momenten, in denen Red Bull nicht mehr in der Lage schien, an die Spitze der Formel 1 zurückzukehren. In Budapest Anfang August schaffte es Max nur knapp in Q3 und wurde im Rennen Neunter - hinter einem der Autos des Junior-Teams.
Verstappen war schon raus aus dem Titelkampf, aber ...
Das Worst-Case-Szenario war keineswegs unrealistisch: Ohne Newey schien die Entwicklung zu stocken, und ohne Horner fehlte ein Stück Identität. Der Rückstand auf die McLaren-Piloten näherte sich der 100-Punkte-Marke - ein Titelkampf schien ausgeschlossen. Dass Verstappen im späteren Saisonverlauf überhaupt noch Rennen gewinnen würde, stand in den Sternen.
Doch die zweite Saisonhälfte wirkte wie aus einem kitschigen Hollywood-Sportfilm: Der Außenseiter sortiert sich, findet neue Kraft und startet eine unfassbare Aufholjagd. In nur sieben Rennwochenenden egalisierte Verstappen den Rückstand auf Oscar Piastri - jenen Piastri, der nach Zandvoort nicht nur als Favorit, sondern als nahezu unerschütterlich galt.
Dass Piastri in dieser Phase auch von Lando Norris überholt wurde, ist ein wichtiger Nebenaspekt. Fällt es in die Dramaturgie eines sportlichen Melodrams, ist es einfach ein weiterer Plot-Twist - eine Vorlage für ein umso dramatischeres Finale.
Es bleibt eine theoretische Chance
Verstappens Titelchance wirkt weiterhin kaum greifbar. Norris' Vorsprung von 24 Punkten bleibt ein beachtliches Polster. Doch wer hätte auch nur einen Dollar darauf gesetzt, dass das Titelbild nach Las Vegas so aussehen würde? Selbst der Stand vor der McLaren-Disqualifikation hätte vor Monaten nach purer Fiktion geklungen.
Und doch: In dieser Meisterschaft scheint weiterhin alles möglich. Und Verstappens fünfter Titel - jener, den Marko so sehr herbeisehnt - ist real.
Was den Aufschwung bei Red Bull eingeleitet hat
Möglich wurde all das durch einen nahezu unerklärlichen Schritt nach vorn seit Monza. Ein paar Upgrades reichten nicht nur, Red Bull überall wieder siegfähig zu machen - sie bewiesen auch, dass Pierre Wache die technische Führung souverän ausfüllen kann, selbst ohne Neweys Schatten im Rücken.
Ein anderer Franzose wiederum - der Horner ersetzte - zeigte bereits, dass niemand unersetzlich ist (vielleicht mit Ausnahme Verstappens). Und Laurent Mekies wird weiterhin betonen, sein Anteil an den jüngsten Erfolgen sei "null", doch mit jedem Wochenende klingt das mehr nach gespielter Bescheidenheit.
Offensichtlich ist zumindest eines: Interne Konflikte sind nahezu verschwunden - ein Vorteil, wenn sich wirklich alles auf das Racing konzentrieren muss.
Red Bull ist plötzlich wieder das beste Team der Formel 1 - zumindest in einer "Ein-Auto-Wertung". Und noch ist nichts entschieden.
Helmut Marko schöpft neue Hoffnung
Direkt nach dem Rennen wirkte die Lage jedoch deutlich düsterer: "Ich meine, ja, es ist gut, aber es ist trotzdem zu spät", sagte Marko, als Verstappen noch 42 Punkte hinter Norris lag und McLaren noch nicht in Schwierigkeiten war. "Alleine schaffen wir das nicht. Wir brauchen wirklich schlechte Ergebnisse von Lando."
"Mehr als eines", wurde ihm entgegnet. "Eines wäre schon schön", sagte Marko daraufhin. Dieses Geschenk bekam er keine zwei Stunden später.
Doch die Aufgabe bleibt gewaltig - nicht nur wegen der Punkte, sondern auch, weil Norris zuletzt schlicht überragend fuhr. Eine Kraft, die man nicht einfach auf Fehler hoffen lassen kann. Norris agiert wie ein würdiger Titelkandidat. Doch Las Vegas bewies erneut, wie überraschend diese Saison verläuft.
Markos Traum lebt weiter - zumindest eine Woche lang.
- Formel 1
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Euer
Oleg Karpow

