Meinung: McLaren rudert zurück - die richtige Entscheidung?
McLaren nimmt die Konsequenzen gegen Lando Norris zurück: Nach Ansicht unserer Redakteure die einzige richtige Maßnahme im WM-Kampf der Formel 1
(Motorsport-Total.com) - McLaren stand am Medientag der Formel 1 beim Grand Prix von Mexiko im Fokus, als Oscar Piastri enthüllte, dass das Team die "Konsequenzen" gegen Lando Norris aufgehoben habe.
Der Hintergrund: Norris war beim Singapur-Grand-Prix in Piastri hineingefahren, als er im Kampf um Platz drei ein Überholmanöver gegen seinen Teamkollegen und WM-Rivalen versuchte. Nach einer internen Überprüfung kam McLaren zum Schluss, dass Norris den Zwischenfall hätte vermeiden können.
Vor dem darauffolgenden Rennen in den USA gab das Team bekannt, Norris werde eine "kleine Konsequenz" erhalten. Diese bestand offenbar darin, dass Piastri in der Qualifikation die Reihenfolge der beiden McLaren beim Verlassen der Boxengasse bestimmen durfte.
Doch diese Maßnahme war nur von kurzer Dauer. Beim Sprint in Austin am vergangenen Wochenende kollidierten die beiden McLaren-Fahrer erneut. Piastri versuchte in Kurve 1 auf der ersten Runde einen sogenannten Cutback gegen Norris, wurde dabei aber von Nico Hülkenbergs Sauber getroffen, der zwischen dem Australier und Fernando Alonsos Aston Martin eingeklemmt war.
Hülkenberg traf Piastri, dieser prallte in Norris, und beide McLaren mussten das Rennen aufgeben. Piastri übernahm "einen gewissen Anteil an Verantwortung" und erklärte anschließend, dass "die Konsequenzen für Lando aufgehoben" worden seien.
Damit ist das Titelrennen wieder völlig offen. Piastri führt die WM mit 14 Punkten Vorsprung vor Norris an, während Max Verstappen 40 Punkte hinter der Spitze auf Platz drei lauert.
Doch wie ist die "Rolle rückwärts" von McLaren zu werten? Dazu haben die internationalen Formel-1-Redakteure des Motorsport Network folgende Meinung:
Gute Nachricht - jetzt können wir die Show genießen
Jake Boxall-Legge
Für alle, die sich ein kompromissloses Titelduell zwischen Piastri, Norris und Verstappen wünschen, ist die Aufhebung der McLaren-"Konsequenzen" eine gute Nachricht. Piastri hat "einen gewissen Anteil an Verantwortung" für sein Austin-Manöver eingeräumt. Da nun beide Fahrer in der Kritik standen, entschied McLaren, die Sache zu bereinigen und einen Schlussstrich zu ziehen.
McLaren hat inzwischen erkannt, dass Verstappen ein sehr realer Gegner in diesem Titelkampf ist. Deshalb ergibt es keinen Sinn, sich selbst zu schwächen, auch wenn die besagten "Konsequenzen" ohnehin nur geringfügig waren.
Wie George Costanza in "Seinfelds" Meta-Referenz auf die fiktive Serie "Jerry" sagte: Es war "eine Show über nichts". Genauso ist es hier. Letztlich ist es für alle besser, dass alle drei Titelkandidaten nun unter denselben Bedingungen antreten. Hoffentlich erleben wir ein WM-Duell, das in Erinnerung bleibt. Sollte es tatsächlich zu einem Klassiker werden, wird sich später kaum jemand an die internen McLaren-Details erinnern. Der Druck liegt allerdings eindeutig auf McLaren, zu beweisen, dass der Umgang mit den Fahrern richtig war.
Jetzt sollten wir einfach das genießen, was wir vor uns haben. Wenn die Formel 1 irgendwann wieder in eine Phase eintritt, die von einem dominanten Fahrer geprägt ist, werden wir uns wünschen, diesen Moment des Dreikampfs im Jahr 2025 richtig ausgekostet zu haben.
Er ist kein Weltmeister, er ist nur ein sehr ungezogener Junge
Stuart Codling
Es ist erfreulich, dass das Finale der Weltmeisterschaft wohl nicht so ablaufen wird wie jene Szene in "Das Leben des Brian" von Monty Python - und ich meine nicht die, in der alle fröhlich beim Kreuzigen singen.
Jetzt, da sowohl Norris als auch Piastri wissen, was passiert, wenn sie die "Papaya-Regeln" dehnen, liegt es an ihnen, sich vernünftig zu verhalten. Den Reset jetzt vorzunehmen - die "Konsequenzen" gegen Norris sollten ursprünglich länger als ein Rennen gelten - ist eine angemessene Korrektur nach dem Chaos in Kurve 1 von Austin.
Einige, darunter auch McLarens PR-Abteilung, wollten das Ganze Hülkenberg anlasten. Doch wer die Dynamik des Motorsports versteht, weiß, dass Piastris Kart-ähnliches Cutback-Manöver vielleicht auf anderen Strecken funktioniert hätte (und sogar in Austin, wenn es nicht in Runde 1 gewesen wäre), aber in dieser Situation unweigerlich zu einer Kollision führen musste.
Wenn man die Schuldverteilung prozentual ausdrücken wollte, läge Piastris Anteil wohl höher als der von Hülkenberg, Alonso oder Norris. Auch wenn man Norris gern als unschuldiges Opfer darstellen möchte, er befand sich nur deshalb dort, weil er einen schlechten Start ausgleichen wollte.
Die Wahrheit ist: Rennfahrer verhalten sich wie Kinder. Gibt man ihnen Regeln, werden sie instinktiv testen, wie weit sie gehen können - nicht unbedingt, um die Regeln zu brechen, sondern um zu prüfen, wie ernst die "Erwachsenen" es mit der Durchsetzung meinen.
McLarens Teamführung hat gezeigt, dass sie bereit ist, notfalls auch durchzugreifen. Wenn das noch einmal nötig wird, liegt die Verantwortung allein bei den Fahrern.
McLaren sollte aufhören, in den Fahrer-Kampf einzugreifen
Oleg Karpow
Zu kompliziert, unnötig und, ehrlich gesagt, sogar schädlich für die Formel 1. McLarens Chefs behaupten, sie ließen ihre Fahrer frei fahren. Doch wenn jedes Manöver intern Bild für Bild analysiert wird, fällt es schwer, mit klarem Kopf zu kämpfen.
Sowohl Norris als auch Piastri sind mental stark genug, um mit Druck umzugehen. Sonst wären sie nicht in der Position, um den größten Preis im Motorsport zu kämpfen. Aber man muss sich fragen, ob diese ständige Überwachung nicht doch jedes Mal in ihren Köpfen herumgeistert, wenn sie ins Auto steigen.
Was in Monza passierte, war grenzwertig. Was nach Singapur geschah, war kaum nachvollziehbar: Norris wurde gerügt, obwohl er tat, was ein WM-Anwärter tun sollte. Was nach Austin folgte, war entweder lächerlich, oder ein Zeichen, dass endlich Vernunft eingekehrt ist.
Vielleicht hat McLaren auf Piastris Aktion im Sprint einfach nicht mehr reagiert, sondern eingesehen, dass diese Strategie insgesamt unsinnig war. Denn wenn Verstappen mit gezücktem Schwert aufholt, muss man seine Fahrer nicht daran erinnern, nicht zu kollidieren. Ein einziger Ausfall würde dem Niederländer die Tür weit öffnen - und er braucht keine samtbezogene Einladung, um sie zu durchschreiten. Er nutzt jede Schwäche gnadenlos aus.
Vielleicht hat McLaren inzwischen verstanden, dass es schädlicher ist, die eigenen Fahrer zu bremsen, als sie frei fahren zu lassen. Vertrauen schadet keinem Team, auch nicht einem, das um die Weltmeisterschaft kämpft.
Allerdings könnte dies auch nur der nächste Versuch sein, eine "faire" WM-Auseinandersetzung herzustellen - ein Ziel, das ohnehin nie realistisch war und nach Norris' Ausfall in Zandvoort endgültig unerreichbar geworden ist.
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Das muss jetzt aufhören. Auch im Interesse der Fans, die echte Rennfahrer sehen wollen, die um den größten Preis kämpfen dürfen, ohne für jeden kleinen Fehler öffentlich bestraft zu werden.



