McLarens "Papaya-Regeln": Wenn Fairness zum Witz wird
McLaren spricht von "Konsequenzen" für Lando Norris, verrät aber nicht, welche: Warum das Team damit seine eigene Glaubwürdigkeit verspielt
(Motorsport-Total.com) - McLaren ist mit seinen "Papaya-Regeln" und seiner unbedingten Chancengleichheit für Lando Norris und Oscar Piastri immer wieder in die Kritik geraten. Aber mit den nun angekündigten "Konsequenzen" für Norris nach der Berührung von Singapur wird es endgültig absurd.
Denn wie diese "Konsequenzen" konkret aussehen, dazu schweigt man sich beharrlich aus. Alle Beteiligten machen nur vage Andeutungen - sagen viel, ohne wirklich etwas zu sagen.
Man hat fast den Eindruck: Die Körpersprache von Norris sagt mehr aus über die Situation als alle Worte, die McLaren als Team dazu verloren hat.
Wie man etwas sagt, ohne etwas zu sagen
Norris wirkte am Donnerstag wie ein geprügelter Hund, als er im Formel-1-Fahrerlager vor die Journalisten trat - und davon sprach, wie ihm McLaren die "Verantwortung" für den Zwischenfall in Singapur gegeben habe, und dass die "Konsequenzen" für ihn spürbar seien - jetzt und bis zum Saisonende.
Teamchef Andrea Stella äußerte sich am Freitag ähnlich nichtssagend zum Thema. Man habe den Vorfall gemäß der Papaya-Regeln untersuchen und "Konsequenzen" aussprechen müssen. Wieder blieb offen, was genau hinter den Kulissen passiert ist.
Die Krönung war dann der Auftritt von McLaren-Boss Zak Brown in der FIA-Pressekonferenz in Austin und wie er sagte: "Wir wollen so transparent wie möglich sein. Und indem wir sagen, dass wir etwas tun, sind wir schon sehr transparent." Er wolle aber "nicht ins Detail gehen", was konkret besprochen wurde zwischen McLaren und Norris.
Was soll das Ganze eigentlich?
Warum macht das Team dann überhaupt öffentlich, dass es Singapur intern aufgearbeitet und Norris zur Verantwortung gezogen hat, wenn es das Entscheidende daran verschweigt? Nämlich die Konsequenzen, mit denen Norris jetzt leben muss.
Brown macht ein Staatsgeheimnis daraus, weil man in einem sportlichen Wettbewerb "nicht notwendigerweise allen alles sagen kann", so erklärte er in der Pressekonferenz. Tenor: "Wir machen ja auch unser Set-up nicht öffentlich."
Aber was hat McLaren denn erwartet, als es mit seiner Info über "Konsequenzen" an die Öffentlichkeit ging? Dass damit alles gesagt sein würde? Dass schon niemand auf die Idee kommen würde, nach Details zu fragen? Oder dass gar kein Interesse daran bestünde?
Ein Titelkampf, der so spannend sein könnte!
Mal ehrlich: Die kleinen Rangeleien zwischen den McLaren-Teamkollegen Norris und Piastri sind das einzig wirklich Spannende an diesem WM-Titelkampf, dem McLaren durch seine Papaya-Regeln den Wind aus den Segeln genommen hat, noch ehe überhaupt eine leichte Brise aufgekommen ist.
Und jetzt stellt sich Brown hin und behauptet: Die Papaya-Regeln hätten "eine Eigendynamik entwickelt".
Aber da liegt er falsch: McLaren hat diese "Eigendynamik" selbst heraufbeschworen - indem es immer nur Andeutungen gemacht hat, aber nie Klartext geredet hat. Man flüchtet sich das ganze Jahr schon in schöne Worte, aber nicht in Wahrheiten - und merkt gar nicht, wie weltfremd die eigene Haltung inzwischen geworden ist.
Wenn man im eigenen Fahrwasser gefangen ist
Plakativ formuliert: Brown und Stella wollen uns in ihrem Fairness-Wahn alle für blöd verkaufen - und glauben wohl, das verfängt. Doch sie ruinieren damit nur eine grundsätzlich spannende Saison, in der zwei Teamkollegen um ihren jeweils ersten WM-Titel kämpfen - in dem Wissen, es könnte die einzige WM-Chance ihrer Karriere sein.
Eigentlich ist das eine verdammt coole Story. Der Haken ist nur: Brown und Stella haben mit voller Absicht den Spannungsbogen komplett rausgenommen.
Aber das eigentliche Problem dabei ist: McLaren hat sich mit seinem Inseldenken so tief selbst reingeritten, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Die eigene Haltung jetzt aufzugeben, käme einer moralischen Bankrotterklärung gleich. Stur weiterzumachen und immer neue Floskeln zu dreschen, das ist aus Teamsicht wesentlich einfacher. Das zeigen die jüngsten Aussagen.
Noch Fragen? Ja, mehr als vorher!
Immerhin: Brown ließ sich im Sky-Gespräch - bei der x-ten Gelegenheit für Klartext - doch noch zu der kleinen Präzisierung hinreißen, dass Norris "sportliche" Folgen zu tragen habe, die wahrscheinlich nicht für jedermann sichtbar sein dürften.
Das Rätselraten geht also weiter und neue Spekulationen sind programmiert. Auch dieses Ei hat sich McLaren selbst gelegt.
Denn künftig werden alle genau darauf achten, wie sich die "Konsequenzen" für Norris auf der Strecke bemerkbar machen, und man wird in allem Möglichen die "Retourkutsche" für Singapur wittern - ständige Nachfragen bei Norris, Piastri, Stella und Brown inklusive. All das sind die Folgen der "Häppchen-Wahrheit", die uns 2025 regelmäßig serviert wird.
Damit ist es wie immer, wenn Transparenz nur als Schlagwort verwendet, aber nicht gelebt wird: Zweifel bleiben - und das macht sich nie gut in der Außenwirkung. Im Fall McLaren ist das vor allem eines: absurd.