• 14. April 2025 · 08:39 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Helmut Marko

Bahrain 2025 beweist, wie weit Red Bull vom Glanz einstiger Tage entfernt ist - Endet jetzt die Ära Max Verstappen, und die Ära Helmut Marko gleich mit?

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

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Helmut Marko: Hört er auf, wenn Max Verstappen Red Bull am Jahresende verlassen sollte? Zoom Download

"Findest du nicht, dass der Doktor ziemlich gealtert ist im letzten Jahr?", fragte mich die Stimme am anderen Ende der Leitung. Meine Antwort lautete: "Ehrlich gesagt, nein. Ich finde, dass er vor einem Jahr viel schlechter ausgesehen hat als heute."

Helmut Marko - das ist der Mann, um den es in dem Gespräch ging - gehört zu denen, denen man es ansieht, wenn irgendwas nicht gut läuft. Und als das ganze Formel-1-Programm von Red Bull vor einer Zerreißprobe stand, als die "Horner-Affäre" kurzzeitig drohte, sogar Max Verstappen in die Hände von Toto Wolff zu treiben, bildete ich mir zumindest subjektiv ein, dass Marko das arg zusetzte. Auch optisch.

Der mächtige Berater der Red Bull GmbH für alle Motorsport-Projekte ist inzwischen 81 Jahre alt, und ich bewundere ihn dafür, wie er weit jenseits des gesetzlichen Rentenalters immer noch mit der Energie eines Jungen um die Welt jettet und dabei in einem Milliardenbusiness wie der Formel 1 die Fäden zieht.

Marko genießt in Fuschl, wo Red Bull zu Hause ist, wahrscheinlich so etwas wie "Denkmalschutz". Vettel und Verstappen, die beiden Vierfach-Champions der "Dose", waren letztendlich seine Erfindungen, und Kaliber wie Adrian Newey oder Rob Marshall haben nicht seinetwegen das Weite gesucht, sondern wegen Teamchef Christian Horner, erzählt man sich hinter vorgehaltener Hand.

Markos Red-Bull-Juniorteam hat zwar auch jede Menge junge Rennfahrer verschlissen - diese aber vor allem erstmal hervorgebracht. Von den aktuellen 20 Grand-Prix-Piloten haben sieben eine Red-Bull-Vergangenheit. Es gibt keinen anderen Nachwuchsförderer im internationalen Motorsport, der so eine Bilanz vorweisen kann wie der "Doktor", bei dem man sich die Anführungszeichen eigentlich auch sparen kann, weil er wirklich einer ist: 1967 promovierte er an der Universität in seiner Heimatstadt Graz in Rechtswissenschaften.

2019 und 2022: Verlust wichtiger Weggefährten

Es wäre kein Wunder, sollten ihm die vergangenen Jahre so, wie ich das vermute, zugesetzt haben. Als im Mai 2019 sein Freund Niki Lauda beigesetzt wurde, saß ich zu Hause vor dem Fernseher und verdrückte das eine oder andere Tränchen. Ein Moment hat sich dabei besonders in meine Erinnerung eingebrannt, als nämlich der Leichenwagen mit dem Sarg wegfuhr, die Kamera nochmal zu Marko schwenkte und der sonst so abgebrühte Formel-1-Manager seine Emotionen nicht mehr zurückhalten konnte und hemmungslos weinte.

Gut drei Jahre später verlor er dann mit Dietrich Mateschitz den nächsten Lebensmenschen. Als ich ihm irgendwann später in seinem Büro in Graz die Frage stellte, ob es ihm denn angesichts solcher Verluste nicht langsam langweilig werde im Paddock, weil seine Weggefährten von früher immer weniger werden und nicht mehr viele davon übrig sind, wurde er ziemlich nachdenklich.


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Ich schätze an Marko, dass er einer ist, mit dem man die Dinge ganz straight ansprechen kann, ohne die Notwendigkeit von irgendwelchen abgedroschenen Höflichkeitsfloskeln. Und die Wahrscheinlichkeit, dass man von ihm eine ehrliche Antwort erhält und er sich nicht auf irgendwelche PR-Formeln zurückzieht, ist hoch. Es wäre schön, wenn es in der Formel 1 mehr Menschen von diesem Schlag geben würde.

Sky-Interview: Marko-Antwort sorgt für Aufsehen

Am Sonntagabend nach dem Grand Prix von Bahrain, den Verstappen mit Müh und Not als Sechster beendet hatte, gab es so einen Moment. Und er wurde via Sky live in hunderttausende deutsche Wohnzimmer übertragen.

Reporter Peter Hardenacke stellte ihm die Frage, wie groß die Sorge sei, dass sich Verstappen angesichts der anhaltenden sportlichen Talfahrt von Red Bull Gedanken darüber machen könnte, Red Bull zu verlassen. Marko dachte kurz nach und antwortete so ehrlich und offen, wie man das von ihm nicht anders kennt: "Die ist groß."

Als Marko das Interview verlassen hatte, um mit Christian Horner, Technikchef Pierre Wache und Paul Monaghan ein Krisenmeeting abzuhalten und zu besprechen, wie der Karren wieder aus dem Dreck gezogen werden soll, meinte dann auch noch Ralf Schumacher in Bezug auf die Gerüchte um einen Verstappen-Teamwechsel, dass das mit "ziemlicher Sicherheit" längst beschlossene Sache sei: "Der Fisch ist relativ geputzt."

Eigentlich ist Verstappen bis Ende 2028 an Red Bull Racing gebunden. Dass sein Vertrag Ausstiegsklauseln beinhaltet, ist aber kein Geheimnis. Wie diese genau aussehen, weiß außerhalb des Teams keiner so genau. Aber dem Hörensagen nach denkt das "Team Verstappen" ziemlich konkret drüber nach, sich für 2026 eine neue sportliche Heimat zu suchen.

Hängt alles am Imola-Update?

Es müssen "in naher Zukunft Verbesserungen kommen", weiß Marko. Für Imola ist ein technisches Update geplant. Sollte es zünden, könnte die Erfolgsgeschichte zwischen Verstappen und Red Bull fortgeschrieben werden. Aber wenn nicht, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der viermalige Weltmeister abhauen wird.

Am Sonntagabend ist ein Foto entstanden, das Andrea Stella von McLaren und Toto Wolff von Mercedes nebeneinander zeigt. Beide haben ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Kein Wunder: Stellas Team hatte mit Oscar Piastri gerade den Grand Prix gewonnen, und George Russell hatte für Mercedes Platz 2 erobert. Einer meiner Kollegen kommentierte das Foto spaßeshalber so: "Wenn du die Ausstiegsklauseln in Verstappens Vertrag kennst."

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Andrea Stella und Toto Wolff während der Siegerehrung am Sonntagabend in Bahrain Zoom Download

Es ist nicht nur die sportliche Performance des RB21, die Verstappen in die Arme eines neuen Teamchefs treiben könnte. So genau weiß wahrscheinlich kein Außenstehender, wie weit die Hersteller mit ihren neuen Powerunits für 2026 sind. Aber dass ausgerechnet Red Bull Powertrains Branchenführer sein wird, das glauben im Paddock die Wenigsten. Viele prophezeien dem Projekt einen holprigen Start. Und vielleicht denkt sich auch Verstappen, dass er dann lieber einen Mercedes-Motor im Heck hätte.

Dass Red Bull Powertrains vor einer Monster-Herausforderung steht, ist nicht weiter verwunderlich. Eigentlich hätte die Idee, in Milton Keynes einen Formel-1-Motor zu bauen, gemeinsam mit Porsche umgesetzt werden sollen, mit dem Background eines großen Automobilherstellers. Das hat sich aber zerschlagen. Ein geplatzter Milliardendeal, der übrigens in meinem Buch "Grand Prix Storys - Hinter den Kulissen der Formel 1" fast 70 Seiten einnimmt. (ANZEIGE: Wer das Buch bis Ostersonntag hier online bestellt, bekommt eine handschriftliche Widmung kostenlos obendrauf!)

Denkt Marko insgeheim schon an Rücktritt?

Sollte Verstappen wirklich gehen, würde das für Marko womöglich das Ende seines Lebenswerks in der Formel 1 bedeuten. Erst Ende März habe ich ihn in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de gefragt, ob er auch aufhören würde, sollte Verstappen eines Tages Red Bull verlassen, und seine Antwort lautete: "Das könnte ein guter Grund sein, ja."


Nach Red-Bull-Tausch: H. Marko spricht Klartext!

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Wenn Helmut Marko spricht, wird Klartext geredet! So auch in diesem exklusiven Interview über den brutalen Fahrertausch bei Red Bull Racing. Weitere Formel-1-Videos

Es war das gleiche Interview, in dem Marko auch das große Ziel für 2025 formulierte und andeutete, dass für Red Bull Verstappens fünfter Titel viel wichtiger sei als die Konstrukteurs-WM. Von letzterer zu träumen, erscheint nach vier Grands Prix ohnehin ziemlich kühn, hat McLaren doch mehr als doppelt so viele Punkte auf dem Konto (71:151). Und was die Fahrer-WM betrifft, kann man sich eher nicht drauf verlassen, dass Verstappen die Chance dauerhaft mit Wunderleistungen a la Suzuka am Leben halten wird.

Der "Braindrain", den Red Bull in jüngerer Vergangenheit verkraften musste, ist enorm. Die ersten Anzeichen dafür, dass das nicht spurlos an der Performance vorübergehen würde, gab es schon Mitte 2024. Gerade im Hinblick auf 2026, wenn ein neues Reglement kommt, ist der Verlust von insbesondere Adrian Newey schwerwiegend. Sollte jetzt auch noch Verstappen gehen, droht das, was Ralf Schumacher Red Bull schon vor einem Jahr prognostiziert hat: die Mittelmäßigkeit.

Es gibt sicherlich auch Dinge, an denen sich Marko noch erfreuen könnte. Dass sein Juniorkader mit Isack Hadjar offenbar das nächste große Talent in die Formel 1 gebracht hat etwa. Aber die technische Unterlegenheit des RB21, der vermutlich bestenfalls nur noch das viertbeste Auto im Feld ist, muss ihm zusetzen. Und der Gedanke dran, dass Verstappen gehen könnte, weil sich die Erfolgsära, die in Abu Dhabi 2021 so glorreich und spektakulär begonnen hat, in Luft aufzulösen droht, die bereitet einem wie Marko körperliche Schmerzen. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Ich wollte ihn, bevor er aus der Formel 1 verschwindet, unbedingt fragen, ob er Interesse dran hat, sich mal ein paar Tage mit mir in ein ruhiges Zimmer einzusperren, um seine Memoiren aufzuschreiben und sein Lebenswerk als Red-Bull-Berater für die Ewigkeit festzuhalten. Vielleicht sollte ich lieber nicht zu lang damit warten, ihm diese Frage zu stellen.

Marko hat in seiner langen Karriere nicht alles richtig gemacht. Ich bin sicher, das würde er auch selbst zugeben. Vieles aber schon. Ein fünfter Verstappen-Titel wäre der krönende Schlusspunkt eines einzigartigen Lebens im Zeichen der Formel 1. Ich wünsche ihm wirklich, dass das klappt. Für besonders wahrscheinlich halte ich es aber nicht.

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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