• 06. Juni 2019 · 14:25 Uhr

Kolumne: Schafft den TV-Boxenfunk wieder ab

Heldenhafte Rennfahrer, die zu Jammerlappen degradiert werden: Heiko Stritzke findet, dass Hamiltons Funk-Jammerei gar nicht erst ausgestrahlt werden sollte

(Motorsport-Total.com) - Liebe Freunde des Leitplanken- beziehungsweise Mauerspektakels,

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Lewis Hamilton mittels der Funkeinspieler als ewige Heulsuse darzustellen, wird seiner Leistung nicht gerecht Zoom Download

irgendwie mag man ja vom Großen Preis von Monaco halten, was man will. Langweilige Prozessionen, null Action, am Ende doch wieder ein Mercedes-Sieg auf der einen Seite. Es wäre einfach, auf dieses Rennen einzuhacken, was ja auch oft genug getan wird.

Trotzdem finde ich, dass diese Strecke etwas hat und einfach in den Kalender gehört. Die Onboard-Aufnahmen sind einfach etwas für Genießer, gerade im Qualifying. Diese Fahrzeugbeherrschung im Zentimeterabstand zur Leitplanke, was man sonst selbst auf anderen Stadtkursen heutzutage nicht mehr sieht. Nicht umsonst ist in Fanvideos auf Videoportalen, die die Formel 1 glorifizieren, immer wieder der Circuit de Monaco zu sehen.

Diese Rennfahrer sind Helden. Selbst Paydriver, die in diesem Schlauch aus Leitplanken und Mauern ins Ziel kommen, liefern immer noch eine Leistung ab, die für einen Normalsterblichen außerhalb des Vorstellbaren liegt. Das sind moderne Gladiatoren, wie es ja immer so gern gefordert wird.


Fotos: Grand Prix von Monaco


Und dann wird dieses Bild völlig zerstört. Irgendwann habe ich im Monaco-Rennen den Ton abgedreht, weil ich diese Jammerei am Funk von Lewis Hamilton nicht mehr ertragen konnte. Und hier liegt das Problem: Die Formel 1 zerlegt durch diese Funk-Einspieler ihre eigenen Helden.

Wer würde diesen Film sehen wollen?

Ich kann verstehen, dass es sehr verlockend für Liberty Media sein muss, diese Emotionen im Rennen zu transportieren (wobei der Boxenfunk ja schon vor deren Übernahme eingespielt wurden). Das steht ja bei Liberty im Fokus: Den Menschen in den Vordergrund rücken. Zu zeigen, dass diese Fahrer eben keine Maschinen sind. Aber hiermit tut man den Fahrern und auch dem Motorsport an sich keinen Gefallen.

Wer will bitte einen Helden sehen, der eine irre Leistung abliefert, aber dabei am herumquäken ist, als würde gerade die Welt zusammenbrechen? Da will man moderne Gladiatoren präsentieren und stellt sie dann dermaßen bloß.

Man stelle sich einmal vor, im Kino zu sitzen und den Film "Gladiator" zu sehen. Da kämpft also Russell Crowe heldenhaft gegen andere Gladiatoren. Und nun fängt eben dieser Russell Crowe an, sich fortwährend darüber zu beschweren, dass sein Schwert nicht mehr scharf sei oder seine Rüstung einen Riss habe. Wer will so einen Film sehen?

Ein weiteres Beispiel gefällig? Der superstarke Zweikampf zwischen Sebastian Vettel und Fernando Alonso 2014 in Silverstone. Auch das war ein Augenschmaus, bis diese elenden Funk-Jammereien wegen Track Limits eingesetzt haben.

Versetzen wir uns wieder in den Hollywood-Gladiator: Es würde bei mir eine kognitive Dissonanz auslösen. Der Gladiator bekämpft gerade heldenhaft einen wildgewordenen Löwen, sich dabei aber fortwährend beim Imperator beschwert, dass dieser Löwe den vorgesehenen Kampfbereich immer wieder verlässt.

Ein bisschen Schein muss man wahren

Es ist nicht so, dass das neu wäre. Zu Zeiten von Senna, Prost und Schumacher waren nicht weniger Emotionen im Spiel als bei Hamilton oder Vettel heute. Die Realität ist nun mal kein Hollywood-Film. Auch die Formel-1-Fahrer sind nur Menschen und Menschen sind keine Superhelden wie im Kino.

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Wenn schon Funkeinspielungen, dann wenigstens ordentlich filtern Zoom Download

Aber es blieb damals eine Sache zwischen Fahrer und Team. Die Öffentlichkeit sah nur die grandiose Fahrt von außen. Den Menschen, der seine Höllenmaschine unter Kontrolle hat. Ein ganzer Mann eben.

Der Versuch, dem Zuschauer immer mehr Transparenz zu bieten, ist lobenswert. Der Weg ist auch nicht grundsätzlich falsch. Doch es muss Grenzen geben. Und eine solche ist erreicht, wenn man sich und seinen Helden Schaden zufügt.

Daher, selbst wenn es für uns Journalisten weniger Futter für gute Storys geben mag: Schafft um Gottes Willen den Boxenfunk im TV wieder ab! Zumindest solche schädlichen Messages. Manchmal wäre es besser, ein bisschen zu filtern.

Transparenz ist eine gute Sache. Aber einen gewissen Schein muss man doch wahren. Niemandem helfen diese Jammer-Tiraden: Weder den Fans, noch dem Fahrer in der öffentlichen Wahrnehmung, noch der Formel 1 selbst. Also bitte, weg damit.

Euer Heiko Stritzke

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