• 14. Juli 2021 · 07:20 Uhr

Helmut Marko im Interview: "Wollen keine langweiligen Hinterherfahrer"

Red Bulls Lage der Nation: Wie gut Verstappen im Vergleich zu Hamilton ist, wie die Zukunft von Gasly aussieht und warum 2022 keineswegs abgeschrieben wird

(Motorsport-Total.com) - Zum ersten Mal seit 2013 hat Red Bull wieder fünf Formel-1-Rennen hintereinander gewonnen. Max Verstappen führt in der Fahrer-WM 32 Punkte vor Lewis Hamilton. Ohne Reifenschaden in Baku könnten es sogar schon 43 Punkte Vorsprung sein. Kein Wunder, dass wir Helmut Marko nach dem Sieg bei den beiden Heimrennen in Österreich in bester Laune zum Interview antreffen.

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Für Helmut Marko und Red Bull verläuft die Formel-1-WM 2021 bisher nach Wunsch Zoom Download

Normalerweise haben die Interviews mit dem Red-Bull-Motorsportkonsulenten immer in seinem Büro in Graz stattgefunden. Seit der Coronapandemie ist das anders. Aus der Not wurde eine Tugend gemacht, und so zeichnen wir jetzt in der Regel Videokonferenzen auf, die unsere User dann auf dem schnell wachsenden YouTube-Kanal von Formel1.de (Jetzt abonnieren und kein neues Video mehr verpassen!) sehen können. Ganz ungeschminkt.

So war das auch am vergangenen Freitag geplant, als wir zum Interview verabredet waren. Doch diesmal machte uns die Technik einen Strich durch die Rechnung, und so griffen wir, ganz altmodisch, mit Knopf im Ohr (für die Aufnahme) zum Telefonhörer.

Das ist insofern eine erfrischende Art und Weise, Interviews zu führen, weil man zunächst einmal ganz offen miteinander sprechen kann. Und wenn's denn mal thematisch zu heikel wird, besteht immer noch die Möglichkeit, sich darauf zu einigen, bestimmte Passagen zu streichen, weil diese nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. "Off record" nennt man das im Fachjargon.

Doch Marko, 78, ist einer von der alten Schule. Manchmal wünscht er sich eine Autorisierung seiner Interviews, in den seltensten Fällen besteht er aber drauf. Und wenn er autorisiert (wie in diesem Fall), dann streicht er nur ganz selten Passagen raus, die er eigentlich genau so gesagt hat. Erfrischend anders, als das von vielen anderen Teamchefs gehandhabt wird ...

Die Ausgangslage: So begann es in der Saison 2020

Frage: "Herr Marko, mit Ausnahme des Reifenschadens in Baku war Max Verstappen bisher in allen Rennen entweder Erster oder Zweiter. Liegt das nur am besseren Auto oder hat er als Fahrer seit 2020 nochmal einen Sprung gemacht?"
Helmut Marko: "Es ist wahrscheinlich beides. Wir haben 2020 in Österreich von der Chassisseite sehr schwach begonnen und konnten erst gegen Jahresende unser Auto so hintrimmen, dass es ein Siegfahrzeug wurde. Auf der anderen Seite waren wir und auch Honda überrascht von dem Fortschritt, der auf der Motorenseite passiert ist."

"Das war darauf zurückzuführen, dass Mercedes natürlich alles unternommen hat, um mit dem Wundermotor von Ferrari gleichzuziehen. Jetzt kommt dazu, dass Max auf Motor- als auch Chassisseite absolut wettbewerbsfähig ist. Gleichzeitig hat das bei ihm eine neue Form von Gelassenheit und Souveränität bewirkt, die ihn eben diese Siege in dieser Leichtigkeit, wie es zumindest nach außen scheint, erringen lässt."

Das Entwicklungsrennen: So lange gibt's noch Updates

Frage: "Christian Horner hat angekündigt, dass Red Bull dieses Jahr in der Entwicklung nicht lockerlassen wird, notfalls bis Abu Dhabi nicht. Sind sie nicht besorgt, dass der Titel 2021 auf Kosten der Jahre 2022 und danach gehen könnte?"
Marko: "Diese 'Sorgen' wurden von Toto Wolff geschürt, der uns gleich einen Rückstand von zwei Sekunden andichtet. Wir haben ein Programm, das bis zur Sommerpause steht."

"Wir bringen Updates, und diese Updates, die auch nach der Sommerpause vielleicht noch kommen, die sind ja schon auf dem Weg. Dafür brauchen wir keinen Windkanal mehr, sondern da geht's nur noch um Feintuning und Produktionsarbeit, um diese Teile ans Auto zu bringen. Das reduziert in keiner Weise die Arbeit am 2022er-Auto. Wir sind nach wie vor sicher, dass unsere jetzige Performance nicht zu Lasten des 2022er-Autos geht."


Frage: "Umgekehrt gefragt: Glauben Sie, dass Mercedes auf den WM-Titel 2021 vielleicht ein bisschen weniger Wert legt als Red Bull?"
Marko: "Bewusst nicht, glaube ich. Aber natürlich: Wenn man siebenmal hintereinander die Weltmeisterschaft gewonnen hat, ist man etwas relaxter als wir, die wir dem Titel hinterherlaufen, seit diese Hybridära begonnen hat."


Ist das der wahre Grund für Red Bulls Renaissance?

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Marc Surer erklärt, warum Red Bull in Österreich so überlegen war und warum Silverstone ein Schlüsselrennen für die WM werden könnte. Weitere Formel-1-Videos

Frage: "Mercedes hat für Silverstone ein letztes Update angekündigt. Was wird das letzte Teil sein, das wann an den RB16B geschraubt wird, wenn Sie bei Ihrem aktuellen Fahrplan bleiben?"
Marko: "Wir haben unseren genauen Fahrplan. Nur: Silverstone ist speziell. Normalerweise hast du drei Trainingssitzungen, um das Auto optimal für Qualifying und Rennen abzustimmen. In Silverstone haben wir ein einziges Training, dann geht's gleich ins Qualifying."

"Sprich: Ab dem Zeitpunkt gelten Parc-ferme-Bestimmungen. Das heißt, in dieser einen Stunde muss das Set-up passen, sonst ist womöglich das ganze Wochenende dahin. Darum werden wir in Silverstone nichts Gravierendes am Auto ändern, sondern bemüht sein, das, was wir haben, optimal abzustimmen."


Frage: "Sie sind meiner Frage elegant ausgewichen. Die war: Wann planen Sie das letzte Update?"
Marko: "Da will ich mich nicht so genau festlegen. Erstens müssen die Updates funktionieren. Verstappen ist im ersten Rennen auf dem Red-Bull-Ring, beim Steiermark-Grand-Prix, noch nicht den neuen Frontflügel gefahren. Den hat er erst im zweiten eingesetzt, zusammen mit dem Unterboden."

"Nur zu Ihrer Information: Dieser Flügel wurde von der FIA nach den bestehenden Flexibilitätsbestimmungen abgenommen. Also: Im Laufe der Entwicklung wird sich herausstellen, wie es mit den Updates weitergeht. Aber das kann, wie Christian Horner gesagt hat, teilweise bis zum letzten Rennen gehen."

Das Schlüsselrennen: Wie wichtig ist Silverstone?

Frage: "Silverstone war in den vergangenen Jahren eine Mercedes-Strecke. Ist es in dieser vorentscheidenden Phase der WM ein Schlüsselrennen? Im Sinne von: Wenn Sie dort auch mindestens auf Augenhöhe mit Mercedes sind, können Sie dann entspannter schlafen als davor?"
Marko: "Wenn Silverstone ein normales Rennen wäre, dann ja. Aber weil dieser Sprintevent erstmals zum Tragen kommt und nur eine Stunde Training zur Verfügung steht, würde ich das jetzt nicht als normales Silverstone-Rennen bezeichnen."

"Eine Stunde Training, englisches Wetter: Wenn's da regnet, kann so viel passieren, dass das nicht die Aussagekraft hat, die Silverstone normalerweise hätte. Aber wir haben keine Angst vor Silverstone. Wir waren mit unserem Auto auf allen Kursen wettbewerbsfähig. Wir haben zwar nicht immer gewonnen, aber wir waren überall wettbewerbsfähig."

"Die Überlegenheit, die uns Österreich gebracht hat, basiert auf mehreren Faktoren. Das ist uns bewusst. Einer ist das Streckenlayout, die Höhenlage. Und dass sich Max vor den zehntausenden niederländischen Fans einfach wohlgefühlt hat und zu Höchstleistung aufgelaufen ist."

Die "Flexiwings": Was ist mit dem Mercedes-Frontflügel?

Frage: "Sie haben vorhin schon mal den Mercedes-Frontflügel erwähnt, der beim Thema 'Flexiwings' genau wie Ihr Heckflügel in den Fokus geraten ist. Was ist da aktueller Stand?"
Marko: "Wir haben unsere Bedenken und die Videoclips, die eindeutig zeigen, wie sich dieser Flügel massiv nach unten verbiegt, an die FIA weitergeleitet."

"Das liegt in den Händen der FIA, und wir mischen uns da nicht ein, um irgendwelchen Druck auszuüben. Wir sagen nicht, dass wir zum Internationalen Berufungsgericht gehen. Sondern wir hoffen, dass das entsprechend Beachtung findet."

Frage: "Was wenn nicht?"
Marko: "Wenn nicht, dann wären wir erstaunt, würden das aber auch zur Kenntnis nehmen."

Die Psychospielchen: Giftpfeile gegen Red Bull

Frage: "Diese ganzen technischen Richtlinien, Heckflügel, Boxenstopps, die haben ganz klar Red Bull im Visier. Dann gibt's Lewis Hamilton, der sich immer wieder öffentlich wundert, woher Honda die Leistung hat, womit er natürlich meint, dass möglicherweise auf illegale Weise nicht nur an der Zuverlässigkeit, sondern auch an der Performance gearbeitet wird. Nehmen Sie das alles noch sportlich oder kommt da langsam auch Groll dazu?"
Marko: "Es ist die Vielzahl der Sachen, die gegen uns aufgerollt werden, die schon ein bisschen verwundert. Aber langsam schießt das zurück. Und auch von den Medien wird es so wahrgenommen, wie wir das sehen, nämlich dass man sich auf diese Weise selbst in die Rolle des unsportlichen Verlierers begibt."


Frage: "Bei der Boxenstopp-Direktive gibt es Stimmen, die sagen, was Red Bull da macht, kann nicht legal sein. Können Sie mir das erklären?"
Marko: "Das kann unser Teammanager Jonathan Wheatley viel besser als ich. Aber ich glaube, in dieser Angelegenheit ist noch nicht aller Tage Abend. Denn diese zwei Zehntel Verzögerung, die jetzt kommen sollen, sind in der Praxis nicht kontrollierbar. Was ist, wenn es bei einem nur 1,8 Zehntel waren, was passiert dann? Das ist leider nicht durchgedacht."

"Ich finde die ganze Angelegenheit unglücklich, denn schnelle Boxenstopps sind ein Teil der Show. Ich glaube, es gibt viele Zuschauer, die warten, bis die Einblendung kommt, wie lange der Boxenstopp gedauert hat. Das ist Teil des Rennens, und es kann auch rennentscheidend sein."

"Warum wir so gut sind, ist ganz klar: Weil wir auf der Motorenseite sieben Jahre lang mit stumpfen Waffen gekämpft haben, haben wir überall massiv gearbeitet, wo es einen Vorteil geben konnte. Das Produkt sind diese Boxenstopps rund um die zwei Sekunden."


Frage: "Und da wird von Red-Bull-Seite definitiv nichts Illegales gemacht?"
Marko: "Nein. Das Sicherheitsargument, das da aufgeführt wird, ist meiner Meinung nach auch aus der Luft gegriffen. Wenn ein Rad nicht richtig angezogen ist, dann bist du aus dem Rennen. Dann fährst du nämlich los und musst stehenbleiben. Das ist die größte aller Strafen."

Die Trennung: Bleibt Honda als Marke auch 2022 präsent?

Frage: "Wie involviert wird Honda 2022 noch sein?"
Marko: "Wir sind gerade in der Endphase, das Vertragswerk zu formulieren. Honda wird 2022 noch die Motoren bauen. Allerdings nicht auf der gleichen finanziellen Basis, wie das bisher der Fall war."


Frage: "Das heißt, Sie werden für diese Leistung etwas zahlen?"
Marko: "Ich möchte nicht ins Detail gehen."

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Honda könnte zumindest mit Branding auch 2022 auf dem AlphaTauri zu sehen sein Zoom Download

Frage: "Ist es denkbar, dass zumindest auf dem AlphaTauri weiterhin Honda-Branding zu sehen sein wird, auch wegen Yuki Tsunoda?"
Marko: "Das ist ein Thema, das noch nicht im Detail abgeklärt ist. Klar ist: Für Honda gibt es kein Zurück von der Entscheidung, aus der Formel 1 auszusteigen."


Frage: "Haben Sie das Gefühl, dass Honda in Anbetracht der aktuellen Erfolge eigentlich gern weitermachen würde?"
Marko: "Das ist eine endgültige Entscheidung."


Frage: "Hat Honda Ihrer Meinung nach den besten Motor in der Formel 1?"
Marko: "Das glaube ich nicht. Wir sind in vielen Bereichen gleichauf mit Mercedes. Man muss ja unterscheiden: Was ist Verbrenner, was ist Elektromotor? Wir haben immer noch das Gefühl, dass Mercedes in der Rekuperation besser ist. Aber das ist nur noch marginal."

Der Herstellergipfel: So sieht Red Bull die Motorenzukunft

Frage: "Am zweiten Spielberg-Samstag hat der große Motorengipfel der Hersteller-CEOs stattgefunden. Für Red Bull war Dietrich Mateschitz dabei, richtig?"
Marko: "Nein. Das waren Christian Horner und ich."


Frage: "Was können Sie über den Gipfel und seinen Inhalt verraten?"
Marko: "Man hat den Zeitdruck erkannt. Es soll noch im Juli eine Kostenfeststellung passieren. Da wird verglichen: Ist ein abgerüsteter V6 mittelfristig teurer als ein neues Triebwerk? Oder ist das Abrüsten finanziell die bessere Möglichkeit?"

"Wenn das feststeht, wird entschieden, in welche Richtung man geht. Das heißt natürlich, dass wahrscheinlich 2025 nicht mehr zu halten ist, sondern es eher auf 2026 hinausläuft."


Frage: "Das hat Toto Wolff ja schon angedeutet. Dass man vielleicht die Einführung des synthetischen Treibstoffs vorzieht, dafür aber den komplett neuen Motor um ein Jahr verschiebt."
Marko: "Die Anhebung von fünf auf zehn Prozent Bioethanol hat bereits zig Millionen Dollar gekostet. Wenn, dann muss man diese 100 Prozent synthetisches Benzin gleichzeitig mit dem neuen Motor machen. Die Verfügbarkeit der E-Fuels zu einem vernünftigen Preis muss ebenfalls gegeben sein. Das ist in dem Ausmaß jetzt noch nicht gegeben."


Frage: "Es herrscht großes Interesse um die Teilnahme von Volkswagen an dem Gipfel. Haben Sie das Gefühl, dass ein Volkswagen-Einstieg wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher geworden ist?"
Marko: "Die Verantwortlichen haben erklärt, was sie wollen. Sie sind natürlich für ein völlig neues Triebwerk, damit sie unter Chancengleichheit antreten können. Denn mit dem bestehenden Sechszylinder hat Mercedes den größten Vorteil, weil das das erfolgreichste aller Triebwerke ist."


Frage: "Da sind Sie wahrscheinlich ausnahmsweise auf Mercedes-Seite. Ein komplett neues Motorenformat wäre für Red Bull, wenn man es selbst entwickeln und produzieren muss, wahrscheinlich auch kontraproduktiv, richtig?"
Marko: "Unsere Kostenkalkulation spricht eher für einen neuen Motor. In Silverstone finden die nächsten Meetings statt. Das Abrüsten ist nicht ohne. Und vor allem die Einführung von E-Fuels bedarf so vieler Änderungen."

"Wir haben einen acht Jahre alten Motor in der Formel 1. Ich bin mir nicht sicher, ob nur Elektro die Zukunft ist. Viele sind der Ansicht, dass Hybrid für leistungsstärkere Autos die bessere Lösung ist. Wasserstoff schwebt auch im Raum. Da ist so viel möglich, dass man nicht sagen kann, man kann einen Motor für die nächsten zehn, 15 Jahre festlegen."

"Aber ein ganz wichtiger Punkt sind sicher die Kosten. Die Idee ist, dass ein Triebwerk maximal eine Million Dollar kosten soll. Und die Gesamtkosten sollten unter 100 Millionen liegen. Von den aktuellen Herstellern kommt keiner auch nur annähernd an diese Summe. Das kann man nur mit Standardteilen erreichen und indem man Prüfstandszeiten limitiert. Aber ist das dann aufwändiger als gleich einen neuen Motor zu machen?"

"Auf VW-Seite, glaube ich, wird ein Vierzylinder favorisiert."


Frage: "Sollte Volkswagen wirklich kommen, brauchen sie vermutlich einen Partner. Haben Sie sich Audi-CEO Markus Duesmann nach dem Meeting gleich geschnappt, um mit ihm darüber zu sprechen? Wie ist da der aktuelle Stand?"
Marko: "Wie eh und je. Es gibt keinerlei Vereinbarungen oder offizielle Gespräche."

Der Shootingstar: Tsunoda ist "kein typischer Japaner"

Frage: "Yuki Tsunoda lebt seit ein paar Wochen bei Franz Tost in Faenza. Offenbar gibt es Bedarf, ihn zu erziehen. War es im Nachhinein betrachtet ein Fehler, ihn vor und nach dem ersten Rennen so zu loben?"
Marko: "Tsunoda ist kein typischer Japaner. Der typische Japaner - wir haben in der Formel 3 mit Ayumu Iwasa einen - ist höflich, diszipliniert und würde nie solche Aussagen machen wie Tsunoda."

"Tsunoda ist aber auf der anderen Seite so etwas Erfrischendes, dass wir schauen müssen, seinen unbestrittenen Speed und sein Auftreten, das großteils auf positive Resonanz stößt, zu erhalten, ihm aber gleichzeitig mehr Disziplin in der Arbeitsweise und in der körperlichen Ertüchtigung anzutrainieren. Das war in England nicht der Fall."


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"Dass wir ihn hochgejubelt haben ... Wir haben einfach seine Leistung, die in Bahrain sensationell war, festgestellt. Dann kamen so dumme Crashes wie im ersten Qualifying in Imola, gleich in der ersten Runde. Wenn du ein Auto hast, das für Q3 taugt, dann das Auto rauszuknallen, das ist ärgerlich."

"Wir müssen ihn in die Spur bringen, ohne dass wir ihm seine Aggressivität und seine Unbeschwertheit nehmen. Denn es ist unglaublich, wie gut er zum Beispiel in schnellen Kurven fährt. Oder nehmen wir Österreich. Da war er im Qualifying nur ein Zehntel hinter Gasly."


Frage: "Ist er in schnellen Kurven auf Niveau von Pierre Gasly? Oder sogar teilweise schneller?"
Marko: "Zumindest auf Niveau von Gasly."


Frage: "Sie hatten vor vielen Jahren eine ähnliche Situation mit Juan Pablo Montoya, den Sie in Graz persönlich unter Ihre Fittiche genommen haben. Kann man das vergleichen?"
Marko: "Nein. Irgendwo sind sie ähnlich, das ist richtig. Aber trotzdem: Der eine ist Südamerikaner, der andere ist Japaner. Aber beide sind sehr eigenwillige Charaktere."

"Ich erinnere mich an ein Qualifying, da war Montoya eineinhalb Sekunden schneller als alle anderen. Dann hat er das Auto rausgeworfen. Und im Rennen wieder! Wenn ich mich recht erinnere, haben wir an der Box sogar die Aufhängung repariert, und er ist trotzdem noch in die Punkte gefahren."


Frage: "Wie schwierig ist es für einen wie Yuki Tsunoda, aus Japan wegzugehen, keinen Kontakt zur Familie zu haben, sich mit der Sprache schwerzutun? Ist das auch ein Faktor bei ihm?"
Marko: "Das ist sicher ein Faktor. Die Kultur ist in Japan ganz anders. Da haben wir einen Vorteil, denn Franz Tost war selbst viele Jahre in Japan. Er kennt diese Kultur und weiß, worauf es ankommt."

"Aber letztendlich ist es bei Tsunoda eine Sache der Disziplin. Er wurde einfach zu übermütig. Mit einem Europäer oder mit einem Südamerikaner ist die Herangehensweise anders als bei einem Japaner."

"Generell ist die Tendenz dessen, was jetzt mit ihm passiert, in Ordnung. Dass er immer wieder Strafen kriegt, gut, da sind wir beim Thema Strafen. Das wird meines Erachtens äußerst überzogen gehandhabt. Aber das ist ein Lernprozess, und wir bei Red Bull und AlphaTauri sind hundertprozentig davon überzeugt, dass er ein zukünftiger Siegfahrer ist."


Frage: "Sie hatten in Baku beim Abendessen ein Personalgespräch mit ihm. Tsunoda meinte nachher, dass Sie natürlich nicht mit allem zufrieden waren. Es gibt diese Legendenbildung um Sie, dass die Fahrer vor Ihnen zittern, wenn Sie zu einem Gespräch mit Ihnen müssen. Wie läuft so ein Gespräch denn ab? Was wird da besprochen?"
Marko: "Da werden einfach die Fakten besprochen. Dass man ein Auto rausknallt in der ersten Runde in Q1, das locker ins Q3 gekommen wäre. Man gewinnt ein Qualifying nicht in Q1. Und auch ein Rennen muss man sich einteilen - wobei er im Reifenmanagement jetzt schon sehr gut ist. Dass da alle zittern, ist ein Blödsinn. Es werden einfach Fakten klar besprochen."

Foto zur News: Helmut Marko im Interview: "Wollen keine langweiligen Hinterherfahrer"

Helmut Marko ist ein Fan von Yuki Tsunoda, fordert aber mehr Disziplin ein Zoom Download

Frage: "Sitzt er Ihnen dann gegenüber und Sie spüren seinen Respekt? Oder ist er in dem Gespräch dann genauso frech, wie wir ihn vom Boxenfunk kennen?"
Marko: "Es ist Teil unseres Ausbildungssystems, dass wir die individuelle Persönlichkeit fördern. Wir machen keine Kameratrainings, laden keine Journalisten zum Interviewtraining ein. All diese Sachen, die Leute abschleifen und gleichschalten, die wollen wir nicht. Wir wollen diese individuellen Charaktere. Aber dazu gehört auch, dass man ihnen sagt, wenn sie einen Blödsinn machen."


Frage: "Glauben Sie, dass AlphaTauri mit zwei Fahrern vom Schlage eines Pierre Gasly auf dem Level mit McLaren und Ferrari kämpfen könnte?"
Marko: "Ja, das wäre möglich. Die eine Seite ist, dass Tsunoda nicht regelmäßig in die Punkte fährt, was Gasly schon tut. Die andere ist, dass AlphaTauri zwei, drei Rennen dabei hatte, in denen sie das Potenzial des Autos nicht abrufen konnten. Aber generell: Ja, das ist das Ziel. Und das ist auch der Grund, warum wir an Gasly als Teamleader von AlphaTauri festhalten."

Die Fahrer: Wer 2022 in den Red-Bull-Cockpits sitzen könnte

Frage: "Gasly hat Vertrag bis Ende 2022, richtig?"
Marko: "Nein. Er hat noch zwei Jahre Vertrag. Bis Ende 2023."


Frage: "Gasly selbst sagt: 'Das ist gerade der beste Pierre, den es je gegeben hat. Auf meiner Seite ist der Wille da.' Er meint damit eine Rückkehr zu Red Bull. Ist das eine Möglichkeit? Oder halten Sie es mehr mit Nico Rosberg, der sagt, dass niemand Red Bull die Sicherheit geben kann, dass Gasly neben Max Verstappen wieder in genau die gleiche Situation schlittern würde wie 2019?"
Marko: "Fangen wir an mit dem Zitat von Gasly. Ich gebe ihm vollkommen recht. Das ist der beste Gasly, den wir bis dato gesehen haben."

"Derzeit stellt sich diese Frage nicht. Aber natürlich ist die Gefahr gegeben, wenn du neben Verstappen fährst. Man sieht ja, wie schwer sich Perez im Qualifying tut. Aber Gasly hat sich geändert. Ich hatte kürzlich in Graz ein langes Gespräch mit ihm. Er würde nicht mehr so reagieren oder so auftreten, wie er es damals bei Red Bull Racing getan hat."


Frage: "Gibt es irgendein Szenario, in dem Sergio Perez nächstes Jahr nicht mehr für Sie fährt?"
Marko: "Man muss schauen. Wir treffen unsere Fahrerentscheidungen in der Sommerpause, würde ich sagen."


Frage: "Spielt Alexander Albon dabei irgendeine Rolle?"
Marko: "Albon ist super am Simulator. Er macht auch sonst, insgesamt, einen sehr guten Job. Er hat kürzlich für Pirelli getestet. Wir versuchen, ihn in der Familie zu halten. Aber wenn er wo einen Rennsitz ergattert, dann werden wir ihm nicht im Weg stehen."


Frage: "Den werden Sie in absehbarer Zukunft nicht haben."
Marko: "Ich sage ja: Momentan sehen wir für ihn kaum eine Möglichkeit. Aber wir haben Corona. Wenn du positiv bist, bist du sofort in Quarantäne. Wenn das einem Fahrer passiert, fällst du bei einem Tripleheader schnell mal für drei Rennen aus. Die Funktion als Reservefahrer hat mehr Berechtigung denn je."


Frage: "Und in der Rolle ist er einer der Besten, den Sie je hatten ..."
Marko: "Ja."


Frage: "Sergio Perez hat kürzlich gelobt, wie offen Alexander Albon mit ihm ist. Letztendlich sind die beiden ja auch irgendwie Konkurrenten."
Marko: "Er macht das ganz hervorragend. Wir haben ihm die Möglichkeit gegeben, in der DTM Rennen zu fahren. Da hatte er am ersten Rennwochenende Bremsprobleme. Aber bei den Tests war er schneller als Liam Lawson. Das haben wir bewusst gemacht. Als entschieden war, dass dieses DTM-Projekt gemacht wird, haben wir gesagt: 'Okay. Aber nur mit unseren Junioren.'"


Frage: "Alle reden immer von der Formel 1. Dabei ist auch ein DTM-Cockpit für Profirennfahrer eine attraktive Sache, wo man auf hohem Niveau Rennen fahren und Geld verdienen kann."
Marko: "Wenn die Journalisten immer anführen, wie viele Leute wir aus unserem Kader entlassen haben, dann halte ich dagegen: 90 Prozent von denen sind heute in Serien unterwegs, wo sie ein Mannigfaches von dem verdienen, was sie in einem zivilen Beruf verdienen könnten. Und sie üben immer noch Motorsport aus, was ihre Leidenschaft und Liebe ist."

"Generell garantiert ihnen unsere Ausbildung auf zehn Jahre oder mehr ein weitaus höheres Einkommen, als sie es jemals mit ihren Fähigkeiten im normalen Leben erzielen könnten. Klar schauen wir, wie das in Zukunft weitergehen kann, mit einer finanziellen Absicherung. Und die fliegen ja nicht immer gleich komplett aus der Familie. Viele haben zum Beispiel noch Deals für ihren Helm."

Die Nummer 2: Perez "nahezu auf Verstappen-Niveau"

Frage: "Kommen wir zu Sergio Perez. Unser Experte Marc Surer sagt, dass Perez auch nicht so viel besser ist als Alexander Albon, wenn wir mal Abu Dhabi 2020 als Maßstab nehmen."
Marko: "Der Unterschied ist: Perez hat mehr Konstanz. Wenn er seine Qualifyings hinkriegt, wie als Zweiter in Imola oder als Dritter am Red-Bull-Ring, dann sind das Ergebnisse, die hatte Albon nicht. Und im Rennen ist er nahezu auf Verstappen-Niveau, wenn er freie Fahrt hat."


Frage: "Ungewöhnlich dafür, dass er sich in Spielberg 2 mit den Situationen mit Lando Norris und Charles Leclerc das Rennen ein bisschen ruiniert hat. Wie bewerten Sie das?"
Marko: "Kurve 4 ist berühmt. Dort hat, glaube ich, Hamilton die Karriere von Albon zerstört. Wenn ihn Hamilton dort 2020 nicht rausgeschickt hätte, hätte Albon das Rennen gewonnen. Dann hätte vielleicht alles ganz anders ausgeschaut, weil sich die Psyche und das Selbstvertrauen dann natürlich ganz anders entwickeln."

"Ich finde, es ist richtig, wenn man anders nicht vorbeikommt, dass man es halt außen versucht. Dass Norris ihn da rausgedrängt hat, liegt auch in der Natur der Sache. Und dadurch, dass Norris eine Strafe gekriegt hat, musste Perez auch eine kriegen."

"Aber generell finde ich das falsch. Die müssen Rennen fahren und dabei dem Gegner Platz lassen. Das war ein Fehler von Norris. Der hat ja gesehen, dass Perez außen vorbei ist, und hätte ihm Platz lassen müssen. Ist danebengegangen. Aber wenn er's nicht versucht, dann haben wir irgendeinen langweiligen Hinterherfahrer. Das wollen wir ja auch nicht."

Frage: "Also kein Vorwurf in Richtung Sergio Perez?"
Marko: "Nein. Er musste es versuchen. Norris hätte ihm Platz lassen müssen. Aber genauso, wie viel zu viele technische Direktiven kommen, sollte man mit den Strafen auch zurückhaltender sein."

Die Zukunft: Interesse an George Russell?

Frage: "Themenwechsel. Angenommen, Toto Wolff bietet George Russell für 2022 nicht das Mercedes-Cockpit an, dann wäre der junge Russell wahrscheinlich sehr empfänglich für ein Angebot, bei Red Bull ein Siegerauto zu fahren und dazu ein bisschen Geld zu verdienen. Denkbar?"
Marko: "Russell ist mit den Leistungen, die er bei Williams jetzt zeigt, sicher eine Überlegung wert. Nur: Das ist sowas von utopisch, denn wenn Mercedes den gehen lassen würde, das wäre ein derartiger Fauxpas, dass ich mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen kann."


Frage: "Sie gehen also davon aus, dass er 2022 im Mercedes sitzen wird?"
Marko: "Ja."


Frage: "Aber wenn nicht? Würden Sie ihm ein Angebot machen?"
Marko: "Wenn ich richtig informiert bin, dann ist das nicht relevant."


Frage: "George Russell wäre nach Max Verstappen das zweite Talent, das Red Bull Mercedes wegschnappen könnte. Die Verstappens haben damals ja auch mit Mercedes gesprochen. Warum haben sie sich eigentlich für Red Bull entschieden?"
Marko: "Weil wir Max gleich einen Formel-1-Sitz angeboten haben. Mercedes wollte ihn in die Formel 2 stecken. Und ich finde, dass die Verstappen-Familie auch viel besser zu Red Bull passt als zu Mercedes."

Der Blick nach vorne: Nächstes Heimrennen in Silverstone

Frage: "Wir kommen langsam zum Ende. Wie blicken Sie jetzt voraus auf das Mercedes-Heimrennen, das natürlich auch ein Red-Bull-Heimrennen ist, in Silverstone?"
Marko: "Silverstone hat mehr symbolische und psychologische Bedeutung, und das mehr für Mercedes. Ich fürchte, die WM-Entscheidung wird sich bis zu den letzten Rennen hinziehen. Mercedes ist einfach ein starkes Team. Hamilton ist genau wie Max ein Ausnahmekönner, mit mehr Routine. Die Rennen, die bis jetzt gefahren sind, haben noch nicht die letzte Aussagekraft. Es wäre schön, wenn es so weitergeht, aber wir unterschätzen Mercedes nicht."


Frage: "Vor etwa einem Jahr habe ich Ihnen die Frage gestellt, ob Max Verstappen schon besser ist als Lewis Hamilton. Damals haben Sie gesagt, er ist zwar schon mindestens gleich schnell, aber Hamilton ist noch das komplettere Paket. Lautet Ihre Antwort immer noch gleich?"
Marko: "Nein. Sie sind zumindest gleichwertig. Und vom reinen Speed ist Verstappen eine Spur vorne."

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