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Leclerc nach Ungarn-Pole: "Ich verstehe nichts mehr in der F1!"
Ferrari hatte Mühe, überhaupt Q3 zu erreichen, doch dann gelingt Leclerc eine Runde, die alles verändert - Sogar ihn selbst lässt das sprachlos zurück
(Motorsport-Total.com) - "Was?! Hahaha, mamma mia!" - Charles Leclerc konnte es selbst nicht glauben, als ihm am Funk "P1" durchgegeben wurde. In einem verrückten Zeittraining, das geprägt war von wechselnden Bedingungen, setzte sich der Ferrari-Pilot im letzten Anlauf völlig überraschend gegen die favorisierten McLaren durch.

© Sutton Images
Charles Leclerc mit seiner Pole-Trophäe, mit der er überhaupt nicht gerechnet hatte Zoom Download
Wirklich begreifen konnte er es auch in der Pressekonferenz nach dem Qualifying noch nicht: "Ich verstehe heute wirklich nichts mehr in der Formel 1. Von Anfang bis fast ganz zum Schluss fühlte sich das ganze Zeittraining einfach schlecht an. Es war extrem schwierig. Wir hatten schon Probleme, überhaupt ins Q2 zu kommen, und dann nochmal in Q3."
Tatsächlich stand Ferrari am Samstag lange auf der Kippe: In Q2 unterlief Leclerc ein Fahrfehler in Kurve 4, der fast das Aus bedeutete. Er rettete sich um zwei Zehntelsekunden ins Q3. An der Hürde scheiterte hingegen Teamkollege Lewis Hamilton, der sich daraufhin selbst hinterfragte wie nie zuvor.
"Ich dachte ehrlich gesagt, dass wir es nicht einmal in die Top 5 schaffen", so Leclerc. Dass es am Ende dennoch zum besten Startplatz reichte, lag an einer starken Schlussrunde von Leclerc, aber auch an sich verändernden äußeren Bedingungen, mit denen die Konkurrenz schlechter zurechtkam.
Bedingungen ändern sich, Leclerc schlägt zu
Der Hungaroring präsentierte sich im Laufe des Qualifyings wechselhaft: Während Q1 noch bei Sonnenschein und warmen Temperaturen stattfand, zogen in Q2 erste Wolken auf - begleitet von leichtem Nieselregen. Die Strecke kühlte merklich ab, der Grip veränderte sich drastisch.
"Ich war mit relativ wenig Abtrieb unterwegs", schilderte Leclerc. "Als es zu tröpfeln begann, habe ich nur gehofft, dass es nicht so bleibt - und zum Glück wurde es wieder trockener. In Q3 war dann alles anders. Ich wusste: Wenn ich einfach nur eine saubere Runde fahre, ist vielleicht Platz drei drin."
Der Wind wehte aus einer anderen Richtung und plötzlich war McLaren mehr als eine halbe Sekunde langsamer als in Q2. Auch Aston Martin war langsamer unterwegs als in den ersten beiden Segmenten. Leclerc hingegen verbesserte sich um 0,083 Sekunden auf 1:15.372 Minuten. Das war 0,482 Sekunden langsamer als die 1:14.890 von Lando Norris in Q2 und 0,161 Sekunden langsamer als Oscar Piastris Q1-Bestzeit, trotzdem langte es.
Leclercs erste Pole seit Baku 2024 war nicht nur ein sportlicher Coup - es war auch eine persönliche Genugtuung. Denn der Hungaroring war bislang eher Leclercs Problemstrecke.
"Ich habe am Donnerstag noch gesagt, dass ich hier nie zurechtkomme. Die Pace war nie da, ich hatte nie das richtige Gefühl", so der Ferrari-Star. "Dass ich heute ausgerechnet hier auf Pole stehe, ist wahrscheinlich die überraschendste Qualifying-Leistung meiner Karriere."
Update zeigt Wirkung: Mehr Vertrauen im Grenzbereich
Eine zentrale Rolle spielte dabei das Ferrari-Update, das bereits in Spa eingeführt wurde. Es umfasst unter anderem eine modifizierte Hinterradaufhängung, die vor allem das Fahrverhalten im Qualifying stabilisieren soll. Und es scheint zu wirken.
"Zu Beginn der Saison musste ich das Auto extrem scharf abstimmen, um im Qualifying überhaupt an die Spitze ranzukommen", erklärt Leclerc. "Das hat die Fahrbarkeit extrem erschwert, und wenn ich das Limit überschritten habe, habe ich sofort alles verloren. Jetzt ist das Auto vorhersehbarer. Ich kann näher ans Limit gehen - und wenn ich mal drüber bin, ist der Preis nicht mehr so hoch."
Das sei entscheidend gewesen, gerade im letzten Versuch in Q3: "Ich dachte, das schlechte Gefühl liegt am ersten Run auf gebrauchten Reifen - also bin ich im zweiten Run einfach volles Risiko gegangen. Es fühlte sich nicht gut an, aber am Ende war es eine richtig starke Runde."
Teamchef Frederic Vasseur ergänzt: "Charles hat irgendwie einen Weg gefunden, die Reifen auf der Outlap ins richtige Fenster zu bringen. Es war eine Megarunde und eine positive Performance - gerade, wenn man sich den Abstand zwischen Platz eins und zehn ansieht."
Tatsächlich waren die Top 10 in Ungarn mit 0,543 Sekunden so dicht beisammen wie noch nie in der Formel-1-Geschichte. Der vorige Rekord stand bei 0,577 Sekunden, gemeinsam aufgestellt von Brasilien 2003 und Ungarn 2023.
Der nächste Test: Startphase und Rennpace
Ein Selbstläufer wird das Rennen aber nicht - das ist Leclerc bewusst. Gerade auf dem engen Hungaroring ist die erste Kurve entscheidend. "Der Start wird der Schlüssel", sagt er. "Wenn ich da vorne bleibe, kann ich das Rennen kontrollieren. Aber ich habe keine Ahnung, wie es laufen wird. Ich werde jedenfalls alles geben, um Platz eins zu halten." Doch selbst dann dürfte McLaren versuchen, über Undercuts oder Overcuts bei den Boxenstopps das Blatt zu wenden.
Zudem könnte auch das Wetter erneut zum Faktor werden. Für Sonntag ist instabile Witterung mit erhöhter Regenwahrscheinlichkeit angesagt. Auf nasser Strecke wäre die Lage unberechenbar. "Wir wissen noch nicht genau, ob das neue Auto [gemeint ist das Spa-Update] auch im Regen Vorteile bringt", so Leclerc. "Aber zumindest im Trockenen haben wir einen Schritt gemacht."
Für Ferrari ist die Pole ein dringend benötigtes Erfolgserlebnis in einer bislang durchwachsenen Saison. Schon in Spa hatte sich angedeutet, dass die neuen Teile Potenzial haben, nun folgte der erste greifbare Beleg. "Das Team hat hart gearbeitet", lobt Leclerc. "In den letzten Wochen wurde viel gebracht. Das ist jetzt der Lohn dafür."
Trotzdem will er den Erfolg nicht überbewerten. "Ich habe schon in Spa gesagt: Wir müssen über mehrere Rennen hinweg beurteilen, ob wir wirklich einen Schritt gemacht haben. Aber heute ist auf jeden Fall ein positives Zeichen."