• 30. Juli 2025 · 08:20 Uhr

Riskant, aber gut überlegt: So trickste Piastri seinen Teamkollegen in Spa aus

(Motorsport-Total.com) - Es waren nur wenige Sekunden, die allerdings über den Sieg beim Großen Preis von Belgien (hier zum Rennbericht) entschieden haben: Beim Start nach der Safety-Car-Phase setzte McLaren-Pilot Oscar Piastri den entscheidenden Angriff auf Lando Norris. Dabei kombinierte er Cleverness mit ausgeprägter Risikobereitschaft.

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Oscar Piastri überholt Lando Norris in der ersten Runde Zoom Download

Sowohl in der Vorbereitung in Eau-Rouge und Raidillon als auch beim eigentlichen Überholmanöver auf der Kemmel-Geraden zeigte der junge Australier Mut und Kalkül, um genug Schwung für den Angriff auf seinen Teamkollegen mitzunehmen und das entscheidende Überholmanöver perfekt umzusetzen.

"Ich wusste, dass ich nah dran war, und ehrlich gesagt war ich etwas enttäuscht über den fliegenden Start, weil ich dachte, das würde mir Möglichkeiten nehmen", sagt Piastri nach dem Rennen. "Die erste Runde war wahrscheinlich meine beste Chance, das Rennen zu gewinnen."

Denn: Schon der Sprint am Samstag, der unter trockenen Bedingungen ausgetragen wurde, hatte den Fahrern eine klare Botschaft vermittelt: Wer nach der ersten fliegenden Runde in Führung liegt, hat die besten Chancen auf den Sieg.

Das Überholen ist in Spa bekanntermaßen schwierig, zumal der Kampf um den Sieg realistisch nur zwischen den beiden McLaren-Fahrern entschieden werden konnte. Aus diesem Grund legte McLaren vor dem Rennen ein besonderes Augenmerk auf den Start.

Offenbar gab es verschiedene Szenarien, verbunden mit der klaren Anweisung an beide Fahrer: Das Teamresultat dürfe nicht gefährdet werden, heißt es. Allen Beteiligten war bewusst, dass genau diese ersten Sekunden das teaminterne Duell entscheiden könnten. Dass der Start dann jedoch hinter dem Safety-Car erfolgte, schien für Piastri zunächst kein Vorteil zu sein.

"Aber ich kam gut aus Kurve 1 raus, konnte dranbleiben und wusste: Wenn ich so dicht dran bin, dann nehme ich einfach weniger Gas weg als Lando, und versuche, auf der Strecke zu bleiben", verrät der WM-Spitzenzeiter. "Es war ein bisschen wild durch Eau Rouge, aber ich hab's geschafft."

Oscar Piastri kombinierte Cleverness und Mut

Alles begann in dem Moment, als Norris versuchte, seinen Teamkollegen am Ende der Safety-Car-Phase zu überraschen. Er beschleunigte schon vor Blanchimont, um sich vor der ersten Bremszone etwas Luft zu verschaffen. Doch Piastri reagierte blitzschnell und ließ sich nicht überrumpeln.

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Dadurch gelange es Norris nicht, sich entscheidend abzusetzen und den Bremspunkt unter optimalen Bedingungen anzufahren. Stattdessen musste er innen eine ungünstigere Linie durch Kurve 1 wählen, und genau dort entglitt ihm die Gelegenheit, sich auf dem langen Weg hinauf zur Eau Rouge wirkungsvoll zu verteidigen.

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Lando Norris gratulierte seinen Teamkollegen zum Sieg Zoom Download

Ein leichtes Übersteuern beim Herausbeschleunigen aus der ersten Kurve kostete schließlich sogar den nötigen Schwung, um die Geschwindigkeit aufzubauen: Der Polesetter wurde angreifbar. Kein Wunder also, dass Piastri noch vor Eau Rouge direkt am Heck seines Teamkollegen klebte.

Genau in diesem Moment bewies der Australier Kaltschnäuzigkeit und Intuition, ging Risiken ein und zeigte ein tiefes Verständnis für die Situation. Denn die Telemetriedaten belegen: Piastri lupfte kurz das Gaspedal und reduzierte kurzzeitig auf rund 75 Prozent, während Norris voll auf dem Gas blieb.

Piastri-Manöver war ein strategischer Schachzug

Ein strategischer Schachzug: Denn wäre Piastri vor Eau Rouge zu dicht aufgefahren, hätte er in Raidillon stärker vom Gas gehen müssen - und damit den Schwung am Ausgang verloren. Im schlimmsten Fall hätte er sogar einen Angriff von hinten riskiert.

So aber schuf er sich genau den Raum, um den Windschatten zu nutzen und auf der Kemmel-Geraden anzugreifen. Doch das allein war nicht ausschlaggebend, denn wie er selbst einräumte, ging Piastri in Eau Rouge auf nasser Fahrbahn bewusst ein Risiko ein, indem er im Windschatten blieb.

Das ist ein ungewöhnlicher Schritt, weil man dabei in der Regel vorsichtiger mit dem Gaspedal umgeht als der Vordermann. Im Vergleich zu Charles Leclerc, der deutlich weiter zurücklag, zeigt sich, wie viel Risiko Piastri bei seinem Manöver tatsächlich einging.

Nach Raidillon lag er in perfekter Distanz und nutzte den Windschatten auf der Kemmel-Geraden, um das Überholmanöver zu vollenden, und damit die Führung zu übernehmen, die er bis zum Ziel nicht mehr abgeben sollte. Den Rest der ersten Runde nutzte er, um sich einen Vorsprung zu verschaffen und einen möglichen Konter zu verhindern.

Nach dem Boxenstopp verwaltete Piastri seinen Reifenvorteil exzellent. Er ging den Stint ruhig an, um die Reifen für das Finale zu schonen, in dem Norris naturgemäß wieder näherkam. Doch die Strategie ging perfekt auf: In den letzten Runden konnte Piastri wieder anziehen und mit schnellen Rundenzeiten seine Führung und den Sieg behaupten.

Das Batterie-Thema: Beide McLaren hatten ein Problem

Ein zusätzlicher Aspekt war der Boxenfunk von Lando Norris, denn in jenem Moment, als Piastri zum Angriff ansetzte, meldete er ein Batterieproblem. Die Daten zeigen: Seine Geschwindigkeit stagnierte bei 306 km/h, obwohl technisch mehr möglich gewesen wäre.


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Wie Teamchef Andrea Stella bestätigte, handelte es sich dabei um ein Problem, das nicht nur Norris, sondern auch Piastri betraf. Letzterer erreichte im Windschatten dennoch 316 km/h, also rund zehn km/h mehr, bevor sich auch bei ihm die Geschwindigkeit stabilisierte. Der Führungswechsel wäre aller Wahrscheinlichkeit nach auch ohne diese Probleme erfolgt.

"Was den Batterieeinsatz beim Re-Start betrifft: Soweit ich es verstanden habe, gab es eine kleine Anomalie, die beide Fahrer betraf", betonte Teamchef Stella nach dem Rennen. "Also nichts, was Lando im Vergleich zu Oscar wirklich benachteiligt hätte."

"Ich denke daher, dass das Überholmanöver einfach zustande kam, weil es sehr schwierig ist, als Führender auch als Erster in Kurve 5 anzukommen. Es ist nicht unmöglich, aber man braucht dafür beim Überqueren der Ziellinie einen gewissen Vorsprung - und den hatte Lando beim Re-Start nicht."