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Red-Bull-Ärger über Rennleitung: Hätten "ganze Stunde früher" fahren können
Konträre Meinungen zum verspäteten Rennstart in Spa: Für Helmut Marko verhagelt dieser Red Bulls Regen-Set-up, bei McLaren gibt es indes Lob für die Vorsicht der FIA
(Motorsport-Total.com) - Im Sprint am Samstag holt Max Verstappen in Spa noch den Sieg, im Grand Prix am Sonntag verpasst der Niederländer jedoch das Podium, ist mit seinem im Vergleich zum Vortag deutlich größeren Heckflügel für die angesagten Regenbedingungen chancenlos, um einen Weg vorbei an Ferrari-Star Charles Leclerc zu finden.

© circuitpics.de
Max Verstappen hatte auf Regen gesetzt und hätte den gerne ausgenutzt Zoom Download
Doch für Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko ist dieser Umstand allein nicht schuld an der Niederlage: "Beides", sagt Marko gegenüber Motorsport-Total.com auf die Frage, ob man mit der Flügeleinstellung falsch lag - oder doch eher der Rennleiter mit dem langen Warten auf die Rennfreigabe im Nassen: "Mit dem richtigen Rennleiter hätten wir auch die richtige Einstellung gehabt", kommentiert Marko.
Der Österreicher hat kein Verständnis für die Verzögerung des Starts um rund eine Stunde und 20 Minuten: "Beide unserer Fahrer sagten, zwei oder drei Runden mehr hinter dem Safety-Car, und das Wasser wäre weg gewesen - wir hätten ein reguläres Rennen fahren können", so Marko.
Marko moniert schon vor Freigabe: "Komische Entscheidung"
Bereits kurz vor der verspäteten Rennfreigabe hatte der Österreicher im ORF seinen Unmut über die Entscheidung kundgetan: "Komische Entscheidung. Es war eine Entscheidung, die, glaube ich, nicht den weiteren Verlauf berücksichtigt hat, weil es hat ja dann kaum mehr geregnet", monierte der Red-Bull-Berater und kündigte da bereits an: "Laut unseren Radar-Mitteilungen gibt's keinen Regen mehr."
Eine Einschätzung, die sich bewahrheiten sollte, den Rest des Rennens über bleibt es trocken. Zwar ist sich Marko durchaus bewusst: "Da sind auch gewisse Regeln. Wenn man mal abbricht, kann man so schnell nicht, dann muss man wieder zehn Minuten warten."
Für ihn gibt es deshalb aber erst recht Diskussionsbedarf: "Das ist auch ein Thema, das man bei einer der nächsten Sitzungen anschlagen muss - weil jetzt, bei nicht Idealen, aber bei Bedingungen, wo man ohne Weiteres ein sicheres Rennen hätte fahren können, ist eine Stunde vergangen - und nichts ist passiert."
Für Red Bull doppelt bitter: Aus dem Regenrennen wird somit schon nach wenigen Runden ein trockener Grand Prix. Auch das hatte Marko vor der späten Freigabe bereits kommen gesehen, sich entsprechend geärgert: "Ich gehe davon aus, dass es relativ rasch abtrocknen wird. Das heißt, unsere ganze Kalkulation mit Regenabstimmung wird dann wahrscheinlich nicht mehr passen."
Verstappen: "Das ruiniert ein schönes Regenrennen"
Tatsächlich tritt genau dieser Fall zu Red Bulls großem Frust ein, wenngleich Marko gegenüber Motorsport-Total.com nach dem Rennen dennoch darum bemüht ist, Rennleiter Rui Marques zumindest etwas aus der Schusslinie zu nehmen: "Es liegt nicht am Rennleiter allein. Wenn man in Führung liegt, will man natürlich kein Risiko eingehen, also sagt man: 'Kein Rennen, verschieben, verzögern.' Und wenn man hinten liegt - insbesondere mit einem Set-up wie unseren - will man fahren", ordnet er die verschiedenen Interessen ein.
Entsprechend schlägt auch Weltmeister Verstappen im Ziel in dieselbe Kerbe wie Marko: "Deutlich früher" hätte man fahren können, "ich meine, eine ganze Stunde früher", sagt der Red-Bull-Pilot: "Es war ein bisschen schade. Natürlich hat man einen sehr vorsichtigen Ansatz gewählt, weil wir nach Silverstone darüber gesprochen hatten, künftig etwas vorsichtiger zu sein - dort war wirklich viel Wasser auf der Strecke", zeigt Verstappen sogar ein gewisses Maß an Verständnis.
"Aber das hier war dann für mich das andere Extrem: Warten um jeden Preis. Und das ruiniert eben auch ein schönes, klassisches Regenrennen", so der Niederländer: "Also entweder versuchen wir wirklich noch, ein ordentliches Regenrennen zu ermöglichen - oder wir sagen halt: 'Weißt du was, wir fahren einfach nicht mehr im Regen und warten, bis es trocken ist.' Aber das ist doch nicht das, was man will, oder?"
Ex-Weltmeister und Sky-Experte Nico Rosberg muss bei den Aussagen der Beteiligten schmunzeln - sowohl im Fall von Red Bull als auch bei WM-Gegner McLaren. Der Deutsche: "Es war interessant, schon bei der ersten Erkundungsrunde, wie unterschiedlich doch die Meinungen waren. Lando zum Beispiel, der das Rennen anführte, wollte natürlich unter möglichst sicheren Bedingungen fahren und den Start lieber verschieben."
Rosberg lacht: "Er brachte deshalb allerlei Argumente vor - etwa, dass man selbst hinter dem Safety-Car nichts sehen könne. Und dann hast du den Verrücktesten von allen: Max Verstappen. Der sagt im Grunde nur: 'Ist mir egal! Ich will einfach nur Rennen fahren. Ich muss nicht mal sehen, wohin ich fahre - lasst uns einfach loslegen."
Red Bull vs. McLaren: Verschiedene Interessen
Dass die unterschiedlichen Interessen und Ausgangslagen sich in der Meinung der Protagonisten zum Thema widerspiegeln, das beweist schließlich auch McLarens Teamchef Andrea Stella - der Marques und die Rennleitung explizit lobt:
"Ich finde, das Rennen wurde heute sehr umsichtig gesteuert. Wir wussten, dass viel Regen im Anmarsch war, und auf einer Strecke wie Spa kann es gefährlich werden, wenn man Entscheidungen zu spät trifft - dann ist es womöglich schon zu spät, und das kann zu einem schwierigen oder sogar gefährlichen Ausgang führen", erklärt der Italiener.
"Deshalb denke ich, dass die vorsichtige Herangehensweise und die Verzögerung des Starts es überhaupt erst ermöglicht haben, unter nassen Bedingungen zu fahren - und später dann auch im Trockenen", so Stella: "Aber man muss ehrlich sagen: Wir sind in Spa - niemand wusste, wie lange das Rennen überhaupt trocken bleiben würde. Wir haben jederzeit wieder mit Regen rechnen müssen."
Stella stellt klar: "Aus unserer Sicht als Team loben wir die Arbeit der FIA immer dann, wenn sie es verdient - und ich finde, das war heute so ein Fall." Zwar verstehe er auch andere Stimmen, gerade aus Zuschauersicht, "dass es reizvoll wäre, die Autos gleich im Regen fahren zu sehen - aber man darf nicht vergessen, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit in Spa extrem hoch ist."
Piastri: "Wenn man dann eine Runde zu früh losfährt ..."
Der McLaren-Teamchef gibt zu bedenken: "Die Autos verdrängen eine enorme Menge Wasser und dann ist die Sicht schlicht gleich null. In Silverstone haben wir ja schon gesehen, was passieren kann: Ein Auto fuhr in das Getriebe eines anderen, weil es einfach nicht sichtbar war - und das war bei weniger Wasser und auf einer flacheren Strecke. So etwas wollen wir in Spa auf keinen Fall erleben. Insofern: Gut gemacht, FIA."
Auch Rennsieger Piastri, der sich Teamkollege Lando Norris nach dem fliegenden Start direkt schnappte und mit einem beherzten Manöver am Briten vorbei in Führung ging, unterstreicht die Einschätzung seines Bosses: "Ich denke, gerade in den letzten Jahren - besonders hier in Spa - haben wir der FIA immer wieder das Feedback gegeben, dass wir im Zweifel lieber auf der sicheren Seite stehen, als ein unnötiges Risiko einzugehen. Und genau das haben wir heute auch getan."
Zwar räumt Piastri ein: "Wenn man es ganz genau nimmt, hätte man vielleicht eine Formationsrunde weniger fahren können. Aber mit Blick auf das Gesamtbild: Wenn man dann eine Runde zu früh losfährt, ist es das wert? Nein." Allerdings weist der Australier auch darauf hin, "dass wir wahrscheinlich die Letzten sind, die man dazu befragen sollte - wir haben ja kaum Fahrzeuge vor uns."
Dennoch sei bei ihm persönlich die Sicht sehr schlecht gewesen: "Schon beim ersten Versuch, das Rennen zu starten - und ich hatte nur Lando vor mir - konnte ich absolut nichts sehen. Man kann sich also vorstellen, wie es für die Fahrer ganz hinten im Feld war. Aber das ist immer schwer auszubalancieren: Die Jungs vorne haben es wesentlich einfacher als die weiter hinten."
Hamilton: "Habe nur darauf gewartet, dass es losgeht"
Zu denen gehörte am Sonntag - zumindest zu Rennbeginn - auch Rekordweltmeister Lewis Hamilton. Der Brite bewies jedoch mit einer starken Anfangsphase und zahlreichen Überholmanövern auf Intermediates, dass die Strecke durchaus schon bereit war für gutes Racing. Zu Verstappens Einschätzung, dass die Freigabe deutlich früher hätte erfolgen sollen, sagt er deshalb: "Da stimme ich zu."
Am liebsten wäre Hamilton sogar gewesen, gar nicht zu warten: "Ja, absolut. Mein Auto war dafür abgestimmt - ich habe nur darauf gewartet, dass es losgeht." Auch einen stehenden Start hätte man laut dem Ferrari-Star in Erwägung ziehen können: "Auf jeden Fall, vor allem am Ende, da gab es schon fast eine trockene Linie, kaum noch Gischt."
Kein Wunder also, dass Hamilton sich in Runde zwölf mutig zeigte und als erster Fahrer des Feldes auf Slicks wechselte - eine Taktik, die voll aufging und ihn trotz Start aus der Boxengasse doch noch in die Punkte beförderte. Und die auch Red Bull hätte anwenden können, um zumindest mal an Leclerc vorbeizukommen...