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Longruns Bahrain: Red Bull blufft, Ferrari-Updates ein Flop?
McLaren demontiert die Formel-1-Konkurrenz bei den Longruns des zweiten Trainings in Bahrain: Fragezeichen über die Pace von Red Bull und Ferrari
(Motorsport-Total.com) - Nach dem Freitagstraining in Bahrain scheint McLaren der klare Favorit für den weiteren Verlauf des Wochenendes zu sein. Oscar Piastri setzte im zweiten freien Training die Bestzeit - mit mehr als einer halben Sekunde Vorsprung auf den ersten nicht teaminternen Verfolger, George Russell im Mercedes. Auch die Longruns am Ende der Session sprechen eine deutliche Sprache: McLaren scheint in Bahrain nur von sich selbst geschlagen werden zu können.
Bereinigt man die Longrun-Daten, die uns dank unseres Technologiepartners PACETEQ vorliegen, um unterschiedliche Reifenmischungen und Stintlängen, war Lando Norris mit Abstand der schnellste Pilot mit vollem Tank. Pro Runde war der Brite dabei rund drei Zehntel schneller als sein Teamkollege. Wie schon in den Qualifyingsimulationen ist George Russell auf dem Papier der erste Verfolger der McLaren.
Im Schnitt fehlten dem Mercedes-Piloten 0,48 Sekunden pro Runde auf Norris - ein Rückstand, der etwas geringer ausfällt als auf eine schnelle Qualifyingrunde, aber in einem vergleichbaren Rahmen liegt. Auffällig: Der Mercedes war im Longrun ohne DRS-Einsatz das schnellste Auto auf den Geraden, was im ersten und letzten Sektor hilft - im Mittelsektor hingegen wird der Vorteil zum Nachteil. Dort kann ohnehin kein anderes Auto dem McLaren ansatzweise das Wasser reichen.
"Wir hatten erwartet, dass McLaren hier einen großen Schritt voraus sein würde", so Russell nach dem Training. "Und das haben wir heute gesehen. Im mittleren Sektor, wo die Reifen überhitzen, sind sie weit voraus. Wir wissen also, dass wir noch ein bisschen Arbeit vor uns haben, aber ich denke, wir sind in einer Position, in der wir um die nächstbesten Plätze kämpfen können."
Fehlender Topspeed: Hat Max Verstappen noch Reserven?
Im Longrun-Ranking belegt Max Verstappen Platz vier (+0,52), doch es scheint, als gäbe es bei Red Bull noch ungenutzte Reserven. Schon in der Qualifyingsimulation, die den Weltmeister nur auf Rang sieben sah, schlich sich im letzten Sektor ein kleiner Fahrfehler ein. In den Longruns hingegen scheint Red Bull beim Topspeed gezielt zu pokern.
Betrachtet man die Werte der Geschwindigkeitsmessung ohne DRS, erreichte Verstappen im Schnitt 290,8 km/h. Zum Vergleich: Lando Norris fuhr durchschnittlich 300,2 km/h, George Russell 302,4 km/h und selbst Red-Bull-Teamkollege Yuki Tsunoda kam auf 298,4 km/h. Es könnte also ein Topspeed-Potenzial von rund zehn km/h in Reserve bestehen - doch ganz so einfach scheint es nicht zu sein.
"Wir sind zu langsam, und die Reifen werden viel zu heiß", fasst Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko zusammen. Zum Thema Topspeed bleibt er jedoch vage: "Das macht nicht viel aus. Das Hauptproblem ist die Reifentemperatur, die wir nicht unter Kontrolle halten können. Und sobald die Temperatur steigt, rutschen wir."
Ferrari im Nirgendwo: Taugen die Updates nichts?
Ein Blick auf die Reifenverschleißdaten der Longruns zeigt: Auch Ferrari stimmt in den Red-Bull-Kanon ein. Sowohl Charles Leclerc als auch Lewis Hamilton hatten massiv mit Reifenabbau zu kämpfen - obwohl beide kürzere Stintlängen als die Konkurrenz fuhren. Das Resultat: ein herber Rückstand von fast acht Zehnteln pro Runde auf Lando Norris.
Auch auf eine schnelle Runde konnte Ferrari kaum überzeugen - mit über einer halben Sekunde Rückstand auf McLaren. Zwar brachten beide Fahrer ihre besten Sektorzeiten nicht zusammen, schließlich hätte Leclerc mit einem Rückstand von 0,471 Sekunden Dritter werden können, Hamilton hätte sich direkt dahinter eingereiht.
Die schwache Longrun-Pace wirft jedoch größere Fragen auf, vor allem, da Ferrari für das Bahrain-Wochenende ein umfangreiches Updatepaket an die Strecke gebracht hat. Eine Wirkung scheint sich bislang nicht auf der Strecke zu zeigen. In Japan lag Ferrari bei der Rennpace 0,29 Sekunden pro Runde hinter der Spitze, obwohl die McLarens dort vermutlich noch schneller hätten fahren können. In Shanghai betrug der Rückstand 0,45 Sekunden pro Runde. Nun also eine halbe Sekunde und mehr.
Leclerc erklärt: "Ich versuche, eine Richtung einzuschlagen, die es mir erlaubt, etwas mehr aus dem Auto herauszuholen, aber um ehrlich zu sein, bleibt das Potenzial des Autos dasselbe, und wir sind einfach nicht schnell genug. Wenn wir uns die McLaren anschauen, dann sind sie im Moment einfach auf einem anderen Planeten. Es ist ärgerlich, aber so ist es nun einmal."
Mittelfeld: Kann Williams die Racing Bulls schlagen?
In Sachen Qualifyingpace war einmal mehr Racing Bulls das schnellste Mittelfeldteam - mit Isack Hadjar, der im zweiten Training die sechstschnellste Zeit fuhr. Bei der Longrun-Pace hingegen schien Alexander Albon im Williams (+0,95) der schnellste Mittelfeldpilot zu sein - wenn auch mit einer verkürzten Stintlänge. Hochgerechnet war Albon damit sogar schneller als Lewis Hamilton.
Racing Bulls folgte mit einem durchschnittlichen Rückstand von bereits 1,5 Sekunden pro Runde auf McLaren als zweitschnellstes Mittelfeldteam. Der große Unterschied zu Albon lässt sich aber auch durch die unterschiedliche Herangehensweise erklären: Albon startete seinen Longrun sehr schnell, was allerdings zu starkem Reifenverschleiß führte. Racing Bulls agierte konservativer und zeigte mit einem Reifenabbau von nur 0,20 Sekunden pro Runde das beste Reifenmanagement im Feld.
Dahinter wurde es im Longrun-Ranking extrem eng: Es folgten Haas (+1,53), Alpine (+1,67), Sauber (+1,87), während Aston Martin mit einem durchschnittlichen Defizit von exakt zwei Sekunden pro Runde das Schlusslicht bildete. Bei allen zehn Teams war durchweg ein enorm hoher Reifenverschleiß zu beobachten.
Strategie: Teams kommen wohl nicht um zwei Stopps herum
Der durchschnittliche Reifenverschleiß in den Longruns betrug 0,288 Sekunden pro Runde. Der Bahrain International Circuit verfügt über den rausten Asphalt im gesamten Formel-1-Kalender - gepaart mit hohen Temperaturen Mitte April im Wüstenstaat ergibt sich eine reifenmordende Kombination, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Rennen mit zwei Boxenstopps führt.
Zwar wird die Strecke im Laufe des Wochenendes mehr Grip aufbauen, und die Fahrer werden im Rennen tendenziell mehr auf Reifenschonen setzen, dennoch scheint eine Einstoppstrategie wenig realistisch, eine Dreistoppstrategie dafür zu konservativ.
"Der wichtigste Punkt, den wir aus dem heutigen Tag mitnehmen können, ist, dass sich das, was wir vor einer Woche in Suzuka erlebt haben, nicht wiederholen wird", so Pirelli-Chefingenieur Simone Berra. "Wir haben bei den heutigen Longruns gesehen, dass der thermische Abbau der Reifen nicht nur an der Hinterachse, sondern in einigen Fällen auch an der Vorderachse sehr hoch war. Es ist daher leicht vorstellbar, dass ein Rennen mit zwei Stopps gefahren wird - bei dem alle drei Mischungen eine Rolle spielen könnten."
Rechnet man die Reifendaten der Longruns mit der PACETEQ-Strategiesoftware OneTiming auf das Rennen hoch, ergibt sich ein klarer Vorteil für die Zweistoppstrategie: Sie wäre über 13 Sekunden schneller als eine mögliche Einstoppvariante - selbst bei einem vergleichsweise hohen Boxenstopp-Delta von 23,5 Sekunden. Der Verschleiß der Pirelli-Reifen ist schlichtweg zu hoch.