• 09. August 2020 · 22:38 Uhr

Hamilton erklärt: Mercedes-Reifenabbau war "noch nie zuvor so groß"

Mercedes-Pilot Lewis Hamilton fährt im Jubiläumsrennen in Silverstone auf den zweiten Platz - Warum er keine Einstoppstrategie gewagt hat

(Motorsport-Total.com) - "Das war eine riesige Herausforderung", gesteht Lewis Hamilton nach dem Jubiläumsrennen der Formel 1 in Silverstone. Der Weltmeister kämpfte nicht nur gegen die Konkurrenz von Red Bull, sondern vor allem gegen die Blasenbildung auf den Pirelli-Reifen. Am Ende reichte es noch für Rang zwei.

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Hamilton musste am Ende doch zweimal an die Box fahren Zoom Download

"Gratulation an Red Bull und Max. Wenn man ihre Reifen anschaut, dann hatten sie heute keine Probleme, im Gegensatz zu uns." Der Niederländer übertrumpfte die schwarze Konkurrenz mit einer alternativen Strategie, im Gegensatz zu den Mercedes-Fahrern startete er auf den harten Reifen.

In seinem längeren ersten Stint konnte er den entscheidenden Vorsprung für einen Boxenstopp auf Hamilton und Valtteri Bottas herausfahren. Die Mercedes taten sich dahinter sowohl auf dem Medium (C3) als auch auf dem Hard (C2) schwer, die Pace mitzugehen.

Hard bricht schon nach zehn Runden ein

"Das war definitiv unerwartet", gesteht Hamilton und spricht von "hardcore" Blasenbildung auf seinen Reifen. Schon während des Rennens informierte er sein Team am Boxenfunk immer wieder über den schlechten Zustand seiner Pneus.

"Blasen rechts vorne", funkte er etwa in der 24. Rennrunde. Zu jenem Zeitpunkt waren seine harten Reifen allerdings erst zehn Runden alt. In Runde 33 dann die nächste Meldung: "Da stimmt etwas nicht mit dem Auto, links hinten." Zum Vergleich: Verstappen fuhr den ersten Stint über 26 Runden auf dem gebrauchten Hard ohne Probleme.

"Man konnte sehen, dass unser harter Reifen schon nach zehn Runden mit der Blasenbildung angefangen hat - und Max ist 25 oder 28 Runden gefahren. Wir hatten heute nicht die Pace, um zu gewinnen", muss Toto Wolff im 'Sky'-Interview anerkennen.

Hamilton wechselte in Runde 14 zunächst vom Medium auf den Hard. Seinen mittleren Stint zog Mercedes dann in die Länge. Erst in Runde 41 holte er sich erneut Hard ab, um am Ende einen Angriff auf frischeren Reifen zu starten - was auch gelang.

Der Brite fiel zwar zunächst hinter den Ferrari von Charles Leclerc und Teamkollegen Bottas zurück, am Ende holte er aber in großen Schritten auf. Zwei Runden vor Rennende schnappte er sich dann noch den Finnen, der sich auf neun Runden älteren Reifen nicht mehr wehren konnte.

"Ich bin sehr dankbar, dass ich durchgekommen bin heute. Ich hatte auch am Ende noch Blistering, aber ich habe dennoch hart gepusht, um die Jungs an der Spitze noch einzuholen." Aber schon der erste Stint sei "sehr schwierig" gewesen.

"Reifen so sehr geschont, das kannst du dir nicht vorstellen!"

Auf dem gebrauchten Medium wurde Hamilton von Verstappen gejagt, der nach einem guten Start auf Platz drei hinter den Mercedes fuhr und die "Schwarzpfeile" vor sich hertrieb. "Ich habe versucht, die Reifen zu managen und gleichzeitig an Valtteri dran zu bleiben."

Schon nach drei Runden habe er Schwierigkeiten auf den gebrauchten gelb markierten Gummis bekommen. "Die Hinterreifen sind am Ende", funkte Hamilton kurz vor dem ersten Stopp. "Ich habe Boden auf Valtteri verloren. Das muss ich mir anschauen, weil das für mich sehr untypisch ist. Eigentlich bin ich auch an einem schlechten Tag ein wenig besser, aber heute war es schlechter."

Im zweiten Stint musste der Brite all seine Qualitäten als Reifenflüsterer unter Beweis stellen. "Im zweiten Stint habe ich die Reifen so sehr geschont, das kannst du dir gar nicht vorstellen", schildert der WM-Führende in der Pressekonferenz. Trotz seiner behutsamen Fahrweise traten am ersten Hard-Satz Blasen auf. "Das hat überhaupt keinen Unterschied gemacht."

Insgesamt 27 Runden hatte Hamilton den harten Reifen im Mittelstint drauf. "Am Ende bin ich im Grunde nur noch mit einem halben Reifen gefahren", schildert er. "Als ich in die Rückspiegel geschaut habe, war eine halbe Seite schon völlig abgefahren, die andere war okay."

Der Reifen hielt, dennoch wurde der Brite nervös. Er fühlte sich zurückversetzt in das Rennen der Vorwoche, als sein linker Vorderreifen in der allerletzten Runde platzte. "Ich war nervös, dass der Reifen auch diesmal explodieren könnte."

Bevor Hamilton in Runde 41 schließlich zu seinem zweiten Stopp abbog, wurde gar darüber spekuliert, ob er eine Einstoppstrategie versuchen könnte. Und tatsächlich bestätigt er diesen Verdacht: "Ich habe versucht, einen Einstopper zu fahren, aber am Ende hatte ich so viele Vibrationen von den Reifen."

So viel Reifenabbau "wie nie zuvor"

Daher blieb ihm gar nichts anderes übrig, als noch einmal an die Box zu kommen. "Und wenn ich ehrlich bin, war ich nicht sicher, ob der Reifen überhaupt halten würde. Nicht nur wegen des Gummis, sondern weil das Risiko einfach zu groß gewesen wäre, dass ein Hinterreifen in einer Kurve platzt."

Tatsächlich erkundigte sich Hamilton schon in Runde 35 bei seinem Renningenieur: "Der Reifen wird aber nicht in die Luft gehen, richtig?" Peter Bonnington antwortete: "Wir glauben, dass es sicher ist. Das ist nur das Blistering, das uns Pace kostet."

Ein Reifenschaden hätte das sichere Aus für den Seriensieger bedeutet. "Daher glaube ich, war das eine gute Entscheidung des Teams [am Ende doch noch einmal reinzukommen]." In den letzten zehn Runden versuchte Hamilton noch, Verstappen gefährlich zu werden. "Aber er ist da immer noch 28er- oder 29er-Zeiten gefahren, das konnte ich nicht."

Wäre das Rennen anders ausgegangen, hätte auch Mercedes in Q2 am Samstag auf den harten Reifen gesetzt? "Im Nachhinein ist man immer schlauer, aber ich weiß es nicht. Vielleicht wären wir nicht so sehr hinter Max zurückgefallen, aber auch auf dem harten Reifen hatten wir Blistering, sehr viel sogar."

Selbst wenn Hamilton also auf dem harten Reifen gestartet wäre und ebenso wie Verstappen einen längeren ersten Stint gefahren wäre, hätte er wohl nicht jene Pace mitgehen können. "Also wäre das auch mit sehr viel Reifenmanagement schwierig geworden. Sein Reifen sah so aus, als hätte er überhaupt keine Probleme gehabt."

Das bedeutet für Mercedes: "Wir haben offensichtlich etwas sehr falsch gemacht. Das werden wir analysieren und das nächste Mal besser machen." Denn so viel Reifenabbau wie am Rennsonntag habe er "noch nie zuvor" erlebt, merkt Hamilton an.

Hamilton egalisiert weiteren Schumacher-Rekord

"Ich weiß auch nicht, was da heute passiert ist." Noch am Freitag in den Freien Trainings habe Mercedes deutlich weniger Probleme in den Longruns gesehen. Interessant: Die Streckentemperatur war am Sonntag nur um ein Grad Celsius wärmer (42 Grad) als am Freitagnachmittag zu FT2.

Was Hamilton als weiteren möglichen Grund für das Reifenproblem ebenso ausschließt, sind große Änderungen am W11: "Nein, das Auto war so ziemlich das gleiche wie am Freitag, eigentlich wie am vergangenen Wochenende. Wir haben nur kleine Änderungen an der Balance vorgenommen."

Mercedes-Teamchef Wolff weiß: "Wir haben gesehen, dass wir bei sehr heißen Streckenbedingungen dieses Defizit haben. Da haben wir heute die Bestätigung bekommen. Wir konnten die Reifen aufgrund von Blasenbildung nicht halten, aber Max ist die ganze Zeit grüne Zeiten gefahren - er wurde also schneller."

Das müsse man nun in den Griff bekommen und verstehen, so der Wiener. Dem schließt sich Hamilton, obwohl er sich insgeheim über die weicheren Reifenmischungen gefreut hat. "Die machen das Rennen deutlich aufregender!"

"Ich möchte jetzt zwar nicht für die weicheren Reifen in zukünftigen Rennen plädieren, weil wir womöglich wieder in einer solchen Position sein könnten, aber ehrlich gesagt sind Einstopper scheiße. Wir sollten keine Einstopprennen fahren in diesem Sport", findet der Titelverteidiger.

Für die Zuschauer seien Rennverläufe mit mehr Stopps deutlich interessanter, und auch für ihn selbst: "Das war ein aufregendes Rennen für mich mit den Schwierigkeiten. Ich musste das Auto auf der Strecke halten und Ruhe bewahren. Ich konnte es nach Hause bringen und Punkte holen, darüber bin ich sehr glücklich."

In der Weltmeisterschaft führt der Brite auch nach dem fünften Saisonrennen mit 30 Punkten Vorsprung - doch nicht mehr auf Teamkollegen Bottas, sondern auf Verstappen (107:77). Und mit seinem 155. Karrierepodium hat er nun einen weiteren Rekord von Michael Schumacher egalisiert.

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