• 18. September 2016 · 16:01 Uhr

Formel 1 Singapur 2016: Nico Rosberg mit Sieg WM-Leader

"Wir haben uns fast in die Hose gemacht": Knappes Finish beim Sieg von Nico Rosberg im Nachtrennen - Lewis Hamilton verliert als Dritter wichtige Punkte

(Motorsport-Total.com) - Nico Rosberg hat von der Pole-Position aus den Grand Prix von Singapur gewonnen und die Führung in der Formel-1-WM 2016 übernommen. Mit einer über weite Strecken souveränen Vorstellung siegte der Mercedes-Fahrer im Nachtrennen 0,488 Sekunden vor Daniel Ricciardo (Red Bull). Der abgelöste WM-Leader Lewis Hamilton (Mercedes) wurde Dritter, Sebastian Vettel (Ferrari) nach toller Aufholjagd Fünfter.

Zunächst sah es so aus, als würde Rosberg das Rennen relativ gemütlich nach Hause fahren können. Der Deutsche gewann den Start, hatte nach einer Runde schon die DRS-Sekunde zwischen sich und Ricciardo eingezogen und baute den Vorsprung zwischendurch auf über acht Sekunden aus. Trotzdem wurde das Finish noch zur Zitterpartie für das Mercedes-Team: "Wir haben uns fast in die Hose gemacht!", gibt Sportchef Toto Wolff zu.

Ricciardo kam in der 47. Runde noch einmal an die Box, weil er nach hinten ausreichend Vorsprung hatte und sich so gegen ein etwaiges Safety-Car absichern wollte. Die logische Reaktion wäre gewesen, Rosberg ebenfalls reinzuholen, was auch tatsächlich geplant war. Aber Ricciardo verkürzte seinen Rückstand bis zum Boxenstopp auf 2,6 Sekunden und holte im zweiten und dritten Sektor seiner Out-Lap weitere vier Sekunden (!) auf.

Das zwang Mercedes dazu, den geplanten Boxenstopp in letzter Sekunde abzublasen. "Ich hatte Verkehr und war in der Runde sehr langsam. Wäre ich reingekommen, wäre er vorbeigegangen", sagt Rosberg, und Ricciardo meint: "Wir dachten, dass Nico kommen würde, daher habe ich in den Runden alles gegeben. Aber deswegen waren die Reifen am Ende schon am Limit." Erst in der letzten Runde zoomte er sich in die DRS-Sekunde, für eine Attacke reichte es nicht mehr.

"Ich bin sicher nicht enttäuscht. Wir haben etwas ausprobiert, am Ende hat halt eine halbe Sekunde gefehlt. Aber hey, ich stehe auf dem Podium!", freut sich der Australier. "Die Mercedes zu splitten, ist kein schlechtes Ergebnis", findet auch Teamchef Christian Horner, und Wolff gratuliert dem schärfsten Konkurrenten: "Ich muss vor Red Bull den Hut ziehen. Das Feuerwerk von Ricciardo am Ende war richtig stark!"

Ganz problemlos war Rosbergs Nacht nicht. Weil er in der Vorstartphase in der Boxengasse zu schnell war, kassierte er 500 Euro Strafe. In der achten Runde wurde er (genau wie Hamilton) gewarnt, seine Bremsen zu schonen - und später erinnert: "Es ist ernst, Nico!" Beim ersten Boxenstopp ließ sich die Mercedes-Crew für den Reifenwechsel 4,3 Sekunden Zeit. Und als plötzlich bei vollem Tempo ein Streckenposten auf der Fahrbahn stand, dürfte ihm im Cockpit das Herz in die Hose gerutscht sein...

Auch Hamilton erlebte ein durchwachsenes Rennen. Nicht zuletzt aufgrund seiner Bremsprobleme musste er Ricciardo früh ziehen lassen. Kurz vor seinem zweiten Boxenstopp musste er dann sogar Kimi Räikkönen (Ferrari) vorbeilassen. Aber als Hamilton (genau wie Ricciardo) einen zusätzlichen Reifenwechsel einlegte, sah sich Ferrari gezwungen, darauf zu reagieren - und nach dem Boxenstopp war wegen des Undercuts plötzlich wieder Hamilton vorn.

"Wie wir es geschafft haben, dieses Podium zu verschenken, muss mir erst mal einer erklären", ärgert sich Räikkönen. Hamiltons Jubel ist ebenfalls überschaubar, vor allem angesichts der Tatsache, dass er in der WM nach 15 von 21 Rennen wieder acht Punkte Rückstand auf Rosberg hat. Aber der Brite erweist sich als fairer Verlierer: "Nico ist das ganze Wochenende fantastisch gefahren. Er verdient diesen Sieg."

Nur 17,5 Sekunden hinter Räikkönen fuhr dessen Teamkollege, vom letzten Platz gestartet, über die Ziellinie. Vettel hielt sich aus allen Scharmützeln raus, fuhr auf den härtesten Reifen einen langen ersten Stint, dann zwei schnelle auf Ultrasoft. "Das ist ein Ergebnis, mit dem wir gut leben können", bilanziert Vettel. "Wir haben jetzt weniger Sorgen, was die Motorenanzahl bis zum Ende des Saison angeht. Aber schade, weil das Auto immer besser geworden ist."

Auf Max Verstappen hatte Vettel 43,5 Sekunden Vorsprung. Der Red-Bull-Fahrer verschlief den Start und hatte Riesenglück, als Nico Hülkenberg (Force India) nur Zentimeter vor seiner Nase in die Mauer crashte. "Normalerweise hätte er sowieso hinter mir sein müssen", knurrt er. Die Strategie, auf den härteren Supersofts zu starten, erwies sich für Red Bull nicht als Vorteil. Verstappen musste schon in Runde 13 Reifen wechseln lassen. Mercedes konnte auf Ultrasoft länger fahren.

Eines der Highlights des Rennens war dann Verstappens emotionsgeladenes Duell mit Daniil Kwjat, den er vor einigen Monaten aus dem Red-Bull-Cockpit verdrängt hat. Der Toro-Rosso-Funkspruch, Kwjat möge sich lieber auf den vor ihm fahrenden Fernando Alonso (McLaren) konzentrieren, interpretierte der Russe "absolut nicht" als versteckte Stallorder - und so wehrte er sich erfolgreich und sehenswert mit Händen und Füßen gegen das Überholmanöver.

In der Schlussphase nutzte Verstappen dann einen unaufmerksam Moment von Kwjat, als der sich gerade im Zweikampf mit Sergio Perez (Force India) befand, und schlüpfte doch noch durch. "Hat Spaß gemacht", grinst Verstappen. Kwjat wurde Neunter, hinter Alonso und Perez. "Wir hätten eine aggressivere Strategie fahren sollen. Dann hätte ich mit Alonso fighten können", glaubt er, stellt aber erfreut fest: "Heute habe ich wieder die Leidenschaft gespürt!"

Für den Startunfall von Hülkenberg kann man den beiden Toro Rossos, von denen der Deutsche in die Zange genommen wurde, keine Schuld geben: "Das war einfach Pech", analysiert Experte Marc Surer. Nicht einmal Hülkenberg nimmt Carlos Sainz (14.) in die Verantwortung: "Carlos hatte glaube ich auch links noch ein langsameres Auto, dem er ausweichen musste. Er hat mich dann hinten links getroffen, und das hat mich letztendlich in die Mauer geschickt."

Besonders bitter: "Ich hatte den besten Start meiner Saison und musste dafür einen hohen Preis zahlen. Mit einem normalen oder schlechteren Start wäre ich erst gar nicht in diese Situation gekommen. Wenn ich den Start durchbringe, bin ich schnell mal auf Platz fünf, was hier sehr viel wert ist. Dann kann ich meinen Rhythmus fahren und bin nicht im Verkehr. Das Auto hat das ganze Wochenende über ordentlich funktioniert. Es wäre mit Sicherheit ganz gut geworden."

Sainz wurde für die Aktion dennoch bestraft - nicht direkt von der Rennleitung, sondern indirekt durch ein beschädigtes Barge-Board. Weil das von der FIA als Sicherheitsrisiko eingestuft wurde, musste er mittels schwarz-oranger Flagge zum Reparaturstopp kommen. Das spülte letztendlich Kevin Magnussen zum erst zweiten Mal in dieser Saison in die Punkte - auch dank eines hervorragenden Starts des Renault-Piloten.

Farblos blieben die Williams-Fahrer. Felipe Massa kam hinter Esteban Gutierrez (Haas) als Zwölfter ins Ziel. Valtteri Bottas erlitt gleich zu Beginn einen Reifenschaden, fiel durch den notwendigen Boxenstopp weit zurück, hatte Glück, dass die Rennleitung beim "Unsafe Release" gegen Vettel ein Auge zudrückte - und musste später wieder an die Box, weil sein Gurt locker war. Ein paar Runden später ließ er es dann ganz gut sein, weil die Mechaniker einen Defekt kommen sahen.

Pascal Wehrlein (Manor) wurde mit einer tadellosen Leistung 16. und gewann damit erneut das Stallduell gegen Esteban Ocon. Vier Fahrer sahen die Zielflagge nicht: neben Hülkenberg und Bottas auch Haas-Fahrer Romain Grosjean (Brake-by-Wire-System ausgefallen, konnte nicht starten) und Jenson Button (McLaren). Button verlor schon in der ersten Runde seinen Frontflügel. Somit war es Alonso vorbehalten, weitere Punkte für das Team zu sammeln.

Für Mercedes ist dieses Ergebnis nach der Singapur-Schlappe von 2015 ermutigend. "Dieser Kurs war eigentlich ein Anti-Mercedes-Kurs", sagt Niki Lauda. "Letztes Jahr komplettes Chaos, heute knapp gewonnen. Die nächsten Rennen könnten aufgrund des Streckenverlaufs wieder etwas leichter werden." Und er ergänzt: "Nico hat einen Lauf und fährt vor allem fehlerfrei. Das musst du mit den Nerven und dieser Konstellation erst mal hinbekommen."

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