• 13. Juni 2016 · 19:41 Uhr

Taktikanalyse: Wie Ferrari Mercedes zu mehr Risiko zwingt

Lewis Hamilton scheint der neue Reifenflüsterer der Formel 1 zu sein: Warum sein Mammutstint in Kanada aber ein Unterfangen mit Netz und doppeltem Boden war

(Motorsport-Total.com) - Fahrerische Meisterleistung traf auf strategische Extraklasse: Um bei Lewis Hamiltons Sieg beim Kanada-Grand-Prix am Sonntag das Haar in der Suppe zu finden, hätte es bösen Willen gebraucht. Wie zwei Wochen zuvor in Monaco riskierte es der Weltmeister, mit einem Reifensatz lange auf der Bahn zu bleiben und einmal weniger zu stoppen als die Konkurrenz. Dabei galt das Schonen der Pneus vor wenigen Jahren als eine von Hamiltons wenigen Schwächen. Jetzt scheint es eine Stärke zu sein.

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Reifen gut geschont: Lewis Hamilton verbremste sich nicht immer so heftig Zoom Download

Denn dem Briten gelang es sowohl bei seinem 24 Runden langen Anfangsstint auf Ultrasoft als auch bei den anschließenden 46 Umläufen auf Soft jeweils zum Ende des Rennabschnitts, eine Schippe draufzulegen. Am Limit war Hamilton noch nicht, als er in der 68. von 70 Runden seine persönliche Bestzeit markierte. Zum Vergleich: Nico Rosberg war kurz zuvor noch 0,382 Sekunden schneller.

Entsprechend ruhig beobachteten die Verantwortlichen der Silberpfeile das Treiben auf dem Circuit Gilles Villeneuve. "Sogar mit etwas mehr Streckentemperatur hätten wir eine Einstoppstrategie für durchführbar gehalten", sagt Mercedes-Sportchef Toto Wolff. Er und seine Ingenieure hatten die Situation im Blick und unter Kontrolle. Valtteri Bottas (Williams) und Fernando Alonso (McLaren) sei Dank.


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Der Finne wechselte eine Runde vor Hamilton auf Soft, der Spanier gar sieben Umläufe. "Dass Alonso vorher auf diesen Reifen gewechselt hatte, war ein guter Indikator dafür, wie lange der Pneu wirklich hielt", meint Wolff. "Wir wären frühzeitig gewarnt worden, wenn er plötzlich eingebrochen wäre." Doch der McLaren-Pilot fuhr bis zur Zielflagge auf eine Sekunde höherem, aber beständige, Niveau.

Auch Bottas zeigte, dass der Soft fast unkaputtbar war. Er fuhr ebenfalls in der 68. Runde seine persönlich schnellste Zeit, obwohl die Reifen noch älter waren als die Hamiltons. Hilfreich: In Montreal war es mit zwölf Grad Celsius kühl, was den Abbau langsamer vonstatten gehen ließ. Allerdings verhielten sich die Softs im Freien Training ähnlich, obwohl es mit 20 Grad in der Luft wärmer war.

Das war der Konkurrenz der Silberpfeile nicht entgangen, wie Wolff anmerkt: "Die anderen Teams hatten wohl die gleiche Idee." Außer Ferrari, wo von Anfang an zwei Stopps geplant waren und sich nach dem spontanen Service während des Virtuellen Safety-Cars nicht mehr umdisponieren ließ. "Es wäre schwieriger geworden", malt sich Wolff das Szenario, dass Vettel als Führender ebenfalls nur einmal gehalten hätte, aus. Einen Weg vorbei am roten Renner hätte es auf der Strecke vielleicht nicht gegeben: "Die Höchstgeschwindigkeit der Ferrari und der Red Bull ist jetzt fast identisch der unseren."

So brauchte es die fahrerische und taktische Meisterleistung auch, um in Kanada erfolgreich zu sein. "Rückblickend war es die richtige Entscheidung. Aber Sebastian war heute jederzeit in der Lage, das Rennen zu gewinnen", mahnt Wolff. Vielleicht geht Mercedes auch deshalb mehr Risiken ein. Noch 2015 wollte Hamilton mehrmals mit Reifensätzen durchfahren, obwohl die Crew ihn zu einem geplanten Boxenstopp hereinrief - das war in Mexiko und in Abu Dhabi, als nur Rosberg ein echter Gegner war.

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