Zweites Schreiben: Harte Kritik der US-Politik an der Formel 1 wegen Andretti
Die US-Politik erhöht den Druck auf Liberty Media und die Formel 1: Nun soll der gesamte Bewerbungsprozess von Andretti offengelegt werden
(Motorsport-Total.com) - Der Justizausschuss im US-Repräsentantenhaus eskaliert die Andretti-Ablehnung durch Liberty Media und die Formel 1. In einem Schreiben (vom 7. Mai 2024) an die jeweiligen Geschäftsführer Greg Maffei und Stefano Domenicali fordert Jim Jordan als Ausschuss-Vorsitzender detaillierte Auskünfte bis zum 21. Mai 2024, um festzustellen, ob die Entscheidung gegen US-Gesetze verstößt.
© Motorsport Images/Andretti
Andretti-Logo vor der US-amerikanischen Nationalflagge (Fotomontage) Zoom Download
Liberty Media und Formel 1 sind angehalten, "alle Dokumente und Kommunikationen in Zusammenhang mit der Evaluierung neuer Teams für die Formel 1" auszuhändigen, im Speziellen natürlich zum Fall Andretti. Ebenso will die US-Politik Akteneinsicht zur Entscheidung, den Andretti-Einstieg abzulehnen.
Außerdem interessiert sich der Justizausschuss für "sämtliche Kommunikationen der Formel-1-Gruppe oder Liberty Media und den zehn aktuellen Formel-1-Teams in Zusammenhang mit neuen Teams für die Formel 1" und will alle Einzelheiten erfahren zur Antiverwässerungsgebühr, wie sie im 2025 auslaufenden Concorde-Agreement (umgangssprachlich "Formel-1-Vertrag") hinterlegt ist - auch mit Blick auf künftige Regelungen und eventuelle Gebührenerhöhungen.
Motorsport.com als Schwesterplattform von Motorsport-Total.com und Formel1.de im Motorsport Network hat die Formel 1 bereits um eine Stellungnahme dazu gebeten. Die Formel 1 aber lehnte es ab, die Angelegenheit zu kommentieren.
Warum der Justizausschuss überhaupt aktiv wird
In seinem Schreiben erklärt Jim Jordan, warum er als Vorsitzender des Justizausschusses aktiv wird, und er verweist auf den "Schutz vor Monopolbildung" und etwaige "unfaire Handelsbeschränkungen", die es mit Blick auf bestehende US-Gesetze zu untersuchen gelte.
Er schreibt weiter: "Sportarten wie die Formel 1 arbeiten auffallend in einem Bereich des Kartellrechts, in dem geheime Absprachen notwendig sind, um das Produkt zu schaffen. Wenn aber eine Sportart derart von ihren Regeln und Abläufen abweicht, sodass sich der Wettbewerb reduziert und das Kundeninteresse am Produkt nachlässt, dann können solche Absprachen zu wettbewerbsfeindlichem Verhalten führen."
Deutliche Kritik an den Argumenten der Formel 1
Deshalb könne er die bisher veröffentlichen Erklärungen der Formel 1 zur Ablehnung von Andretti nicht einfach akzeptieren: Sie erscheinen ihm als "vorgeschobene und willkürliche Ausreden", die noch dazu "nicht in Zusammenhang mit Andretti-Cadillacs Formel-1-Eignung" stünden.
Als Beispiel führt der US-Politiker die Formel-1-Äußerung an, wonach ein neues Team nur zur Wertsteigerung der Formel 1 führen könne, wenn es "um Podestplätze und Rennsiege" fahre.
"Die FIA hat aber bereits die technischen Möglichkeiten von Andretti-Cadillac überprüft und für tauglich befunden, um sich dem Wettbewerb zu stellen. Und die meisten aktuellen Teams erfüllen den [genannten] Standard nicht", schreibt Jim Jordan.
Wie Andretti zwischen Liberty und FIA zerrieben wurde
Die Formel 1, das steht jetzt fest, will Andretti nicht haben. Wir erklären, wie Rechteinhaber Liberty Media das begründet. Weitere Formel-1-Videos
Unverständlich sei auch die Haltung der Formel 1 gegenüber den Antriebsplänen von Andretti: "Es heißt, eine Zusammenarbeit [von Andretti] mit einem aktuellen Antriebshersteller könnte dem Image der Formel 1 schaden. Gleichzeitig aber heißt es auch, die Entwicklung eines neuen Antriebs durch General Motors könne sich im ersten Jahr als eine 'Herausforderung' für ein neues Team erweisen."
Dann wird Jim Jordan noch deutlicher, wenn er weiter schreibt: "Die Wahrheit ist, so hat es schon FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem erklärt, dass es bei der Ablehnung von Andretti 'nur um Geld' geht."
Vorwurf: Die Formel 1 schützt ihre "schwachen Teams"
Auf der Suche nach Gründen für die ablehnende Haltung gegenüber Andretti sei er auf mögliche Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht gestoßen. "Ein zusätzliches Team würde mit den bestehenden Teams um Preisgelder und Sponsoren kämpfen. Davor wollen sich die schwachen Teams schützen, zum Leidwesen der Konsumenten."
"Wenn die Formel 1 den Wettbewerb beschränken muss und Konsumenten vor den Kopf stößt, nur um erfolglose Teams zu schützen, dann ist womöglich das Geschäftsmodell der Formel 1 kaputt. Andretti-Cadillac auch nur ein Jahr lang vom Formel-1-Einstieg abzuhalten, schädigt US-amerikanische Konsumenten und gereicht erfolglosen Formel-1-Teams zum Vorteil."
Wo der Justizausschuss genau angesiedelt ist
Der Justizausschuss unter Vorsitz von Jim Jordan ist dem Repräsentantenhaus unterstellt, das wiederum eine von zwei Kammern im US-Kongress darstellt. Der Kongress wiederum ist die Legislative der Vereinigten Staaten von Amerika. Zu den wichtigsten Aufgaben des US-Kongresses zählen die Gesetzgebung auf Bundesebene sowie die Kontrolle der Exekutive.
Zweites Schreiben der US-Behörden in kurzer Zeit
Rund eine Woche vor dem neuerlichen Schreiben hatten sich bereits zwölf US-Kongress-Mitglieder schriftlich an Liberty-Media-Geschäftsführer Maffei gewendet, um ihre "Besorgnis zum Ausdruck" zu bringen, weil die Andretti-Ablehnung "von den aktuellen Formel-1-Teams aus Europa getrieben" sein könnte.
Deshalb hatten die Politiker drei Fragen eingereicht und um Beantwortung bis 3. Mai 2024 gebeten. Ob Liberty Media und/oder die Formel 1 auf dieses erste Schreiben reagiert haben, ist nicht bekannt.