Räikkönen-Physio: Das hasst der "Iceman" am meisten
Mark Arnall begleitet Kimi Räikkönen als Physiotherapeut in der Formel 1 bereits seit 18 Jahren - Er verrät, wie sich seine Arbeit geändert hat und was der "Iceman" hasst
(Motorsport-Total.com) - Der Mann mit Glatze weicht Kimi Räikkönen nicht von der Seite, kennt alle Werte des "Iceman" auswendig und weiß, wie er mit dem Finnen arbeiten muss. 24 Jahre arbeitet Mark Arnall bereits in der Formel 1. Der Brite ist kein Hauptdarsteller, sondern einer der vielen wichtigen Mitglieder eines Rennstalls hinter den Kulissen.
1996 begann die Reise von Arnall in der Formel 1 - durch einen Zufall. Ein McLaren-Mitarbeiter besuchte einen seiner Kletterkurse. Zu jenem Zeitpunkt suchte das Team von Ron Dennis einen Physiotherapeuten für das Formel-1-Team, der damals 24-Jährige sagte zu.
"Mein Bewerbungsgespräch mit Ron Dennis hat sechs Minuten gedauert, bevor er jemandem sagte, man solle mich 'mclarenisieren'", schreibt Arnall auf seiner Website. Nach dem vierten Saisonrennen wurde er zum persönlichen Trainer von Mika Häkkinen befördert, das sollte er bis zu dessen Rücktritt 2001 bleiben.
"Gibt viele Dinge, die wir früher nicht machen konnten"
Was hat sich seit damals verändert? "Meine Güte. Es hat sehr viele Veränderungen gegeben. Eigentlich alles", vergleicht der Brite seine Anfangsjahre mit seiner heutigen Arbeit im Interview mit dem finnischen Sender 'MTV3'.
"Im Vorjahr ist Mika mit dem Auto gefahren, mit dem er 1998 gewonnen hat. Das sieht total klobig aus, die Aerodynamik ist überhaupt nichts Besonderes. Aber zu jener Zeit war das ein unglaubliches Auto und er hat damit die Weltmeisterschaft gewonnen."
Die technische Innovation sei in den vergangenen Jahren "unglaublich" gewesen, ist Arnall begeistert. Nicht weniger stark hat sich aber auch die Arbeit in seinem Aufgabenbereich verändert. "Der Sport hat sich stark weiterentwickelt, auch was das Training und die Ernährung angeht."
Er erzählt: "Wir machen sehr genaue Analysen des Blutes, des Urins und des Darms. Darauf aufbauend kreieren wir Ergänzungsmittel. Es gibt sehr viele Dinge, die wir in der Vergangenheit einfach nicht machen konnten. Der Sport an sich hat sich verändert, meine Arbeit darin, aber auch die physischen Herausforderungen für die Fahrer haben sich geändert."
Besonders wissenschaftliche Erkenntnisse haben geholfen, die Industrie voranzubringen, schildert Arnall. "In meinem Bereich hat das geholfen, um besser zu verstehen, wie der Körper funktioniert. Das Training hat sich eher mehr dahin geändert, dass man funktionaler wird und man den gesamten Körper betrachtet statt nur einzelne Muskelpartien."
Diesen Ansatz verfolgt er im Training mit dem mittlerweile ältesten Formel-1-Fahrer. Für Räikkönen ist Arnall bereits seit dessen Karrieresprung zu McLaren 2002 tätig. In der Biografie des Finnen (Sponsored Link: Jetzt das Räikkönen-Buch auf Amazon bestellen!) wird der Physiotherapeut zu jener Zeit beim britischen Traditionsteam als Schutzschild beschrieben.
"Robert Kubica sah aus wie ein Skelett"
"Jedes Mal wenn Kimi etwas Unangebrachtes angestellt hatte, rief Dennis Mark an, um herauszufinden, was passiert ist", schreibt Autor Kari Hotakainen. Er konnte beobachten, dass die Berufsbezeichnung "Personal Trainer" für den Briten nicht genüge.
Arnall wird nicht nur als Physiotherapeut sondern auch als "Ernährungsexperte, Psychologe, Masseur und vertrauensvoller Freund" beschrieben. Er kümmert sich nicht nur um die Trainingsroutine des Champions, sondern auch um dessen Ernährung und Ausrüstung an den Rennwochenenden.
Er blieb Räikkönen seit 2002 treu und wechselte gemeinsam mit dem Ex-Weltmeister zu Ferrari, in die Rallye-Weltmeisterschaft, zu Lotus, zurück zu Ferrari und schließlich zu Alfa Romeo.
Eine besonders große Herausforderung in seiner Arbeit mit Räikkönen war die Einführung des KERS 2009. "Da gab es massive Probleme mit dem Gewicht des Autos", erinnert sich Arnall. "Robert Kubica sah aus wie ein Skelett. Er musste so viel Gewicht verlieren, damit das Auto kein Übergewicht hat und Zeit verliert."
Auch Räikkönen musste in seinem zunächst letzten Jahr bei Ferrari abspecken. "Uns wurde ein gewisses Gewicht für den Fahrer vorgeschrieben. Denn wenn der nur ein halbes Kilo schwerer ist, verliert man auf der Strecke zwei Zehntelsekunden."
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Das Training hat sich vom Kraftaufbau und Verbesserung der generellen Verfassung verlagert hin zu mehr Gewichtskontrolle. "Man musste also versuchen, so viel Gewicht wie möglich zu reduzieren, vor allem Muskelmasse."
Räikkönen sehr unkompliziert: "Er ist Mister Textnachricht"
Die Arbeit mit Räikkönen über den Winter funktioniere sehr unkompliziert, schildert Arnall. Schon im Buch verriet er: "Kimi ist Mister Textnachricht. Er schickt kurze, klare Nachrichten ohne überflüssige Worte." Nach so langer Zeit gemeinsamer Zusammenarbeit weiß er genau, wie er mit dem Alfa-Fahrer umgehen muss.
"In der Winterpause funktioniert das sehr einfach: Wir sehen uns nicht. Nein, aber wenn die Saison und der letzte Test in Abu Dhabi vorbei sind, dann gehen wir mal einen Monat lang auf Abstand. Denn wir verbringen sowieso die gesamte Saison miteinander."
Er ergänzt: "Das Schöne an der langen Zusammenarbeit mit Kimi ist, dass wir beide wissen, was wir brauchen. Jeder Fahrer hat andere Bedürfnisse." Das erinnert ihn an David Coulthard, mit dem Schotten hatte Arnall bei McLaren ebenfalls zusammengearbeitet.
"Er wollte immer einen strikten Plan haben, alles war durchgetaktet. Kimi hasst das", lacht der 48-Jährige. "Normalerweise machen wir aus, dass wir zwischen 10 und 11 Uhr loslegen und dann am Nachmittag noch einmal eine Session einlegen. Aber meist ist es so, dass er mir einfach schreibt, wenn er bereit ist."
Arnall nennt diesen Ansatz "strukturiert, aber flexibel". Diese Herangehensweise funktioniere für beide Seiten. "Wir schaffen all die Arbeit, die wir uns vornehmen, aber es ist nicht in Stein gemeißelt, wann wir das alles machen."