Vom Egoisten zum Teamplayer? Was hinter Esteban Ocons Wandel steckt
Esteban Ocon galt lange als schwieriger Teamkollege: Bei Haas hat er seinen Ruf geändert - und lieferte in Spa den wohl entscheidenden Beweis
(Motorsport-Total.com) - Esteban Ocon wurde vor seinem Wechsel zu Haas zu Beginn dieser Formel-1-Saison häufig vorgeworfen, kein Teamplayer zu sein. Sein neuer Teamchef Ayao Komatsu ist jedoch überzeugt, dass der Franzose seine Kritiker mittlerweile eines Besseren belehrt hat.
In der aktuellen Staffel von "Drive to Survive" wird Komatsu von einem Mitarbeiter gefragt, ob er sich wirklich sicher sei, dass Ocon der richtige Fahrer für das Team sei. Die Verpflichtung hatte im Vorfeld Fragen aufgeworfen, insbesondere nach dem Zusammenstoß Ocons mit seinem damaligen Alpine-Teamkollegen Pierre Gasly in Monaco im Vorjahr. Damals gab es sogar Spekulationen, Alpine könnte ihn für das darauffolgende Rennen in Kanada aussetzen lassen.
Komatsu begründete den Schritt damals mit Ocons Arbeitseinstellung und betonte, dass er im Haas-Team die richtige Umgebung vorfinden werde, um sein Potenzial abzurufen. Ein Jahr später sieht sich der Japaner in seiner Entscheidung bestätigt.
Was das Rennen in Spa über Ocon aussagt
Für Komatsu liegt der Beweis in einer Szene beim Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps. Dort ließ Ocon seinen Teamkollegen Oliver Bearman freiwillig vorbei, weil er der Ansicht war, der Brite sei zu diesem Zeitpunkt schneller. Ocon hatte auf eine Abstimmung mit geringerem Abtrieb gesetzt, wodurch er auf der feuchten Strecke Schwierigkeiten im Mittelsektor hatte und seine Reifen stärker abnutzte.
"Ich musste keinen Funkspruch geben", erklärte Komatsu im Gespräch mit der englischsprachigen Ausgabe von Motorsport.com, einer Schwesterpublikation von Motorsport-Total.com im Motorsport Network. "Esteban hat Ollie von sich aus vorbeigelassen. Das ist für mich die Antwort. Beide Fahrer zeigen großartigen Teamgeist."
Der Haas-Teamchef betonte, dass klare Absprachen im Vorfeld solcher Situationen entscheidend seien. Vor dem Rennen in Spa habe man intern besprochen, dass es bei unterschiedlichen Abstimmungen zwangsläufig Phasen geben könne, in denen ein Auto deutlich schneller ist. Das Überholmanöver erfolgte deshalb ohne Diskussion.
Im neuen Team blüht Ocon auf
Auch der Zwischenfall zwischen Ocon und Bearman in Silverstone habe keinen Streit ausgelöst. Aufgrund der schwierigen Streckenbedingungen mit nur einer trockenen Linie sei es zu einer Berührung gekommen, doch beide Fahrer hätten dies anschließend in einem offenen Gespräch aufgearbeitet. Komatsu lobte, dass Teamorder und Positionswechsel bei Haas ohne Widerstand umgesetzt würden.
Für den Japaner basiert dieses harmonische Miteinander auf einer klaren Grundlage aus Vertrauen, Transparenz und Respekt. Diese Basis sei bei Ocons früheren Stationen in der Formel 1 teilweise verloren gegangen, werde bei Haas jedoch kontinuierlich gefestigt.
"Jeder ist ein Mensch. Wenn ein Fahrer dem Team nicht vertraut oder umgekehrt, dann ist das keine gute Ausgangslage", so Komatsu. "Wir wollen Offenheit, Ehrlichkeit und Einbindung. Esteban hat in seiner Karriere gute und schlechte Phasen erlebt, aber jetzt haben wir diese Basis geschaffen und bauen sie weiter aus. Das Fundament ist da."