Vom Unsichtbaren zum Teil des Teams: So hat Goodwood Gene Haas verändert
Gene Haas war bislang nur stiller Geldgeber bei Haas, doch nach einem besonderen Erlebnis in Goodwood scheint sich sein Blick auf das Team verändert zu haben
(Motorsport-Total.com) - Es war ein Einsatz, der das Leben von Gene Haas und seine Sichtweise auf die Formel 1 verändert hat: Bislang war der Amerikaner als Teamgründer des gleichnamigen Rennstalls eher im Hintergrund als Geldgeber und Großentscheider aufgetreten, den Ex-Teamchef Günther Steiner in Drive to Survive immer wieder plakativ anrufen musste, um über die Situation zu berichten.
Nun durfte Haas aber zum ersten Mal selbst eines seiner Autos fahren - und scheint aufgetaut zu sein. Die Gelegenheit kam beim Goodwood Festival of Speed - einem jährlichen Motorsport-Festival in Großbritannien, von dem Haas zuvor eigentlich noch nie etwas gehört hatte.
Angesichts des zehnjährigen Teamjubiläums wollte Teamchef Ayao Komatsu mit seinem Rennstall in diesem Jahr dabei sein - so wie viele Konkurrenten Jahr für Jahr. "Aber als ich ihm gesagt habe: 'Hör zu, dieses Jahr feiern wir unser zehnjähriges Jubiläum - ich will nach Goodwood', da fragte er: 'Was ist das?', erzählt Komatsu.
"Er wusste wirklich nichts darüber. Ich habe es ihm erklärt, aber am besten wäre es eben, wenn du einfach mitkommst. Und dann hat er zugestimmt", so der Japaner. Doch damit nicht genug: Er fragte ihn, ob er nicht Lust hätte, selbst einmal das Auto zu fahren - den berühmten Hügel hinauf. "Und er hat ja gesagt."
Auch Komatsu selbst fuhr in Goodwood einen Haas VF-24 aus der vergangenen Saison, Gene Haas selbst einen VF-23, nachdem beide in Silverstone einen Shakedown auf gerader Strecke absolviert hatten.
"Ich bin sehr dankbar, dass ich die Gelegenheit hatte, gemeinsam mit Gene zu fahren. Es war großartig, dass Gene tatsächlich selbst gefahren ist - und er hat es wirklich, wirklich genossen", glaubt der Japaner.
Die Schwierigkeiten in Goodwood
Doch die Fahrt war nicht ohne seine Tücken - vor allem nicht für einen, der noch nie zuvor ein Formel-1-Auto bewegt hat. "Natürlich sind sowohl Gene als auch ich langsam gefahren, um auf Nummer sicherzugehen. Aber schon allein aus dem Fahrerlager rauszukommen, ist nicht einfach, weil wir nicht genug Lenkeinschlag haben - und wir machen da ja keine Donuts, oder?", lacht er.
"Du hast doch das Video von Red Bull gesehen, oder? Ich glaube, das war ein Simracer, der direkt in die Heuballen gefahren ist. Genau vor sowas hat man da Angst", meint Komatsu. "Das ist wirklich schwierig, denn der Lenkeinschlag reicht einfach nicht aus."
"Dazu kommt: Man hat nur auf einer Seite ein Kupplungspedal. Wenn du also fertig bist mit dem Lauf, musst du das alles antizipieren, die Hände wechseln, und dann die Kupplung auf der anderen Seite drücken. Das sind zusätzliche Herausforderungen", schildert er.
Doch Haas konnte seinen Run gut meistern und hatte auch abseits des Autos eine gute Zeit in Goodwood: "Er war völlig begeistert, wie ein Kind im Süßwarenladen", lacht Komatsu. "Er ist die ganze Zeit herumgelaufen, hat sich andere Autos angeschaut, Autogramme gegeben, mit Fans gesprochen, Fotos gemacht - er hat das alles richtig genossen."
"Am Ende sagte er: 'Jetzt verstehe ich, warum das so ein großes Ding ist und so viele Leute hierherkommen wollen.'"
Teamgründer taut auf
Und hat es vielleicht auch in Haas drin etwas verändert, dass er jetzt noch mehr hinter seinem Projekt steht?
"Ich denke, er war schon immer sehr engagiert und motiviert. Aber was er jetzt zum ersten Mal erlebt hat, ist diese öffentliche Seite", sagt Komatsu.
"Wie gesagt, er wusste nicht einmal, was Goodwood ist. Und er ist sonst kaum zu sehen, oder? Man sieht ihn nie im Umgang mit euch Journalisten, den Fans oder selbst mit unseren Mechanikern. Er hatte bisher nur mit einer Handvoll Menschen wirklich Kontakt - neun von zehn Mal war ich das", so Komatsu, der den Amerikaner als "zurückhaltenden" Menschen beschreibt.
"Aber ich wusste, dass da viel Begeisterung in ihm steckt, viel Enthusiasmus. Und ich wollte das irgendwie aus ihm herauskitzeln."
Haas: Teil des Teams statt nur stiller Geldgeber?
Und das scheint er geschafft zu haben. Selbst beim Shakedown in Silverstone habe sich Haas nach der Ausfahrt bei allen Mechanikern einzeln bedankt und ihnen die Hände geschüttelt. "Und in Goodwood war es genauso. Das ist doch wirklich schön, oder? Ich habe ihn noch nie so viel lächeln sehen", sagt er.
"Es ist einfach schön, wenn diese Seite von ihm zum Vorschein kommt. Und auch für das ganze Team ist das toll zu sehen. Ich weiß gerade nicht, wann er das nächste Mal zu einem Rennen kommt, aber er hat mit so vielen Leuten gesprochen - Mechanikern, allen möglichen."
"Beim nächsten Mal kennt er Namen und Gesichter, er wird sich wohler fühlen, mit jedem zu sprechen. Ich bin sicher, er fühlt sich jetzt viel stärker als Teil des Teams. Und das ist wirklich wichtig - für ihn selbst und für alle anderen auch."