Warum die Entwicklung der neuen F1-Reifen für 2026 so herausfordernd ist
Pirelli muss harte Arbeit leisten, um die Reifen für die Formel-1-Saison 2026 zu entwickeln - Die neuen Autos bringen neuen Herausforderungen mit sich
(Motorsport-Total.com) - Es ist längst bekannt, dass die Formel 1 im Jahr 2026 ein komplett neues Reglement einführt - doch dieser Umbruch betrifft nicht nur Autos und Motoren. Auch die Reifen werden grundlegend überarbeitet. Die Testarbeit läuft bereits auf Hochtouren - doch warum ist die Entwicklung für Pirelli so kompliziert?
Die Revolution 2026 in der Formel 1 umfasst weit mehr als nur ein neues Fahrzeugkonzept und eine überarbeitete Motorenformel. Auch die Pneus, ein zentrales Element der modernen Formel 1, werden neu gestaltet. George Russell nannte das Zusammenspiel mit den Reifen im vergangenen Jahr treffend "black magic".
Ursprünglich hatte der Automobil-Weltverband FIA für 2026 den Umstieg auf 16-Zoll-Felgen geplant, um Gewicht zu sparen - doch Einheitslieferant Pirelli stellte sich dagegen, unter anderem aus Gründen der Seriennähe. Daher bleibt die Formel 1 auch künftig bei 18-Zoll-Rädern. Allerdings werden die neuen Reifen schmaler ausfallen und einen leicht reduzierten Durchmesser aufweisen, was ebenfalls zur Gewichtseinsparung beitragen soll.
Mule-Cars nicht voll repräsentativ für 2026er-Fahrzeuge
Die Reifen für das kommende Jahr erhalten eine komplett neue Karkasse und neue Mischungen. Die Testarbeit ist bereits im vollen Gange, zuletzt unter anderem mit Aston Martin und Sauber in Silverstone.
Doch die Entwicklung ist komplex - denn Pirelli kann die neuen Reifen nicht auf 2026-spezifischen Fahrzeugen testen, sondern ist auf sogenannte Mule-Cars angewiesen - also modifizierte Fahrzeuge nach aktuellem Reglement, die angepasst wurden, um die Eigenschaften der Autos von 2026 zu simulieren. Pirelli gibt jedoch offen zu, dass diese nicht vollständig repräsentativ sind. Damit gleicht die Entwicklung der 2026er-Reifen in gewisser Weise einem Sprung ins Ungewisse.
"Ich bin mit der bisherigen Entwicklung zufrieden, aber natürlich gibt es viele Fragezeichen. Das hängt in erster Linie mit dem Auto zusammen. Wir nutzen Mule-Cars", erklärt Mario Isola, Leiter von Pirelli Motorsport, im exklusiven Gespräch mit Motorsport.com.
"Die Teams leisten gute Arbeit, um uns ein möglichst repräsentatives Fahrzeug zu geben, aber es sind eben immer noch aktuelle Autos. Das bedeutet: Sie haben ein anderes Aero-Paket und ein anderes Abtriebsniveau. Tatsächlich gehen wir davon aus, dass der Abtrieb aktuell höher ist als das, was wir nächstes Jahr haben werden."
"Das bedeutet wiederum, dass es schwierig für uns ist, eine Mischungsrange zu definieren, die genau auf die Leistungsfähigkeit des Autos abgestimmt ist. Wenn ein Auto die Reifen stärker oder schwächer beansprucht als erwartet, besteht natürlich das Risiko, dass wir zu aggressive oder zu konservative Mischungen wählen - weil wir eben kein klares Bild davon haben, was uns 2026 tatsächlich erwartet."
Ein kalkulierter Sprung ins Ungewisse für 2026?
Dennoch sieht Isola Grund für Optimismus - basierend auf den Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit: "2021 haben wir den 18-Zoll-Reifen entwickelt, und der hat 2022 ziemlich gut funktioniert. Im ersten Jahr mit den neuen Autos waren keine großen Änderungen an den Reifen nötig. Natürlich sind Feinabstimmungen immer notwendig, daher rechne ich auch damit, dass wir 2027 einen etwas anderen Reifen haben werden als 2026", so Isola, der auf ein besseres Verständnis des neuen Reglements nach dem ersten Jahr setzt.
Bis dahin muss Pirelli aber zu einem gewissen Grad eine informierte Prognose abgeben - basierend auf einer Vielzahl von Parametern und Informationsquellen. Die Mule-Cars sind dabei nur ein Baustein - sie allein reichen nicht aus, um verlässliche Schlüsse zu ziehen.
"Wir können uns nicht nur auf die Tests mit den Mule-Cars verlassen. Wir müssen alle Informationen zusammenführen - was auf der Strecke passiert, was die Teamsimulationen über 2026 sagen, unsere virtuellen Modelle und ein thermomechanisches Modell der Reifen", beschreibt Isola die Komplexität. "Das ist also eine riesige Aufgabe für unser Modelling-Team, unsere Entwicklungsabteilung, das Testteam, das Materialteam und viele weitere Bereiche."
Unterschiede bei den Mule-Cars
"Wir haben auch Unterschiede zwischen den Mule-Cars festgestellt - jedes Team bereitet sein Testauto anders vor." Um den geringeren Abtrieb der 2026er-Autos zu simulieren, fahren die Teams mit deutlich weniger Flügel als üblich - doch das ist nicht die einzige Anpassung.
"Nein, es geht nicht nur um die Flügel. Auch die Bodenfreiheit muss angepasst werden, da die neuen Reifen einen geringeren Durchmesser haben. Daher haben die Teams an den Autos einige von der FIA erlaubte Modifikationen vorgenommen, um uns die bestmöglichen Mule-Cars bereitzustellen", so Isola.
"Aber wie gesagt: Es gibt Unterschiede zwischen den Teams. Deshalb ist es für uns sehr nützlich, mit möglichst vielen Teams zu testen, um ein vollständiges Bild zu erhalten - und auch zu sehen, wie sich die einzelnen Mule-Cars unterscheiden."
"Aber um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Insgesamt sind wir mit dem Fortschritt zufrieden und glauben, dass wir 2026 ein gut ausbalanciertes Produkt an den Start bringen können." Die Testarbeit an den 2026er-Reifen geht am 5. und 6. August auf dem Hungaroring weiter. Danach folgen weitere Sessions in Monza, Mugello und Mexiko-Stadt.