Daniel Ricciardo vor Abschied: "Ich weiß nicht, was jetzt passieren wird"
In Singapur fällt am Wochenende aller Voraussicht nach der Vorhang für Formel-1-Karriere von Daniel Ricciardo: So reagiert der Australier auf die jüngsten Gerüchte
(Motorsport-Total.com) - Wie ein Opferlamm zur Schlachtbank schritt Daniel Ricciardo am Donnerstag im Fahrerlager von Singapur, schrieb trotzdem eifrig Autogramme, posierte tapfer für Fotos mit Fans, und machte gute Miene zum bösen Spiel, mit seinem berühmten Grinsen, das man zumindest in der Königsklasse wohl in Zukunft nicht mehr sehen wird.
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Sorgenvolle Miene: Daniel Ricciardo steht vor seinem letzten F1-Rennen Zoom Download
Die Spatzen, in diesem Fall in Person von Ralf Schumacher, pfeifen es bereits von den Dächern: Singapur wird das letzte Formel-1-Rennen für den Australier bei den Racing Bulls. Diese Neuigkeiten hatte der gewöhnlich bestens informierte Sky-Experte im Vorfeld des Rennens ausgeplaudert.
Red-Bull-Talent Liam Lawson wird befördert - und darf Ricciardos Platz nicht erst 2025, sondern direkt nach der anstehenden Herbstpause in Austin übernehmen: "Mir ist bewusst, dass es einiges Gerede und Spekulationen über den Rest der Saison gibt, aber davon weiß ich im Moment nichts", kann Ricciardo am Donnerstag noch keine Aufklärung zu seiner bevorstehenden Demission liefern.
"Die Entscheidung, die ich erwarte, ist für nächstes Jahr", erklärt der Racing-Bull-Pilot, "das ist, wo ich im Moment stehe. Natürlich kann ich nicht zu viele Details verraten, was den Vertrag betrifft, aber terminlich kommen wir jetzt in dieses Fenster. Im Prinzip erwarte ich ein Ja oder Nein für '25".
Der Australier bestätigt damit, dass nach der Deadline vor der Sommerpause, bei der sich die Verantwortlichen von Red Bull für ein Festhalten an den bisherigen Fahrerpaarungen entschieden hatten, also einer Weiterbeschäftigung von Sergio Perez beim A-Team und Ricciardo beim B-Team, nun die nächste ansteht. Was Ricciardo noch nicht sagen kann oder darf: Diesmal ist die Entscheidung offenbar gegen ihn ausgefallen.
"Natürlich sind in diesem Sport schon verrückte Dinge passiert, ich werde also nicht überheblich hier rumstehen und vor Zuversicht strotzen", deutet Ricciardo dann auch selbst an, dass er um den Ernst der Lage weiß. Auf die Frage, ob Singapur sein letztes Rennen ist, antwortet er: "Ich glaube nicht. Aber ich will hier auch nicht stehen, und der Anwalt sein."
Ricciardo: "Ich würde sagen nein. Aber wir wissen auch, wie der Sport funktioniert. Es sind schon davor Leute die Saison nicht zu Ende gefahren, das ist also in gewisser Weise nichts Neues. Ich will also nicht so sein: Oh, zu einhundert Prozent, da verwette ich mein Haus drauf ... dafür bin ich einfach schon zu lange dabei."
Ricciardo grinst: "Wenn ich hier ein Podium hole ..."
Mit Blick auf die bevorstehende Entscheidung sagt der achtfache Grand-Prix-Sieger: "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich weiß wirklich nicht, was jetzt passieren wird." Trotzdem muss Ricciardo kurz grinsen: "Das Verrückte an diesem Sport ist - und das bin jetzt nur ich, wie ich bisschen Mist erzähle - aber, wenn ich hier am Wochenende ein Podium hole, dann bin ich wahrscheinlich wieder die heißeste Aktie im Sport."
Was Ricciardo damit sagen will: "Es kann sich so schnell ändern. Also ja, ich bin mir bewusst, dass sich die Dinge jetzt erhitzen, wenn man so sagen will. Aber ich muss einfach versuchen, meinen Kopf unten zu behalten dieses Wochenende. Und ein paar Arschtritte zu verteilen."
Doch allen kämpferischen Worten zum Trotz, Ricciardos Körpersprache spricht am Donnerstag Bände. Der Routinier gerät nicht nur ob der großen Hitze in Singapur sichtlich ins Schwitzen, bei den vielen bohrenden Nachfragen der anwesenden Reporter: Hat er schon mit Teamchef Christian Horner und Motorsportberater Helmut Marko gesprochen? Was ist jetzt anders als im August? Und wie könnte es nach der Formel 1 weitergehen?
Fragen, auf die Ricciardo entweder ausweichend, oder mit einer bereits durchklingenden Portion Wehmut antwortet: "Ich habe mich definitiv wieder in den Sport zurückverliebt, nach 2022", erklärt der Australier. Die aktuelle Saison habe ihm Spaß gemacht, auch wenn nicht immer die idealen Leistungen oder Ergebnisse rausgesprungen wären, so hätte er doch den Wettbewerb und das Fahren genossen.
Wehmut bei Ricciardo: "Ich habe den Champagner erlebt"
"Aber ich muss mich auch daran erinnern, warum ich zurückgekommen bin? Es ging darum, wieder an die Spitze zu kommen, und das zu genießen. Aber wenn du nicht in den Punkten bist, macht es natürlich weniger Spaß. Ich bin jetzt 35, ich hatte eine Zeit an der Spitze, ich habe den Champagner erlebt. Ich will also nicht etwas nachhängen, das vielleicht nie wieder kommt", erklärt Ricciardo - und klingt dabei wie bei seinem Abschied.
Einem, den nicht wenige im Fahrerlager mit Bedauern aufnehmen würden, wie etwa Weltmeister Max Verstappen. "Daniel ist ein großartiger Typ. Ich denke, er hat sich auch als großartiger Formel-1-Fahrer bewiesen. Und er ist ein Freund von mir", sagt Verstappen am Donnerstag über seinen ehemaligen Red-Bull-Teamkollegen.
"Ich glaube, generell in so einer Position zu sein, ist nie schön", erklärt er mit Blick auf die jüngsten Spekulationen um den Australier: "Aber auf der anderen Seite, er muss sich jetzt auch nicht leidtun. Manchmal klappen Dinge eben nicht so, wie man möchte, in gewissen Phasen der Karriere. Aber du hast immer noch viel mehr erreicht, als irgendjemand anders je in seinem Leben erträumen könnte."
Selbst wenn Singapur Ricciardos Schwanengesang in der Formel 1 sei, so Verstappen, "kannst du immer noch auf etwas zurückblicken, das nicht viele schaffen". In Ricciardos Fall sind das acht Grand-Prix-Siege, darunter der Prestigeerfolg in Monaco 2018, und insgesamt 256 Formel-1-Starts. Am Sonntag dürfte noch ein letzter hinzukommen ...