• 30. April 2024 · 07:33 Uhr

Imola 1994: Warum David Brabham nach Ratzenbergers Tod trotzdem antrat

Als Roland Ratzenberger in Imola 1994 sein Leben verlor, ging sein Teamkollege David Brabham tags darauf trotzdem an den Start und verunfallte beinahe selbst schwer

(Motorsport-Total.com) - Im Laufe der Jahre wurde viel über den Grand Prix von San Marino 1994 geschrieben, aber eine Geschichte wurde selten erzählt. Und sie betrifft den wohl mutigsten Mann in Imola an diesem Wochenende. Die Rede ist von David Brabham.

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David Brabham (im Auto) und Roland Ratzenberger waren 1994 Teamkollegen Zoom Download

Während der Qualifikation am Samstagnachmittag war der Australier am Autowrack seines Simtek-Teamkollegen Roland Ratzenberger vorbei gefahren und am Boden zerstört, als er später erfuhr, dass der Österreicher gestorben war.

"Ich erinnere mich, wie ich um die erste Kurve kam und Teile der Karosserie auf dem Boden liegen sah", erinnert er sich. "Ich dachte sofort, es sei Roland. Als ich dort ankam, war der Krankenwagen schon da. Ich erinnere mich, wie ich zum Auto zurückblickte und sah, wie sein Kopf positioniert war und wie sein Visier aussah."

Präzedenzfall: Brabham entscheidet sich für Rennstart

Brabham war schnell klar, was passiert war: "Es schien kein Leben mehr im Auto zu sein." Die Bestätigung des tragischen Ausgangs kam kurz darauf, und alle im Simtek-Lager verfielen in einen Schockzustand. Oftmals hat sich ein Team unter ähnlichen Umständen von der Veranstaltung des folgenden Tages zurückgezogen.

So war es bereits 1969 mit BMW auf dem Nürburgring (nach dem Tod von Gerhard Mitter), 1970 mit Lotus in Monza (Jochen Rindt), 1973 mit Tyrrell in Watkins Glen (Francois Cevert) und 1982 mit Ferrari in Zolder (Gilles Villeneuve) der Fall.

Doch Brabham schuf einen Präzedenzfall und traf die mutige Entscheidung, am Rennen teilzunehmen, um das trauernde Team aus dem Tief zu holen - nichts ahnend, dass er selbst einen Unfall erleiden würde, der verheerende Folgen hätte haben können.

Noch am Samstagabend hatte Simtek die Frage, ob Brabham ein Rennen fahren sollte oder nicht, offen gelassen. "Um dem Team gegenüber fair zu sein, wusste wohl keiner von uns, was zu tun war", erinnert sich der Australier. "Es sind so viele Emotionen herumgeflogen, die man nicht kontrollieren konnte."

Das Team habe es ihm überlassen, ob er fahren wollte oder nicht. "Meine größte Sorge war natürlich die Sicherheit des Autos", sagt er. An Ratzenbergers Auto hatte sich augenscheinlich der Frontflügel gelöst, obwohl die genaue Ursache nicht klar war.


Fotostrecke: Karriere von Roland Ratzenberger

Es wurde jedoch vermutet, dass sich die Bolzen, die den Frontflügel an der Unterseite der Nase hielten, gelöst haben könnten, möglicherweise als Folge eines Schlags auf die Randsteine. Am Abend arbeitete das Team daran, den Flügel an Brabhams Auto zu modifizieren. Zuvor waren die vier Bolzen einfach verschraubt worden.

Simtek wollte "Auto so sicher wie möglich machen"

Stattdessen wurden größere und längere Bolzen verwendet. Sie gingen durch das Karbon der Nase, auf der anderen Seite wurden Muttern und Unterlegscheiben zusammen mit einer Aluminiumplatte angebracht, um ein Lösen der Bolzen praktisch unmöglich zu machen. Eine weitere Platte wurde unter dem Flügel angebracht.

"Ich hatte das Gefühl, dass wir einfach weißer sein mussten", sagt Brabhams Renningenieur Rod Nelson. "Ich ging zu Charlie Whiting und erklärte, was wir vorhatten. Es war keine Reaktion auf einen Misserfolg, der uns bewusst war. Wir wollten nur das Maximum tun, um dieses Auto so sicher wie möglich zu machen."

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Das Unfallwrack von Ratzenberger war vor allem im vorderen Teil völlig zerstört Zoom Download

Brabham erinnert sich: "Nick Wirth (Teamchef; Anm. d. R.) versicherte mir, dass sie den Frontflügel verstärkt haben, um sicherzustellen, dass es keinerlei Probleme gibt. Und ich sagte, das Einzige, was ich tun kann, ist, das Warm-up zu machen und zu sehen, wie ich mich fühle. Wenn es sich nicht richtig anfühlt, würde ich nicht fahren."

Im Warm-up sei er dann "relativ schnell" gewesen. "Ich weiß nicht, ob sie mich mit leerem Tank rausgeschickt haben oder was auch immer, aber unser Tempo war besser, als es bis dahin gewesen war. Als ich in die Box kam, bemerkte ich, wie sich das Dunkel lichtete, und es fühlte sich an, als hätte sich das Team sich etwas erholt."

"Ich hatte einfach das Gefühl, ich muss dieses Rennen fahren, ich muss für sie fahren, ich muss ihnen helfen, die Situation zu meistern. Und ich hatte das Gefühl, dass dies ein Weg war, um genau das zu erreichen", rekapituliert Brabham seine Entscheidung.

Nach der von Sennas Unfall ausgelösten roten Flagge und dem Neustart lag der Simtek-Pilot auf Platz 17. Da zeigten Fernsehbilder, dass er in Runde 23 in der letzten Kurvenschikane am Streckenrand stand. Ein scheinbar harmloser Ausritt, dessen wahre Geschichte vielen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst war.

Lenkung bricht: "Mit dem Leben davon gekommen"

Denn Brabham hatte tatsächlich einen katastrophalen Lenkdefekt erlitten. Wäre dieser mitten in der schnellen Kurve passiert, hätten die Folgen schrecklich sein können. "Er fuhr direkt auf den Streifen zu, in dem Rubens (Barrichello) am Freitag seinen Unfall hatte, und das Auto fuhr einfach geradeaus", erinnert sich Nelson.

"Er dachte, er hätte den Frontflügel verloren, denn lenkte ein und nichts passierte. Tatsächlich war ein Teilstück der Lenkung gebrochen. Es gab keine Verbindung zwischen der Lenksäule und der Zahnstange. Deshalb war er ziemlich aufgeregt, als er zurückkam."

Laut Brabham brach die Lenkung auf der Geraden: "Wenn so etwas passiert, ist das Gehirn einfach komplett durchgeschmort. Man weiß einfach nicht mehr, was los ist. Das bringt dich an einen ganz anderen Ort... Nicht, dass ich dem Team die Schuld gegeben hätte. Wir waren ein neues Team, und solche Dinge passieren."

Seine Entscheidung, das Rennen anzutreten, bereute er deshalb nicht. "Ich habe es nur getan, weil ich das Team aufbauen musste. Wir haben das Warm-up gemacht, und alle fühlten sich nur ein wenig besser, aber zumindest ging es in die richtige Richtung. Und deshalb bin ich Rennen gefahren", erklärt er seine Intention.

"Aber ich verließ das Wochenende in dem Bewusstsein, dass ich da lebend rausgekommen bin..." Erst Frühjahr 2014 kehrte Brabham in Begleitung von Damon Hill wieder nach Imola zurück, um am 20. Jahrestag der Ereignisse einen Film für Sky zu drehen.

"Es war ein schwerer Tag", räumt Brabham ein. "All diese Emotionen kehren zurück und man beginnt, diese Momente noch einmal zu erleben, und das wirkt sich auf einen aus. Man macht weiter, das Leben passiert so schnell, und es ist lange her."

Doch wenn man an den Ort des Geschehens zurückkehrt, komme alles wieder hoch. "Es verändert sich die Art und Weise, wie man sich fühlt, ohne Zweifel", sagt der heute 54-Jährige, "vor allem, wenn man an der Stelle steht, an der Roland ums Leben kam."

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