Jahr 1 nach Alpine-Erdbeben: "Kontinuität ist jetzt wichtig für uns"

Ist nach der turbulenten Alpine-Saison 2023 endlich Ruhe eingekehrt im Formel-1-Team? Was der Rennstall von Gasly und Ocon tut, um 2024 mehr Stabilität zu haben

(Motorsport-Total.com) - In der Formel-1-Saison 2023 dominierte Alpine mehrfach die Schlagzeilen, aber nicht aus sportlichen Gründen: Personalentscheidungen, Rücktritte und Rauswürfe ließen das französisch-britische Team lange nicht zur Ruhe kommen. Jetzt aber wähnt sich Alpine endlich auf dem richtigen Weg.

Der neue Formel-1-Rennwagen von Alpine für die Saison 2024, der A524

Denn im Gegensatz zur Formel-1-Konkurrenz kann Alpine vor der Saison 2024 mit Kontinuität punkten: Es gibt keinen neuen Teamchef oder strittige Sponsoren und auch vom Fahrerkarussell ist das Team bisher nicht betroffen. "Das ist sehr gut für uns", meint etwa Alpine-Fahrer Esteban Ocon.

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Sein Rennstall brauche eine solche Ruhephase: "So kannst du an den kleinen Details arbeiten. Wir haben jetzt wirklich die Chance, ein starkes Rennteam aufzubauen."

"Wenn es andernorts etwas knirscht, dann nehmen wir das mit. Aber wir konzentrieren uns nicht auf das, was bei anderen vorgeht. Wir müssen unsere Sache perfekt machen, dann werden die Ergebnisse kommen."

Was Alpine anders machen will als die Konkurrenz

Eben diese Ergebnisse soll Bruno Famin als Alpine-Teamchef liefern. Und er sagt frei heraus: "Ich bin noch nicht zufrieden. Wir müssen uns nämlich immer noch in allen Bereichen steigern. Da liegt noch viel Arbeit vor uns, damit wir vorne mitfahren können, denn da wollen wir hin."

Wo genau die großen Alpine-Baustellen zu finden sind, dazu schweigt sich Famin aus. Er macht nur vage Andeutungen: "Es geht um das Personal, um die Organisation, um die Abläufe. Wir müssen agiler werden, und effizienter. Da gibt es also noch viel zu tun in Enstone und in Viry-Chatillon, damit wir dorthin gelangen, wo wir hinwollen. Und wir wollen ein Siegerauto haben."

Im Gegensatz zu anderen Teams aber will sich Alpine keine Expertise einkaufen, sondern stattdessen eigene Talente fördern und "das volle Potenzial der gesamten Belegschaft entfalten", so Famin. Das sei ihm wichtiger als "irgendeinen Topmann von woanders abzuwerben", zumal er "zufrieden" sei mit seinem "talentierten Team" an zwei Standorten.

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Neue Management-Ebene schafft mehr Spielraum

Apropos: Alpine hat in der Winterpause für Enstone (Chassis) und Viry-Chatillon (Antrieb) jeweils neue Standort-Leiter ernannt. Laut Famin ist das ein entscheidender Schritt hin zu mehr Produktivität.

Er erklärt: "Das haben wir gemacht, damit ich mehr Spielraum habe, um Teamchef und Alpine-Vizepräsident für Motorsport zu sein. Bei 24 Rennen ist das eine ziemliche Aufgabe."

"Es braucht einfach jemanden, der täglich vor Ort ist, um das Tagesgeschäft zu überwachen. Ich glaube, das ist eine sehr gute Unterstützung für mich und auch für die Belegschaft in den Werken, damit wir insgesamt schneller vorankommen."

Kleine Verbesserungen im Formel-1-Alltag

Aber kommt Alpine wirklich schneller voran? Ocon wähnt sein Team auf dem "richtigen Weg, um Verbesserungen umzusetzen".

Konkretes Beispiel: die Sitzanpassung. "Das hat dieses Mal nur 20 Minuten gedauert. Ich weiß auf den Millimeter genau, wo ich im Auto sein muss. Das war im vergangenen Jahr noch ganz anders. Da hat es drei Viertel eines Tages gebraucht, bis der Sitz angepasst war. Aber das sind halt die Lektionen, die man von Jahr zu Jahr mitnimmt." Abzuwarten bleibe, ob sich dergleichen "auf der Rennstrecke bezahlt" mache.

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Den wahren ersten Eindruck vermitteln nur echte Testfahrten

Auf den ersten Streckentest mit dem neuen Alpine A524 brennt auch Pierre Gasly und meint: "Ich war viel im Simulator und habe engen Kontakt gehabt zu den Jungs, habe mich auf dem Laufenden gehalten und jeden Entscheidungsprozess genau verfolgt. Wir wissen also ziemlich gut über das neue Auto Bescheid."

Fotostrecke: Formel 1 2024: Der Alpine A524 von Gasly und Ocon

Doch Theorie und Praxis seien zwei Paar Stiefel, betont Gasly. Entscheidend sei die Leistung auf der Rennstrecke. Das sehe er genau wie sein früherer Formel-1-Teamchef Franz Tost.

"Er sagte immer: 'Die Zahlen sind mir eigentlich egal. Ich will die Rundenzeit sehen.' Das finde ich ziemlich gut", so Gasly. "Aber da müssen wir noch geduldig sein und Bahrain abwarten. Dann kriegen wir ein erstes Gefühl für das Auto und sehen, in welchen Bereichen wir uns noch steigern müssen. Ausgehend davon werden wir wissen, was dieses Jahr drin ist für uns."

Als entscheidend empfindet Ocon die Einrichtung einer neuen Gesundheitsabteilung, die dem gesamten Team offenstehe. "Das brauchen wir auch bei inzwischen 24 Rennwochenenden", sagt Ocon. "Da ist es unheimlich wichtig, dass wir bei jedem Rennen zu hundert Prozent da sind."