• 02. November 2023 · 15:59 Uhr

Aston Martin: "Wir haben keinen Fehler im System"

Aston Martin ist das meistverschlechterte Team der Formel-1-Saison 2023, doch Teamchef Mike Krack sieht kein generelles Problem in den Abläufen

(Motorsport-Total.com) - Aston Martin war am Beginn der Formel-1-Saison 2023 die große Überraschung. In jedem der ersten neun Rennwochenenden eroberte das Team mindestens 15 WM-Punkte, mit einem Peak von 27 Punkten (Platz 3 durch Fernando Alonso und Platz 4 durch Lance Stroll) beim Grand Prix von Australien in Melbourne. Doch an den vergangenen sechs Rennwochenenden blieben neun Punkte das absolute Maximum für Aston Martin, neben zwei kompletten Nullrunden in Singapur und Mexiko.

Foto zur News: Aston Martin: "Wir haben keinen Fehler im System"

Fernando Alonso und Aston Martin sind in der Saison 2023 dramatisch zurückgefallen Zoom Download

Zuletzt ist zweimal hintereinander mindestens ein Auto aus der Boxengasse gestartet, weil das Team versucht hat, mehr über seine aktuellen Probleme zu erforschen. Und in zwei aufeinanderfolgenden Rennen ist Alonso wegen eines Unterbodenschadens, der nicht in seinem Einflussbereich lag, ausgeschieden.

In der Zwischenzeit hat Stroll bei fast jedem Rennen wertvolle Trainingszeit durch die eine oder andere Panne verloren. Sein anhaltendes Pech kam im FT2 in Mexiko zum Ausdruck, als eine Vorderradmutter feststeckte.

Die Lösung der alten Schule war, dass ein Mechaniker mit einem Hammer auf die Mutter einschlug, bis sie sich endlich löste. Dieser Vorgang sah so primitiv aus, dass die Crew eine Wand vor der Garage bildete, um zu verhindern, dass die Fernsehkameras das Geschehen in die ganze Welt übertrugen.

"Das war sehr frustrierend", sagt Teamchef Mike Krack. "Manchmal glaubt man wirklich an Murphys Gesetz. Warum ist es immer dieses Auto? Es war eine dumme Sache an der Radmutter, die uns so viel Zeit gekostet hat."

Austin-Update (bisher) ohne große Wirkung

Nachdem Aston Martin bei einigen der ersten Rennen des Jahres 2023 das Verfolgerfeld hinter Red Bull solide angeführt hatte, ist das Team seit der Sommerpause hinter Mercedes, Ferrari und McLaren zurückgefallen.

Noch Mitte September Dritter in der WM-Wertung, ist Alonso nach einer fulminanten ersten Saisonhälfte inzwischen auf den fünften Platz abgerutscht. Er hat sich damit abgefunden, dass er an den nächsten drei Rennwochenenden von Charles Leclerc, Lando Norris und George Russell degradiert werden könnte.

Das für den US-Grand-Prix eingeführte Updatepaket sollte das Team wieder in die Spur bringen und es ihm ermöglichen, im Entwicklungsrennen mitzuhalten. Das Sprintformat in Austin bedeutete jedoch, dass Aston Martin Schwierigkeiten hatte, die Autos im FT1 zu optimieren, und der überarbeitete AMR23 war im F1-Sprint am Samstag so unterdurchschnittlich, dass man es für wert erachtete, am Sonntag mit zwei unterschiedlichen Aerodynamikpaketen und veränderten Fahrwerkseinstellungen aus der Boxengasse zu starten.

Im Hauptrennen kam Alonso gut voran, bevor ein großes Stück des Unterbodens fehlte und es keine andere Möglichkeit gab, als das Rennen zu beenden. In Mexiko kämpfte er das ganze Wochenende, hatte zwei untypische Dreher und gab zu, dass ihm das Vertrauen in das Auto fehlte. Es war ein großer Unterschied zu früher in diesem Jahr, als er und das Team nichts falsch machen konnten.

Krack: Alonsos Aussage stellen wir nicht in Zweifel

"Er hat mehr als 30 Rennen gewonnen, er hat zwei Weltmeisterschaften", sagt Krack über seinen Fahrer. "Und wenn er anfängt, sich so zu drehen, dann stimmt etwas nicht. Ich denke, das ist etwas, das wir uns eingestehen müssen. Er war nicht glücklich mit dem Auto. Und wir müssen ein besseres Auto zur Verfügung stellen. Ich habe das schon einmal bei Lance gesagt, und so ist es auch hier."

"Wir stellen unseren Fahrern kein gutes Auto zur Verfügung, sie sind sozusagen Passagiere, sie können nichts tun. Und das war bei Fernando, glaube ich, von Beginn des Wochenendes an der Fall", sagt Krack.

"Wir haben hier eine technische Übung, die man mit einem sportlichen Wettbewerb verbindet, so einfach ist das. Wir analysieren also unsere Daten, versuchen zu verstehen, in welchen Bereichen wir Schwächen haben, und versuchen, diese zu verbessern."

Mexiko: In Kurve 1 über Trümmerteile gefahren

Alle Hoffnungen, dass Alonso in Mexiko aussagekräftige Daten sammeln könnte, wurden durch einen Schaden zunichte gemacht, den er sich gleich zu Beginn des Rennens zuzog, vermutlich weil er über Teile des Autos von Sergio Perez gefahren war. Wie schon in Austin führte das Problem zu seinem Ausscheiden, da eine Fortsetzung des Rennens wenig erfolgversprechend war.

Anzeige
Aston Martin F1 Team Fanartikel
"Bei dem Zwischenfall in Kurve 1 sind wir wohl über ein paar Trümmerteile gefahren", sagt Krack. "In der Pause überprüften wir die Unterseite des Autos und die Bremsleitungen, aber wir konnten das Problem nicht beheben. Im zweiten Teil des Rennens, nach dem Restart, meldete sich Fernando erneut über Funk und sagte, dass etwas nicht stimmt."

"Wir konnten es in den Daten nicht identifizieren, aber dann zogen wir es aus Sicherheitsgründen vor, das Rennen abzubrechen, denn auch wir konnten im Grunde nirgendwo hin. Es war im Bereich des Unterbodens und der Bremsbelüftung, irgendetwas flog da hinein."

Stroll: Gut für das Selbstvertrauen

Währenddessen startete Stroll zum zweiten Mal mit der älteren Aeroversion aus der Boxengasse. Offenbar eine gute Wahl, denn er schob sich in der Startaufstellung nach vorn und zog bald am kämpfenden Alonso vorbei.

"Ich denke, dass Lance in Austin einen guten Schub für sein Selbstvertrauen bekommen hat", sagt Krack. "Und er war wirklich die ganze Zeit über voll dabei. Außerdem hatte er heute Geburtstag. Das hat ihn vielleicht ein bisschen zusätzlich motiviert!"

"Aber ich denke, man konnte sehen, dass es harte Arbeit ist. Er verlor das DRS wegen Bottas und kam Schritt für Schritt wieder zurück, um zu versuchen, näher heranzukommen. Aber er hat nie aufgegeben. Das ist meiner Meinung nach sehr beeindruckend."

"Er hat wirklich versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Es gab immer noch einen Punkt zu holen in dieser ganzen Meute mit Nico, den Alpines und Bottas. Und er hat versucht, ihn zu bekommen, und war auf dem besten Weg, ihn zu bekommen."

Allerdings endete der Versuch mit einer Berührung mit Bottas und einem Dreher von Stroll, der an die Box zurückkehrte und ausschied. "Wir hatten einen Reifenschaden", erklärt Krack. "Ihn zu wechseln und wieder rauszufahren, hätte uns nichts gebracht. Also haben wir beschlossen, aufzuhören."

Aston Martin stellte also zwei an den Flügeln beschädigte, aber ansonsten mechanisch gesunde Autos an einem Nachmittag ab, was das Team nicht gern macht. Krack relativiert: "Nun, gesund waren sie nicht mehr. Sie konnten laufen, sagen wir es mal so. Niemand will das tun. Aber im Rennsport hat man manchmal solche Tage."

Starts aus der Boxengasse erfolgen nicht freiwillig

Auch der Start aus der Boxenausfahrt bereitet dem Team keinen Spaß. Doch im Moment ist es ein notwendiges Übel, vor allem, weil die Sprints die Zeit für Experimente an Rennwochenenden reduzieren.

"Wir starten nicht gern aus der Boxengasse, weil wir gute Starts haben", sagt Krack. "Aber wir hatten in Austin recht gute Ergebnisse mit den Upgrades. Und hier waren wir weniger konkurrenzfähig, als wir erwartet hatten."

"Mexiko ist auch sehr speziell, es liegt in großer Höhe und ist sehr auf niedrige Geschwindigkeiten ausgelegt. Um besser zu verstehen, warum das passiert ist, haben wir beschlossen, mit Lance auf eine andere Spezifikation zurückzugreifen. Noch einmal: Das tun wir nicht gern. Aber im Interesse des Fortschritts und eines wettbewerbsfähigen AMR24 haben wir gesagt, dass wir so viel wie möglich lernen werden."

Wurden also Lehren gezogen, indem man mit Stroll einen Schritt zurück zum älteren Aeropaket machte? "Ich denke, Lance hatte heute Nachmittag ein schnelleres Auto als Fernando", sagt Krack. "Obwohl wir vorsichtig sein müssen, weil wir nicht sicher sind, dass Fernandos Auto in einem sehr guten Zustand war, wie ich erklärt habe. Das macht die Sache ein wenig komplizierter. Was wir aber definitiv sagen können, ist, dass die Leistung von Lance besser war als gestern."

Brasilien: Erneut ein Sprint-Rennwochenende

Nun geht es zu einem weiteren F1-Sprint in Brasilien, wo das Team erneut nur das FT1 zur Verfügung hat, um die Autos zu optimieren. Da für das Wochenende Regen vorhergesagt ist, könnte es ein weiteres schwieriges Rennen für das Team werden.

"Wir haben noch keine Entscheidung über die Spezifikation für Brasilien getroffen", so Krack. "Wir werden die Daten und Analysen durchgehen und eine Spezifikation festlegen, von der wir überzeugt sind. Wir werden kein übermäßiges Risiko eingehen, wenn man bedenkt, dass wir nur eine Session haben, die durch das Wetter wirklich verdorben werden könnte."

Von außen betrachtet könnte das Hin- und Herspringen zwischen den Paketen und den Starts in der Boxengasse den Eindruck erwecken, dass sich das Team einfach verirrt hat und nicht weiß, was am besten funktioniert.

Krack betont: "Kein Fehler im System"

Krack besteht jedoch drauf, dass hinter den Experimenten vernünftige Überlegungen stecken. Es gehe nur um das Sammeln von Daten und das Ausrechnen von Zahlen, die zu einer logischen Schlussfolgerung führen werden.

"Ich glaube, wenn man nicht weiter weiß, dann würfelt man und probiert Dinge aus, die nicht vernünftig sind", sagt er. "Und das war nicht der Fall. Ich meine, wir haben ganz gezielte technische Diskussionen geführt und Optionen gegeneinander abgewogen. Aber wir haben keinen Fehler im System."

"Und während wir Rennen fahren wollen, wollen wir nicht von der Boxengasse aus starten. Es ist sehr wichtig, dass wir die Ergebnisse verstehen, die wir in den Daten haben, und dann müssen wir manchmal auch solche pragmatischen Entscheidungen treffen. Das ist nicht einfach, aber ich denke, es ist der richtige Weg, um voranzukommen."

"Die Autos sind komplex, und man versucht ständig, sie zu verbessern. Im Rennen in Austin waren wir, glaube ich, recht zufrieden damit, wie es lief. Und alles funktionierte auch so, wie wir es erwartet hatten. Aber dann kommt man hierher und ist nicht da, wo man sein sollte, oder das Auto tut nicht das, was man von ihm erwartet."

"Das ist etwas, das man herausfinden muss, denn es wird andere Strecken mit niedrigeren Geschwindigkeiten oder anderen Eigenschaften geben. Es ist also wichtig, dass man versteht, was man tut. Und die beste Lösung ist, wenn man auf etwas zurückgreift, das man kennt, und mit etwas vergleicht, das man kennt. Ich denke, das ist aus technischer Sicht immer der beste Ansatz."

Krack: Auch andere Teams hatten Probleme

Krack weist drauf hin, dass auch die konkurrierenden Teams am Mexiko-Wochenende zeitweise damit zu kämpfen hatten, ihre Autos auf einer Strecke zu optimieren, die ihre ganz eigenen Tücken hat: "Wenn man von Austin hierher kommt, ist das nicht so einfach. Wir haben gesehen, wie die Alpines gestern zu kämpfen hatten, wir haben gesehen, wie der Ferrari bis zum FT3 zu kämpfen hatte."

"Und wir hatten andere Autos, die sehr weit vorn waren. Es ist also keine leichte Aufgabe, alles zu verstehen, wie sich die Strecke entwickelt, wie sich die Bedingungen ändern, wenn man Upgrades bringt. Und das braucht Zeit und Analysen."

Wie Krack anmerkt, hat sich das Team noch nicht entschieden, welche Aerodynamik in Brasilien zum Einsatz kommen soll. Manchmal zögern die Ingenieure, zu einer früheren Version zurückzukehren, weil sie darauf vertrauen, dass die neueste Version gut sein wird. Krack betont, dass es diesbezüglich keine Einschränkungen gibt.

"Nein, wir sind wirklich ein großartiges Team für so etwas", beteuert er. "Wir sind aufgeschlossen, die Leute arbeiten sehr, sehr gut zusammen. Zurück in der Missionskontrolle, zurück in allen Bereichen, die Daten analysieren, und wir bleiben bei den Fakten. Es gibt niemanden, der stolz ist - Stolz steht uns hier nicht im Weg."

Lawrence Stroll: Verliert er die Lust?

Die derzeitige Enttäuschung im Lager ist das Spiegelbild der Aufregung zu Beginn des Jahres, als alles besser lief als erwartet. Es ist leicht zu vergessen, dass die Mannschaft 2022 noch Siebter in der Konstrukteurs-WM und der Sprung über den Winter enorm war.

Diesen Schwung in die Saison mit einem Team mit so vielen neuen Leuten und Prozessen mitzunehmen, gegen Teams wie Ferrari und Mercedes, die eine so große Stärke in der Tiefe haben, war nie einfach.

Eigentümer Lawrence Stroll hat viel in die richtigen Leute und in die neue Anlage in Silverstone investiert, und es ist verständlich, dass er bessere Ergebnisse sehen möchte. "Lawrence ist nicht glücklich", gibt Krack zu. "Aber wir sind auch nicht glücklich. Niemand ist glücklich."

"Wenn man so einen tollen Saisonstart hat und dann die Konkurrenzfähigkeit verliert, ist niemand glücklich. Aber wir brauchen ihn nicht, um uns das zu sagen. Wir sind ein starkes Team, und wir müssen zusammenarbeiten und offen sein, um aus dieser Situation herauszukommen. Aber wie ich schon sagte: Wir sind nicht zu stolz, um Entscheidungen zu treffen."

Fotos & Fotostrecken
Foto zur News: Pirelli-Reifentests in Fiorano 2024
Pirelli-Reifentests in Fiorano 2024
Foto zur News: Miami: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion
Miami: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion

Foto zur News: Alle Sieger von Sprintrennen in der Formel 1
Alle Sieger von Sprintrennen in der Formel 1

Foto zur News: F1: Grand Prix von Miami 2024
F1: Grand Prix von Miami 2024
Sonntag

Foto zur News: Formel-1-Fahrer mit mindestens sechs Polepositions in Serie
Formel-1-Fahrer mit mindestens sechs Polepositions in Serie
Folge Formel1.de
Formel1.de auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!

formel-1-countdown
Monaco Grand Prix 2024 Formel-1 Tickets kaufen