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Nürburgring 1999: Als Ralf Schumacher aus Michaels Schatten trat
Der Große Preis von Europa 1999 erzählte viele Geschichten - Eine davon ist die von Ralf Schumacher, der für seinen beherzten Auftritt am Ende nicht belohnt wurde
(Motorsport-Total.com) - Beim Namen Schumacher denken die meisten Formel-1-Fans zuerst an Rekordweltmeister Michael. Mit sieben WM-Titeln und 91 Siegen ist er bis heute der erfolgreichste Formel-1-Pilot aller Zeiten. Dabei kommt auch sein jüngerer Bruder Ralf auf stolze sechs Grand-Prix-Siege. Und als Michael 1999 am Nürburgring verletzt ausfiel, trat Ralf erstmals aus dessen Schatten.
© Motorsport Images
Ralf Schumacher fuhr 1999 auf dem Nürburgring eines seiner besten Rennen Zoom Download
Der Große Preis von Europa 1999 dürfte vielen Fans noch gut in Erinnerung sein - und das nicht nur deshalb, weil die Formel 1 das Rennen in dieser Woche noch einmal in voller Länge auf ihren Social-Media-Kanälen wiederholt hat. Im Verlauf der gut 1,5 Stunden gab es mehrere Wetterwechsel, fünf Spitzenreiter und mehrere Zwischenfälle, viele davon ganz vorne im Feld.
Am Ende feierte Johnny Herbert in einem völlig chaotischen Rennen seinen dritten und letzten Formel-1-Sieg und schenkte gleichzeitig dem Stewart-Team seinen ersten Sieg in der Königsklasse überhaupt. Rubens Barrichello machte das Doppelpodium als Dritter perfekt. Ein großer Erfolg und ein toller Abschied für Jackie Stewart, bevor das Team im Jahr 2000 zu Jaguar wurde.
1999 ein entscheidendes Jahr für Ralf Schumacher
Doch es war gleichzeitig auch das Rennen, in dem Ralf Schumacher ganz dicht vor seinem ersten Grand-Prix-Sieg stand. Auch wenn er am Ende nur Vierter wurde, war er in der Wahrnehmung vieler Zuschauer plötzlich mehr als nur "Michaels Bruder". Ralf war an jenem Wochenende der einzige Schumacher im Feld, weil Michael nach seinem Beinbruch in Silverstone noch immer ausfiel.
Schon zwei Wochen zuvor hatte er hinter Landsmann Heinz-Harald Frentzen im Jordan in Monza einen starken zweiten Platz geholt. Das sollte in jenem Jahr das beste Ergebnis für Williams sein. Für Schumacher war das Jahr 1999 der Durchbruch, nachdem er nach zwei Jahren bei Jordan zu Williams gewechselt war. Das Paket war nicht das beste, doch intern fuhr er seinem Teamkollegen Alex Zanardi um die Ohren.
Das Teamduell gegen den zweimaligen CART-Champion gewann Schumacher am Ende des Jahres mit 35:0 Punkten. "Das einzige Gute am Auto war das Design", erinnerte sich Schumacher im vergangenen Jahr im Podcast 'Beyond The Grid' zurück. "Es war ein schwieriges Jahr. Als ich zum Team kam, war das schon klar. Es war ein 'besonderes' Auto", so Schumacher.
Obwohl er die Limitierungen des Williams FW21 kannte, machten sich sowohl Schumacher als auch Frentzen auf dem Nürburgring Hoffnungen darauf, der erst zweite deutsche Fahrer zu werden, der ein Formel-1-Rennen in Deutschland gewinnen konnte. Als erstem Fahrer war das Michael 1995 in Hockenheim gelungen. Für Ralf war es zudem eine Chance, aus dem Schatten seines Bruders zu treten.
Zwei deutsche Hoffnungsträger vorne dabei
"Er war ein sehr talentierter Fahrer, aber natürlich lebte er in Michaels Schatten. Für ihn persönlich muss das hart gewesen sein, aber er kannte es vermutlich nicht anders", erinnerte sich Sam Michael, der 1998 bei Jordan Ralfs Renningenieur war, in diesem Jahr in einem Interview mit 'Autosport'. Später bei Williams arbeiteten die beiden noch einmal zusammen.
"Mit einem Wechsel von Jordan zu Williams wurde es viel ernster. Bei Jordan übertrafen wir mit einem geringeren Budget die Erwartungen, weshalb es eine tolle Zeit war. Aber bei Williams waren die Erwartungen viel höher. Schon an der Fabrik sah man, welche Erwartungen das Team hatte. Aber Ralf passte sich da ganz gut an. Er war noch immer sehr jung", so Michael.
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Im nassen Qualifying am Samstag lag Schumacher zwischenzeitlich an der Spitze, fiel aber in den letzten Minuten noch hinter die McLaren-Piloten David Coulthard und Mika Häkkinen zurück. Frentzen schnappte sich - sehr zur Freude der Zuschauer - ganz spät sogar noch die Pole und warf Schumacher auf Rang vier zurück. Der war mit der Ausgangsposition aber trotzdem zufrieden.
Im Rennen selbst kam sofort nach dem Start das Safety-Car zum Einsatz. Pedro Diniz hatte sich überschlagen, und an seinem Sauber hatte der Überrollbügel versagt. Glücklicherweise blieb er unverletzt. Beim Neustart am Ende von Runde sechs bestand das Führungsquartett aus Frentzen, Häkkinen, Coulthard und Schumacher. Die vier Piloten konnten sich vom Rest des Feldes absetzen.
Schumacher bekommt die Führung geschenkt
Schumacher machte Druck auf die McLaren-Fahrer, als Wolken über der Eifel aufzogen. Nach einem gescheiterten Versuch schnappte er sich Coulthard schließlich vor Kurve 1. Den zweiten Platz bekam er anschließend geschenkt, weil Häkkinen eine Runde später auf Regenreifen wechselte und zurückfiel. Coulthard machte währenddessen einen Fehler, und Schumacher konnte sich darauf konzentrieren, Frentzen zu jagen.
Das Wetter war wechselhaft, und Schumacher kam zu seinem ersten Stopp. Dadurch verlor er zwar den zweiten Platz wieder an Coulthard, doch Häkkinen spielte mittlerweile keine Rolle mehr, weil er sich bei der Reifenwahl verzockt hatte. Schumacher war somit mindestens auf Podestkurs. Am Ende von Runde 32 kamen die beiden Führenden, Frentzen und Coulthard, gemeinsam zum Service.
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Anschließend zerschlugen sich Frentzens Träume. Der Jordan-Pilot kam als Führender aus der Box, rollte allerdings direkt danach mit einem Elektronikproblem aus. Die Hoffnungen der Fans ruhten nun einzig auf Schumacher. Der lag nach den Boxenstopps ein paar Sekunden hinter Coulthard, dem neuen Führenden, doch der Silberpfeil - und somit der Sieg - waren in Reichweite.
Als der Regen zum zweiten Mal einsetzte, konnte Coulthard seinen Vorsprung auf fast zehn Sekunden ausbauen. Beide Piloten zockten, blieben draußen und wechselten nicht auf Regenreifen. Als der Regen wieder etwas nachließ, war Coulthard das nächste Opfer des verrückten Rennens. Er rutschte von der Strecke, schlug in die Reifenstapel rein und war damit ebenfalls raus.
Ein Reifenschaden als Ende aller Träume
Damit lag Schumacher in Führung und mehr als 15 Sekunden vor dem Rest des Feldes. Ein Fehler von Giancarlo Fisichella, der im Benetton auf Rang zwei lag, ließ seinen Vorsprung noch einmal um zehn Sekunden anwachsen. Ohne Fehler im letzten Renndrittel schien Schumacher der Sieg kaum noch zu nehmen zu sein. Bei seinem zweiten - und planmäßig letzten - Stopp in Runde 44 wechselte er ein weiteres Mal auf Slicks.
Er kam hinter Fisichella und Herbert wieder raus, doch der Stewart-Pilot kam drei Runden später selbst noch einmal zum Service, um auf der abgetrockneten Strecke zurück auf Trockenreifen zu wechseln. Fisichella dagegen versuchte, mit nur einem Stopp durchzukommen. Schumacher hätte ihn also auf der Strecke überholen müssen. Doch das Problem löste sich von selbst.
Der Italiener drehte sich, schied aus, und somit lag Schumacher ein weiteres Mal ohne eigenes Zutun in Führung. Sein Vorsprung auf den Rest des Feldes: mehr als 20 Sekunden. Doch seine Führung sollte nur kurz andauern. Im ersten Sektor zog er sich hinten rechts einen Reifenschaden zu. Das bedeutete, dass er auf dem Weg zur Box fast den kompletten Kurs noch einmal im Schneckentempo umrunden musste.
Der Traum vom Sieg war damit begraben. Schumacher konnte das Rennen zwar beenden, doch sein vierter Platz war anschließend nicht mehr als Schadensbegrenzung. "Ich denke, dass ich heute eine gute Möglichkeit auf das Podium knapp verpasst habe", sagte er damals. "Natürlich sind drei Punkte gut. Aber ich muss die ganze Zeit daran denken, dass es auch zehn hätten sein können."
Irgendetwas kam fast immer dazwischen ...
Immerhin zeigte Schumacher mit seiner Vorstellung, dass er ein künftiger Grand-Prix-Sieger war. Hätte er damals gewonnen, wäre er mit 24 Jahren der sechstjüngste Sieger der Formel-1-Geschichte geworden - nur knapp hinter seinem Bruder. Stattdessen sollte es noch mehr als 1,5 Jahre dauern, bevor er 2001 in Imola erstmals auf die oberste Stufe des Podiums steigen durfte.
Fünf weitere Siege holte Schumacher in der Formel 1 danach noch - darunter Back-to-Back-Erfolge 2003 auf dem Nürburgring und in Magny-Cours, was ihn sogar in eine Position brachte, in Richtung WM-Titel blicken zu können. Doch diese kurze Hoffnung musste er nach zwei Nullnummern bei den folgenden Rennen in Silverstone in Hockenheim und später nach einem Test-Crash in Monza schnell wieder begraben.
Schumacher musste damals ein Rennen auslassen, und 2004 kam es noch schlimmer, als er nach einem schweren Unfall in Indianapolis sogar gleich sechs weitere Rennen verpasste. Anschließend wechselte er zu Toyota, wo er in den folgenden Jahren nicht mehr das Material hatte, ganz vorne mitzukämpfen. Lediglich dreimal stand er in den letzten drei Jahren seiner Karriere noch auf dem Formel-1-Podium.
Dieser eine Sonntag auf dem Nürburgring im Jahr 1999 ist damit in gewisser Hinsicht auch stellvertretend für die gesamte Formel-1-Karriere von Ralf Schumacher: Irgendetwas ist ihm im entscheidenden Moment fast immer in die Quere gekommen.