• 25. April 2018 · 18:42 Uhr

Hintergrund: Wieso die Temperaturen die Formel 1 entscheiden

Der Grand Prix in Baku wechselt dieses Jahr aus der Hitze im Juni auf einen neuen, kühleren April-Termin: Was diese Temperaturveränderungen für die Teams bedeuten

(Motorsport-Total.com) - Vielen von uns werden minimale Temperaturveränderungen nicht auffallen. In der Formel 1 haben jedoch selbst kleine Anstiege oder Rückgänge von nur ein oder zwei Grad einen beträchtlichen Einfluss darauf, wie die Teams ein Rennen oder eine Session angehen.

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In der Formel 1 spielen zwei Temperaturen eine entscheidende Rolle: die Luft- und die Streckentemperatur. Obwohl beide miteinander verbunden sind, sind sie nicht identisch. Ein Beispiel: An einem wunderschönen, sonnigen Tag steigen sowohl die Luft- als auch die Streckentemperatur an. Sobald sich Wolken bilden, fällt die Lufttemperatur sofort wieder ab. Die Streckentemperatur bleibt jedoch länger bestehen und kühlt nur langsam ab.

Abhängig von den Materialien, aus denen die Oberfläche besteht, heizen sich Strecken schneller oder langsamer auf. Wenn die Streckenoberfläche aus vielen Bitumen besteht, ist sie dunkler. Dadurch absorbiert sie mehr Sonnenlicht und heizt sich schneller auf.

Reifenfenster: So wirken sich die Temperaturen aus

Temperaturunterschiede wirken sich auf viele Teile des Autos aus, aber den größten Einfluss nehmen sie normalerweise auf die Reifen. Die Streckentemperatur beeinflusst, wie heiß die Reifen werden, was wiederum einen Einfluss auf das Grip-Niveau sowie die Abbaurate nimmt.

Formel-1-Reifen besitzen ein sehr enges Funktionsfenster, also den optimalen Punkt, an dem sie mit Blick auf das Grip-Niveau die beste Performance bieten. Unter diesem Fenster produzieren sie nicht das gleiche Niveau an mechanischem Grip oder Performance, darüber kann die Performance abfallen und der Reifenabrieb zunehmen. Wenn das optimale Funktionsfenster für die Reifen nur um ein paar Grad verpasst wird, kann das eine Zehntelsekunde an Rundenzeit kosten.

Da die Vorder- und Hinterreifen nicht bei den gleichen Temperaturen funktionieren, beeinflusst eine Veränderung der Streckentemperatur sie unterschiedlich und erhöht oder verringert ihr Grip-Niveau ungleichmäßig. Schwankende Streckentemperaturen nehmen deshalb auch Einfluss auf die Fahrzeugbalance. Aus diesem Grund verändern die Teams regelmäßig das Fahrzeug-Set-up, um auf diese Veränderungen zu reagieren.

Fahrer haben Einfluss auf Reifentemperatur

Aber nicht nur die Teams reagieren auf diese Veränderungen, sondern auch die Fahrer. Auch ihr Fahrstil hat einen Einfluss auf die Reifentemperatur. Die Fahrer pushen härter, wenn sie die Reifen aufheizen wollen, besonders in schnellen Kurven.

Wenn sich die Streckentemperatur während eines Rennens stark verändert, stehen den Fahrern mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Sie können nicht nur beeinflussen, wie stark sie die Reifen rannehmen, sondern auch ihre Fahrlinie verändern, um diese besser an die Balance des Autos anzupassen. Sie können aber auch das Differenzial - also den Betrag an Drehmomentübertragung zwischen den Hinterrädern - oder die Bremsbalance nach vorne oder nach hinten verstellen.

Wie sich die Lufttemperatur auswirkt

Während die Reifen vor allem durch die Streckentemperatur beeinflusst werden, nimmt die Lufttemperatur mehr Einfluss auf die Bremsen, die Kühlung und die Antriebseinheit. Deshalb überwachen die Teams ständig die Luft- und Streckentemperatur sowie die Temperaturen der Fahrzeugkomponenten. So können die Teams verfolgen, wie sich diese Komponenten im Verlauf einer Session oder des Rennens entwickeln oder verändern.

Temperaturschwankungen verändern den Kühlbedarf, der notwendig ist, um die Antriebseinheit innerhalb des optimalen Fensters zu halten und den Teams den bestmöglichen Leistungs-Output zu bieten. Wenn die Umgebungstemperatur sehr heiß ist, wird mehr Luftfluss benötigt, um die optimalen Temperaturen zu erreichen. Entsprechend öffnen die Teams das Bodywork des Autos, um den Luftfluss durch die Kühler zu erhöhen.

Die Teams können an einem Rennwochenende verschiedene Konfigurationen der Kühlung einsetzen, um sich an die erwarteten Bedingungen anzupassen. Das gilt besonders an Rennwochenenden wie in Bahrain, an denen Sessions sowohl bei heißen Tagestemperaturen als auch bei kühleren Temperaturen am Abend stattfinden.

Schwankungen als Herkulesaufgabe

Etwas kniffliger wird es, wenn sich die Bedingungen am Samstag und Sonntag stark voneinander unterscheiden. Denn das Reglement erlaubt zwischen dem Qualifying und dem Rennen keine Veränderungen an den Autos.

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In China war es am Renntag deutlich heißer als im Qualifying Zoom Download

Selbst ohne eine Veränderung bei den Temperaturen ist die Fahrzeugabstimmung am Samstag immer eine Balance zwischen der Performance auf einer Runde sowie der Wettbewerbsfähigkeit im Rennen. Ein aggressives Set-up mag für ein großartiges Grip-Niveau auf einer Runde im Qualifying sorgen, gleichzeitig kann es aber auch den Reifenabbau im Rennen erhöhen. Entsprechend müssen die Teams einen Kompromiss finden.

Wenn wie am vergangenen Wochenende in China von Samstag auf Sonntag eine Temperaturveränderung vorhergesagt wird, erhöht das die Herausforderung für die Teams noch einmal, da sie bei der Vorbereitung des Autos für das Qualifying am Samstag immer die Bedingungen am Sonntag im Hinterkopf haben müssen.

Wie sich Fahrer für hohe Temperaturen rüsten

Abgesehen vom Einfluss der Temperaturen auf bestimmte Fahrzeugteile haben diese natürlich auch einen körperlichen Einfluss auf die Fahrer. Die Piloten mögen zwar unglaublich fitte Athleten sein, die sich stark auf ihr Training konzentrieren, aber ein Formel-1-Auto zu fahren ist eine physisch sehr anstrengende Aufgabe. Entsprechend können sie während eines Rennens durch Flüssigkeitsverlust rund ein Kilo ihres Körpergewichts einbüßen.

Dieser Wert nimmt bei höheren Temperaturen zu, weshalb ihre Flüssigkeitszunahme durch Trinken davon abhängt, wie warm oder kalt es ist. Jeder Fahrer hat ein Trinksystem in seinem Auto, das ihm bis zu einem Liter an Flüssigkeiten während des Rennens zur Verfügung stellen kann.

Wenn wir uns nun das kommende Rennwochenende ansehen, bringt der neue Termin eine interessante Herausforderung mit sich: Der Terminwechsel von Ende Juni auf Ende April bedeutet, dass die Bedingungen beim Großen Preis von Aserbaidschan deutlich anders sein werden als im Vorjahr. Der Unterschied bei den Durchschnittstemperaturen kann in Baku zwischen April und Juni rund zehn Grad ausmachen, was für Formel-1-Autos einen erheblichen Schritt darstellt.

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