• 05. Juli 2016 · 14:49 Uhr

1985: Ein Großbritannien-Grand-Prix für die Ewigkeit

"Menschliches Versagen" der Rennleitung, technische Gebrechen bei Lotus-Renault und dominanter Sieg von Alain Prost (McLaren): Extrem schnelles Silverstone 1985

(Motorsport-Total.com) - Silverstone, bekannt als das "Home of British Motor Racing" ist eine Legende. Als ehemaliges Flugfeld des Militärs war die Anlage seit dem ersten Formel-1-WM-Lauf im Jahr 1950 vor allem für Attacke bekannt. Die Rennstrecke in Northamptonshire war über viele Jahrzehnte das schnellste, was die Königsklasse zu bieten hatte - schneller als Monza oder der alte Österreichring. Erst der Umbau 1991 stutzte den fliegenden Formel-1-Kisten die Flügel. 1985 war die Highspeed-Welt jedoch noch in Ordnung.

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Unangefochtener Sieger eines zu kurzen Silverstone-Grand-Prix 1985: Alain Prost Zoom Download

Der Grand Prix von Großbritannien, der damals im jährlichen Wechsel zwischen Brands Hatch und Silverstone hin und her wanderte, förderte die Vorzüge der damaligen "Turbo-Monster" deutlichst zutage. Wie schnell die Jagd durch Copse, Maggotts, Becketts und Stowe damals war, wurde anhand der Qualifyingrunde von Keke Rosberg erkennbar. Der Finne prügelte seinen Williams-Honda in 1:05.591 Minuten über die 4,7 Kilometer. Der Rundenschnitt von 259 km/h sollte 17 Jahre lang nicht zu schlagen sein.

Der Grand Prix von Großbritannien 1985 in Silverstone war von Tempo bestimmt - und zwar an allen Fronten. Auch die Rennleitung war schneller als es die Regeln eigentlich erlaubten. Ein Skandal, der hitzige Diskussionen, drastische Unterstellungen und wilde Theorien entfachte. Aber der Reihe nach: Am Sieg des dominant auftretenden Alain Prost, der in jenem Jahr seinen ersten von insgesamt vier Formel-1-Titeln holen sollte, änderte dieser kuriose Zwischenfall ohnehin nichts.

Die Ausgangslage: BMW ist plötzlich bei der Musik

Vor der Anreise nach Großbritannien hatte Nelson Piquet im Grand Prix von Frankreich für große Erleichterung im Lager von BMW gesorgt. Der Brasilianer setzte sich in Le Castellet gegen die starke Konkurrenz von Williams-Honda, McLaren-TAG (Porsche), Ferrari, Lotus und Renault durch und bewies dabei, dass der Vierzylinder-Turbo von BMW (Baureihe M12) im Heck des Brabham auch mal Standfestigkeit zeigen kann.

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Die schnellste Qualifyingrunde zur damaligen Zeit: Keke Rosberg im Williams Zoom Download

"Wir trauten uns in München kaum noch in den Fahrstuhl, weil uns die eigenen Leute immer ganz schief angeschaut haben", wurde damals ein BMW-Formel-1-Mann zitiert. Nun war also die Welt vor dem Grand Prix von Großbritannien 1985 wieder in Ordnung - und die Hoffnungen für den Ritt auf der Highspeed-Strecke von Silverstone entsprechend groß. Auch in England hielten die M12-Treibsätze durch. Piquet holte Rang vier, Teamkollege Marc Surer als Sechster seinen ersten WM-Punkt für Brabham.

Vor dem Hintergrund des damaligen Spritspar-Zwangs (maximal 220 Liter im Tank) waren die ausgereifteren und teils effizienteren Motoren von Honda, Renault und Porsche im Vorteil. Die pure Kraft des Hondas hatte Rosberg im Qualifyingtrimm nachhaltig dargestellt, in der ersten Rennphase zeigte er zusammen mit Williams-Teamkollege Nigel Mansell eine ordentliche Leistung, aber ein Auspuffdefekt (Rosberg) und ein Kupplungsschaden (Mansell) ließen das Team aus Grove beim Heimspiel leer ausgehen.

Silverstone-Jagd der ganz Großen: Senna vs. Prost

Im Qualifying waren die beiden McLaren-Honda von Alain Prost (3.) und dem amtierenden Champion Niki Lauda (10.) unter Wert geschlagen worden, doch am Renntag war die Leistung wieder entsprechend. "Ihr werdet es sehen. Am Sonntag können wir etwas leisten", hatte der Österreicher versprochen. Und so kam es: Im Warmup lagen die beiden McLaren-TAG/Porsche MP4/2B in Front, Lauda holte im Rennen nach einem mäßigen Start auf und Prost lieferte sich an der Spitze ein Duell der Giganten der Formel-1-Historie.

Mit einem Blitzstart hatte sich Ayrton Senna (Lotus-Renault) nach dem Start sofort von Rang vier an die Spitze geschoben, dahinter nahm Prost seine typische Lauerstellung ein. Etwas ungehalten wurde der Franzose, als ihn der Italiener Andrea de Cesaris im Ligier überholte. "An dem musste ich vorbei, denn bei ihm weiß man nie", kommentierte der spätere Champion nach dem Rennen. De Cesaris war damals für gewisse Blackouts mit Unfallfolge bekannt.


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Großbritannien

Prost begab sich schnell wieder auf die sichere Seite des Ligiers. Vorn hatte sich Senna bis zu jenem Zeitpunkt nicht entscheidend absetzen können. Der Franzose kam mit seinem aerodynamisch überlegenen McLaren schnell bis ans Heck des Lotus und blieb dort viele Runden lang in der typischen Warteposition. In Runde 58 des ursprünglich auf 66 Umläufe ausgelegten Rennens schlug Prost gnadenlos zu. Er hatte sich seinen Treibstoff und die Reifen besser eingeteilt, drehte den Ladedruck hoch und ließ Senna stehen.

Für den Brasilianer war zwei Runden später endgültig Schluss. Ein Fehler in der Elektronik sorgte dafür, dass viel zu viel Benzin in den Renault-Motor eingespritzt wurde - er rollte aus. Kurz zuvor hatte bereits Lauda (Elektrikschaden; Zitat: "Zum Kotzen!") seinen McLaren abstellen müssen. Prost hatte freie Bahn, lag eine Runde vor der gesamten Konkurrenz und wollte den 66. Umlauf als Jubelrunde mit dem letzten Tropfen Sprit eigentlich genießen. Aber dazu kam es nicht mehr.

Rennleitung ist seiner Zeit voraus: Karierte Flagge kommt zu früh!

Zum Ende der vorletzten Runde stellte sich der Rennleiter an den Start-Ziel-Strich und wedelte mit der karierten Flagge. Prost war Sieger, ohne die komplette Distanz absolviert zu haben. "Sorry, menschliches Versagen", hieß es wenig später von den Organisatoren. Am Ergebnis änderte dies nichts mehr - eine Tatsachenentscheidung wie die eines Schiedsrichters im Fußball. Der Groll an vielen Ecken des Fahrerlagers wurde allerdings lauter als manches Meckern eines gefoulten Kickers auf dem Platz.

"Ich bin stocksauer", wetterte Gerhard Berger (Arrows), der womöglich Punkte hätte ergattern können. "Ein Skandal", wütete Nelson Piquet (Brabham/4.). Der Brasilianer hatte seine Gründe. Jacques Laffitte (Ligier/3.) und Derek Warwick (Renault/5.) blieben in der Auslaufrunde ohne Sprit stehen. Sie hätten die geplante volle Distanz also niemals geschafft. Piquet ging somit ein Podestplatz durch die Lappen, dem Schweizer Marc Surer der mögliche vierte Platz. Der Brabham-BMW-Pilot holte aber immerhin einen Punkt.

"Wenn man mit einem Brabham ins Ziel kommt, werden Zähler von einem erwartet. Der erste Punkt ist der allerschwerste. Da fühlt man sich hinterher richtig gut", rückte Surer Platz sechs in den Vordergrund und nicht den möglicherweise wegen des Flaggenchaos verpassten vierten Rang. Hinter Rennsieger Alain Prost holte Michele Alboreto im zwar auf den Geraden schnellen, aber in den Kurven wenig konkurrenzfähigen Ferrari wichtige Punkte. Der Italiener behauptete die Gesamtführung zunächst gegen Prost, zog aber im Kampf um den Titel letztlich den Kürzeren.

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