• 23. Juni 2016 · 14:03 Uhr

Lewis Hamilton persönlich: Schaue mir keine Rennvideos an

Lewis Hamilton schildert, wie er mit Niederlagen umgeht, wie ihn der Wechsel von McLaren zu Mercedes verändert hat und was er durchs Altern gelernt hat

(Motorsport-Total.com) - Weltmeister Lewis Hamilton lieferte am Europa-Grand-Prix-Wochenende in Baku nicht seine beste Leistung ab. Der Brite crashte seinen Mercedes im Qualifying in die Mauer, nachdem er zuvor in allen Trainings die Bestzeit aufstellen konnte. Auch das Rennen lief nicht nach Wunsch, denn aufgrund eines falschen Motormappings plagte sich Hamilton fast das gesamte Rennen um den Kurs - inklusive verzweifeltem Funkverkehr mit seinem Renningenieur. Schnell wurde Kritik laut, da sich Hamilton am Donnerstag beim Trackwalk die Strecke zuvor nicht wie alle anderen Piloten angesehen hatte. Rückendeckung bekommt er von Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda.

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"Ich bin auch keine Strecke abgegangen. Ich war zu faul dazu. Du kannst beim Fußmarsch überhaupt nichts feststellen, weil der 2 km/h schnell ist", meint Lauda. Einen Nutzen muss es aber doch geben, wenn sich sonst alle Piloten in Bewegung setzen? "Na weil sie sich die Randsteine und Details anschauen wollen. Aber bei den Randsteinen sieht man auch beim Drüberfahren, ob der Reifen hin ist." Der Österreicher glaubt: "Es gibt zwei Zugänge, und ich verstehe auch den Lewis seinen. Er schaut sich die Strecke lieber im wirklichen Leben im Formel-1-Auto an und bringt sich dann schnell auf Trab."

Ob er den Unfall im Zeittraining mit mehr Vorbereitung - er fuhr auch nur wenige Runden im Simulator - womöglich verhindern hätte können? "Geholfen hätte es ihm nicht, wenn er herumgegangen wäre", glaubt Lauda. Hamilton selbst erklärt bereits am Kanada-Wochenende, dass er solch einen Rückschlag schnell wegstecken kann. Ziemlich sicher ist auch, dass er sich den Unfall danach nicht noch einmal angesehen hat. Denn der dreifache Champion verrät: "Von den 180 Rennen, die ich gefahren bin, habe ich mir vielleicht fünf angesehen. Fünf Highlights im TV. Sonst habe ich keine Rennen gesehen."

"Ernst wird es erst am Donnerstag"

"Nach den Rennen während Nicos Debrief schaue ich mir manchmal den Start an. Da haben sie dann den Clip vom Start und vielleicht von meinem Boxenstopp oder einem Überholmanöver." Nur in Monaco konnte er mehr sehen: "Beim letzten Mal war das Rennen im TV als ich aufs Boot zurückkam, meine Freunde haben geschaut und ich bin dagestanden und habe es zum ersten Mal seit langer Zeit gesehen." Die Videoanalyse würde ihm nicht helfen, seine Fehler zu studieren, so Hamiltons Denkweise.


Lewis Hamilton über seine Leidenschaften

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"Nein, nicht vom Anschauen des Videos. Im Rennen selbst hast du keinen Überblick über das, was gerade passiert. Du verlässt dich auf deinen Strategen. Nachdem ich die Highlights angesehen habe, war ich nicht schlauer, weil ich all das schon wusste", erklärt der 31-Jährige. Die Aufarbeitung geschieht folgendermaßen: "Das Team analysiert alles ganz genau, ich lade mir das runter und dann treffen wir uns am Donnerstag (vor dem nächsten Rennwochenende; Anm. d. Red.) und gehen alles durch."

Gibt es eine Zeit ohne Rennen, dann schaltet Hamilton ab und denkt nicht weiter über die vergangenen Rennen oder etwa den WM-Kampf nach. "Ich lese zwar meine Mails, aber ich versuche, das nicht zu ernst zu nehmen und alles zu genießen." Er entspannt mit Freunden gerne in Monaco oder in Colorado, wo er auch vor dem Montreal-Wochenende war: "In Colorado hatten wir traumhaftes Wetter."

Niederlagen am Dienstag schon vergessen...

"Natürlich was das Schlafen betrifft, komme ich in den Rhythmus, aber so richtig ernst wird es erst am Donnerstagmorgen. Bis dahin ist es entspannter." Erst dann schaltet der WM-Zweite wieder in den Rennmodus. Zwar würden ihn auch manchmal Geschehnisse oder Kommentare über ihn beschäftigen, er versucht dies aber möglichst abzublocken.

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Gelingt ihm an einem Wochenende, wie zum Beispiel in Baku, nicht viel, dann würde es genau einen Tag dauern, bis er über die Niederlage und die Enttäuschung hinweg ist. "Das hängt natürlich davon ab, wie desaströs das Rennen war und ob es dein eigener Fehler war oder der eines anderen. Aber oft ist es ein Tag, am Montag denkst du noch dran, aber am nächsten Tag machst du schon wieder weiter", schildert er. Er mag es nicht, wenn man sich noch ewig mit dem Gestrigen beschäftigt: "Ich mag diese Einstellung nicht, wenn man sagt: 'Ich wünschte nur, dies oder jenes wäre passiert'."

So zu denken, das war ein langer Lernprozess, erklärt Hamilton. "Das musste ich lernen. Ich habe schon tausendmal erzählt, wie ich drei Tage lang in meinem Hotelzimmer lag und mich nicht vom Fleck bewegt habe. Da dachte ich zu viel nach und meinte: 'Ich wünschte, das hätte ich nicht gemacht'. Ich war verärgert über mich selbst." Nun kann er schneller und besser mit solchen Situationen umgehen, was er auch auf seine Reife zurückführt: "Das ist ein Teil des Alterns. In zehn Jahren werde ich einen noch besseren Blick darauf haben."

Wechsel zu Mercedes: Seit 2012 kann Hamilton die Formel 1 genießen

Dies war jedoch ein harter Lernprozess, der noch nicht abgeschlossen sei, so Hamilton. "Meine gesamte Rennkarriere, 23 Jahre, hat es gebraucht. Es entwickelt sich jedes Jahr weiter." Ein Erlebnis in seiner Karriere hat jedoch etwas verändert: "Geht es ums Genießen, würde ich sagen, seit ich zu Mercedes gewechselt bin, 2012." Außerdem betont er auch, dass ihm bei diesem Prozess niemand geholfen habe, auch nicht Mentor Niki Lauda. Jedoch schon gar kein Mentalcoach: "Ich glaube nicht an Mentaltrainer und all den Schwachsinn. Ich würde so jemanden niemals erlauben, mit mir zu arbeiten."

Dies sei ein "Trail-und-Error-Prozess" gewesen: "Es geht für uns alle darum, einen ausgeglichenen Zustand im Herzen und in unserem Spirit zu finden. Bei manchen Menschen dauert das ihr gesamtes Leben, bei manchen weit weniger. Zum Glück geschah das bei mir mit Ende Zwanzig. Und ich werde mich noch weiterentwickeln", glaubt der Mercedes-Pilot.

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