• 18. März 2016 · 15:54 Uhr

Thema Funkverkehr: Wie funktioniert das Verbot im Detail?

Wie funktioniert die neue Teamfunk-Regeln im Detail? Und was sagen die Fahrer und Verantwortlichen dazu? Ein Überblick über das Verbot ab der Saison 2016

(Motorsport-Total.com) - Es ist eines der großen Gesprächsthemen vor dem Saisonstart der Formel 1 in Australien: die Einschränkung des Funkverkehrs. Ab dem Grand Prix in Melbourne 2016 soll die Kommunikation zwischen dem Fahrer auf der Strecke und dem Team an der Boxenmauer stark beschnitten werden. Der Hintergrund der Überlegung ist simpel: Der Pilot soll wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden. Bereits seit den Testfahrten wird das Thema heiß diskutiert, das Fahrerlager zeigt sich gespalten. (Zu den Details!)

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Bald werden sich die Ingenieure zweimal überlegen, ob sie den Funkknopf drücken... Zoom Download

Angesprochen auf die veränderte Kommunikation zeigt sich McLaren-Pilot Fernando Alonso nach den Freien Trainings am Freitag in Melbourne verwundert. Er denke nicht, dass sich dadurch viel ändern werde, merkt aber an: "Manchmal sind die Einschränkungen vielleicht ein bisschen zu extrem." Vor allem im Freien Training sei dies unnötig. "Im Rennen wollen wir alle sehen, wie der Fahrer alleine ohne Hilfe nur mit seinem Instinkt fährt, aber im Training vergessen wir vielleicht etwas, weil sie uns das nicht sagen dürfen. Da sind wir aber gar nicht im Wettkampf. Wir testen ja nur im Training", so der Routinier. "Das ist ein bisschen komisch, aber es ist eben das Gleiche für alle."

Im zweiten Freien Training in Australien kam es beim Unfall von Nico Rosberg zu ersten Unsicherheiten aufgrund der verschärften Regeln. Auf Anraten der FIA hat Rosberg seinen an der Front beschädigten Mercedes abgestellt, Motorsportchef Wolff hat angesprochen darauf anklingen lassen, dass der Unfall des Deutschen womöglich eine Folge des strikten Funkverkehrs ist. Man habe eben nicht diskutieren können, ob die Bedingungen für Regenreifen oder doch Intermediates geeignet sind. (Hier die Aussage von Wolff im Wortlaut!)


Auch bei der Strategie keine Probleme trotz Einschränkung?

Aus einem anderen Gesichtspunkt betrachtet Sauber-Pilot Felipe Nasr den eingeschränkten Funkverkehr. Der Brasilianer kam 2015 als Rookie in die Formel 1. "Da ist mir gleich eines aufgefallen: Die Fahrer wurden viel zu sehr gecoached, was das Fahren angeht. Wenn man auf der Strecke ist, muss man selbst wissen, wie man sich anzupassen hat - ob man zum Beispiel im vierten Gang in Kurve 3 gehen, oder ob man zehn Meter später bremsen sollte."

Der Fahrer müsse die Situation gut einschätzen können, daher ist Nasr froh, dass man nun diesen Weg eingeschlagen hat: "Selbst was die Strategie angeht, sollte man als Fahrer in der Lage sein, die Situation einzuschätzen." Trotzdem merkt auch er an, dass es Bereiche gibt, die der Pilot alleine nicht bestimmen kann: "Es gibt aber auch Dinge, die wir Fahrer nicht kontrollieren können, wie Motoreinstellungen und Ähnliches. Da bin ich mir nicht sicher, wie sich das Auswirken wird." Sein Teamkollege Marcus Ericsson versteht die Notwendigkeit hinter der Regeländerung nicht ganz.

"Ich denke, nach zwei oder drei Rennen werden sich alle daran gewöhnt haben und es wird sich nicht mehr auf die Show auswirken", prophezeit der Schwede. "In der Theorie müsste eigentlich alles funktionieren. Es sind kleine Sachen, die ich etwas seltsam finde - wie zum Beispiele, dass mein Ingenieur mich vor den Boxenstopps nichts mehr über den Frontflügel fragen darf." Red-Bull-Teamchef Christian Horner hat sich in der FIA-Pressekonferenz der Teamchefs am Freitag in Melbourne über die neuen Regeln lustig gemacht. Der Brite hält fest: "Wir sind in Sachen Funk zu weit gegangen." (Horners süffisante Aussagen hier nachlesen!)


Clear: Die Ingenieure lieben die Herausforderung

Bei Boxenstopps dürfen keine Angaben zu Reifenwahl oder Flügelverstellung gemacht werden. Grundsätzlich dürfen nur noch Warnungen bei schwerwiegenden Problemen und drohendem Ausfall kommuniziert werden. Ebenfalls nicht erlaubt sind Runden- und Sektorzeiten anderer Autos, wie auch die Ankündigung eines Boxenstopps, der nicht in der gleichen Runde passiert wie der Funkspruch. Ferner stehen auch die Informationen zu Reifenwahl und -strategie der Konkurrenz auf der verbotenen Liste. Und die FIA will auch gegen verschlüsselte Nachrichten vorgehen. (Mehr dazu hier!)

Für die Renningenieure wird dies eine Umstellung werden, da man in den vergangenen Jahren fast pausenlos mit dem Fahrer kommuniziert hat. Ferrari-Neuzugang Jock Clear sieht sich vor eine neue Herausforderung gestellt. "Aber das Gute an uns Ingenieuren ist, dass wir Herausforderungen lieben. Die Fahrer müssen sich im Kopf umstellen und etwas anders arbeiten, was in gleichem Maße für die Ingenieure gilt."


Großer Preis von Australien - Freitag

Es sei wie mit allen anderen Dingen in der Formel 1, meint der neue Ferrari-Chefingenieur: "Du willst es so gut wie möglich machen. Wir sehen uns an, was erlaubt ist, und werden innerhalb der Regeln unsere Möglichkeiten maximal ausnutzen. Wir machen uns darum aber nicht allzu viele Gedanken, sondern nehmen es einfach an."

Neue Teamfunk-Regeln in der Übersicht

Die Punkte der folgenden Liste dürfen dem Fahrer über den Teamfunk mitgeteilt werden. Jegliche anderen Nachrichten, die als verschlüsselt gelten könnten, werden als Bruch des Artikels 27.1 ("Der Fahrer muss das Auto alleine und ohne fremde Hilfe steuern") des Sportlichen Reglements der FIA angesehen und den Kommissaren gemeldet.

Diese Regeln gelten zu jeder Zeit, wenn das Auto mit laufendem Motor und Fahrer an Bord auf der Strecke ist (mit Ausnahmen, wenn das Auto in der Boxengasse ist am Tag des Rennens vor oder während der Einführungsrunde). Die Regeln umfassen alle Art der Kommunikation zum Fahrer, auch Boxenschilder.

1. Bestätigung, dass ein Fahrer die Nachricht verstanden hat. Dies kann beinhalten, dass die Nachricht zur Bestätigung wiederholt wird.

2. Warnung vor einem kritischen Problem am Auto. Eine solche Nachricht darf nur übermittelt werden, wenn das Problem an einer Komponente oder einem System unmittelbar bevorsteht und potenziell zum Ausfall führen könnte.

3. Information, die eine Beschädigung am Auto betrifft.

4. Anweisung für Fahrer, um Einstellungen vorzunehmen, aus dem alleinigen Grund eines drohenden Funktionsverlustes eines Sensors, Antriebs oder Steuerung, dessen Schaden nicht von einer Onboard-Software entdeckt und behoben wurde. In Übereinstimmung mit Artikel 8.2.4 dürfen die neu ausgewählten Einstellungen die Leistung des Autos nicht steigern im Vergleich zu der Leistung vor dem eingetretenen Schaden.

5. Instruktion, das Auto an die Box zu bringen, um es zu reparieren oder um aufzugeben.

6. Anmerkung über ein Problem eines gegnerischen Fahrzeugs.

7. Informationen von Streckenposten (rote Flagge, blaue Flagge, gelbe Flagge, Safety-Car, virtuelles Safety-Car, Abbruch des Rennstarts oder andere Instruktionen oder Informationen der Rennleitung). Dies beinhaltet auch eine Erinnerung daran, die Safety-Car-"Delta-Zeit"-Funktion nach dem zweiten Überfahren der ersten Safety-Car-Linie, nachdem das Safety-Car eingesetzt wurde, auszuschalten.

8. Nachrichten von der Rennleitung weiterleiten (das beinhaltet den Countdown zum Start der Formationsrunde und die Information, dass der letzte Fahrer seine Startposition nach der Formationsrunde eingenommen hat).

9. Nasse Fahrbahn, Öl oder Trümmerteile in gewissen Kurven.

10. Informationen über das Wetter.

11. Informationen über die eigene Runden- oder Sektorzeit des Fahrers.

12. Rundenzeit eines Gegners.

13. Hilfestellung bei Verkehr auf der Strecke und Abstände zu Konkurrenten in Freien Trainings und Rennen.

14. Instruktionen, um Positionen mit Fahrern zu tauschen.

15. Anzahl der Runden oder verbleibenden Zeit während eines Freien Trainings oder eines Rennens.

16. Position während eines Freien Trainings oder Rennens.

17. "Hart pushen", "jetzt pushen", "du fährst gegen XY", "bleib locker" oder Ähnliches (man wird auf verschlüsselte Nachrichten hingewiesen werden, wenn diese oder ähnliche Sätze zur Anfeuerung eingesetzt werden).

18. Wann der Fahrer in die Box kommen soll. Jegliche Nachrichten in diese Richtung sind nur erlaubt, wenn der Fahrer die Boxengasse in derselben Runde aufsucht. Wurde dem Fahrer mitgeteilt, in die Box zu kommen, kann ihm auch gesagt werden, dass er draußen bleiben soll, wenn sich die Umstände ändern.

19. Erinnerung daran, den Geschwindigkeitsbegrenzer einzusetzen, die Reifeneinstellungen in Abstimmung mit den aufgezogenen Reifen zu ändern und beim Verlassen der Boxengasse auf weiße Linien, Poller und Lichter des Fahrzeugwagens zu achten.

20. Fehlerhaftes Fahrverhalten von eigenen Piloten oder Konkurrenten, zum Beispiel das Auslassen von Schikanen, das Fahren außerhalb der Streckenbegrenzung...

21. Information, dass DRS nun freigegeben oder nicht mehr freigegeben ist.

22. Mit Problemen am DRS-System umgehen.

23. Öltransfer.

24. Information über Testsequenzen während Freier Trainings (nur im ersten und zweiten Freien Training), zum Beispiel Aero-Einstellungen.

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