• 16. September 2015 · 22:21 Uhr

Cockpithauben: Woran eine Einführung (noch) scheitert

Der Ruf der Piloten nach Cockpithauben wird nach dem Tod von Justin Wilson immer größer, doch die FIA stößt bei der Umsetzung auf einige Probleme

(Motorsport-Total.com) - Justin Wilsons tragischer Tod beim IndyCar-Rennen in Pennsylvania war ein weiterer Weckruf: Die größte Gefahr im aktuellen Monoposto-Motorsport besteht für den Kopf des Piloten, der abgesehen vom Helm ungeschützt ist. Die Visiere wurden zwar vor einigen Jahren verstärkt, wenn allerdings ein Rad, ein Aufhängungsteil oder wie bei Wilson die Nase des Autos den Fahrer unglücklich trifft, dann hat dieser keine Chance.

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Der Kopf des Piloten ist in der Formel 1 anno 2015 nach wie vor exponiert Zoom Download

Das wurde 2009 auch bei Felipe Massa deutlich, der von einer Stahlfeder getroffen wurde. Maria de Villota und Jules Bianchi wurden bei ihren Unfällen ebenfalls schwere Kopfverletzungen zum Verhängnis. Seit dem Massa-Crash bastelt die FIA an einer Lösung des Problems: Zahlreiche Tests mit Cockpithauben, die an die Kuppel eines Kampffliegers erinnern, wurden durchgeführt - noch ist der Durchbruch aber nicht gelungen. Am Dienstag wurde das Thema von der FIA-Fahrerkommission unter der Leitung von Ex-Weltmeister Emerson Fittipaldi in Paris erneut diskutiert.

Ricciardo fordert: Keine Kompromisse

Die Rufe der Piloten nach der Cockpithaube werden währenddessen immer lauter. "Das ist das letzte Stück, das im Puzzle fehlt", spielt Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo auf die enormen Fortschritte in Sachen Sicherheit in den vergangenen Jahrzehnten an. "Die Helme wurden stark verbessert, aber leider gab es trotzdem tragische Unfälle. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo man sich um die Tradition nicht mehr kümmern sollte." Eine Ansage gegen die Verfechter des offenen Cockpits aus ästhetischen Gründen.

Auch Statistiken sind laut dem "Aussie" diesbezüglich überbewertet: "Mir sind Statistiken egal, die besagen, dass es in den vergangenen 20 Jahren nur ein paar tödliche Unfälle gegeben hat. Statistiken können nicht vorhersagen, was in Zukunft passieren wird. Wir müssen die Statistiken also ignorieren und uns für die Sicherheit entscheiden." Sich in Anbetracht der Ereignisse nicht mit dem Thema auseinanderzusetzen, wäre laut dem Red-Bull-Piloten "dumm".

GPDA-Chef Wurz: Kosten als Problem

Während Fahrer wie Nico Hülkenberg oder Ricciardos Teamkollege Daniil Kwjat lieber die offenen Cockpits beibehalten wollen, erhält der dreimalige Grand-Prix-Sieger Unterstützung durch Routinier Jenson Button und den GPDA-Chef Alex Wurz. Der Österreicher verfügt über gute Kontakte bei der FIA und weiß, wie der Stand der Dinge ist.


Wie die FIA für die Einführung von Cockpithauben testet

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"Die geschlossenen Cockpits werden seit einigen Jahren von der Forschungsabteilung der FIA überprüft, und ein Teil dieser Forschungsabteilung hat in einigen Bereichen außerordentliche Fortschritte gemacht", meint der Österreicher, der selbst im Jahr 2007 in Australien von David Coulthards Red-Bull-Boliden beinahe am Kopf getroffen worden wäre.

"Ich persönlich bin ein Fan der Cockpit-Hauben, und das ist meiner Meinung nach die Zukunft", steht für Wurz außer Zweifel. "Die Frage ist nur, wie rasch das passieren wird." Der Toyota-Le-Mans-Pilot weiß, woran es derzeit hakt: "Man muss die Nachteile beseitigen, bevor man etwas ändert, und ein Problem sind die Kosten, die vielleicht in der Formel 1 nicht so schlimm wären, aber dafür in den Nachwuchsserien. Es würde keinen Sinn ergeben, wenn die FIA geschlossene Cockpits vorschreibt aber der halbe Motorsport wegen der Kosten deswegen bankrott geht."

Smedley und Stewart: Pilot könnte eingeschlossen sein

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So könnte ein Formel-1-Bolide mit Cockpithaube aussehen Zoom Download

Williams-Chefingenieur Rob Smedley sieht ein anderes Problem: "Was man bei den Cockpithauben in Betracht ziehen muss, ist der Umstand, dass der Fahrer unbedingt aus dem Auto aussteigen können muss, wenn etwas passiert." Während das Anbringen einer Cockpithaube am Chassis seiner Ansicht nach kein Problem sei, sieht er es als größte Herausforderung, dass der Piloten in einer Gefahrensituation eingeschlossen sein könnte. "Wenn das Auto verkehrt landet, dann muss der Fahrer trotzdem herauskommen", sagt er. "Außerdem muss das Ärzteteam rasch an das Cockpit herankommen. Das sind die technischen Fragen, die noch nicht geklärt sind."

Dennoch ist er der Ansicht, dass Cockpithauben der richtige Weg für die Zukunft sind: "Dieses Problem sollte der Sache keinen Abbruch tun." Formel-1-Legende Jackie Stewart, seit Jahrzehnten einer der größten Visionäre in Sachen Sicherheit im Motorsport, sieht dies deutlich skeptischer. Er fürchtet, dass Cockpithauben im Falle eines heftigen Anpralles der falsche Weg wären.

"Könnte es ein Problem sein, dass der Fahrer nicht aussteigen kann?", stellt der Schotte gegenüber 'Reuters' die gleiche Frage wie Smedley. "Wie sorgt man dafür, dass die Belüftung ordentlich funktioniert? Das ist eine komplizierte Sache und keine einfache Kuppel. Und was passiert, wenn bei Tempo 280 oder 300 km/h ein Objekt auf einen zukommt - beschädigt das dann die Kuppel, sodass sie nicht mehr gelöst werden kann? Ein Fahrer könnte darin gefangen sein." Außerdem stellt Stewart die Frage, ob die Zuschauer mit einer derartigen Lösung glücklich wären. "Man müsste sich sehr sehr sicher sein, dass das funktioniert", sagt der 76-Jährige.

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