• 19. August 2015 · 10:42 Uhr

Spa 2000: Wie Häkkinen Schumacher spektakulär überholte

Duell zweier Legenden: Michael Schumacher gegen Mika Häkkinen in Spa - Der Finne erinnert sich im Detail an das berühmte Überholmanöver im Jahr 2000

(Motorsport-Total.com) - Es war wohl eines der besten Überholmanöver in der Formel-1-Geschichte, auf jeden Fall eines, an das sich jeder Fan gut erinnert. Schauplatz war die Ardennen-Achterbahn in Spa-Francorchamps und man schrieb das Jahr 2000. Eine Zeit, in der es kein DRS, KERS oder sonstigen Schnick-Schnack gab und und zwei große Champions Rad-an-Rad um den Sieg kämpften: Michael Schumacher im Ferrari und Mika Häkkinen im McLaren-Mercedes.

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Häkkinen und Schumacher lieferten sich in Spa 2000 ein packendes Duell Zoom Download

Vor dem 13. Saisonlauf führte der Finne die WM mit zwei Punkten Vorsprung an. Nach dem damaligen Punktesystem (10-6-4-3-2-1) hätte "Schumi" mit einem Sieg in Spa die WM-Führung übernehmen können. Außerdem stellte sich damals die Frage: Wer von den beiden wird dreimaliger Weltmeister? Häkkinen stand auf der Pole-Position, der Deutsche auf Startplatz vier in Reihe zwei. Außerdem war der Rennsonntag teilweise verregnet, weshalb der Grand Prix hinter dem Safety-Car gestartet wurde. Die Erinnerungen an den Startcrash, den größten Massenunfall der Formel-1-Geschichte, zwei Jahre zuvor waren noch frisch.

Es bahnte sich eine dramatische Schlacht in Spa-Francorchamps an. Zunächst lief alles für Häkkinen. Mit klarer Sicht führte er das Rennen an und baute sich einen Vorsprung von bis zu zehn Sekunden auf. Da es aber nicht mehr regnete und sich eine trockene Ideallinie bildete, wechselten alle bis zur neunten Runde auf Trockenreifen - damals wurde noch mit Rillenreifen und nicht mit Slicks gefahren. Schumacher schob sich in dieser Phase auf Platz zwei und holte mit großen Schritten auf den führenden McLaren auf.

Schumacher blockt erstes Manöver

Der Druck zeigte Wirkung, denn Häkkinen drehte sich in Runde 13 in Stavelot, Schumacher übernahm die Führung. Bis Runde 34 hatten schließlich alle ihre zweiten Boxenstopps absolviert. Schumacher führte zu diesem Zeitpunkt rund sieben Sekunden vor Häkkinen. Es bahnte sich für die finalen zehn Runden ein spannender Schlusssprint an. "Die Strecke war trocken, aber neben der Ideallinie noch feucht", erinnert sich Häkkinen bei 'McLaren.com' zurück. "Es war deshalb ein Risiko, absolut am Limit zu fahren. Ich hätte mir keinen weiteren Dreher erlauben können."


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Trotzdem kam der McLaren dem Ferrari Stück für Stück näher. "In Runde 40 klebte ich an seinem Heck. Als wir in dieser Runde durch Eau Rouge fuhren, lupften wir beide kurz und rasten dann Richtung Les Combes. Eau Rouge war damals eine majestätische Kurve. Man konnte sie fast voll fahren, aber eben nur fast. Es war ein Test für Mensch und Maschine", betont Häkkinen die besondere Herausforderung einer der berühmtesten Kurven der Welt.

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Nach dem Rennen sprechen die beiden über den Block beim ersten Manöver Zoom Download

"Ich bin gut durchgekommen, vielleicht etwas besser als Michael. Als wir zur Bremszone von Les Combes kamen, entschied ich mich für ein Ausbremsmanöver. Ich schob meine Nase neben den Ferrari und bereitete mich auf den Bremsvorgang vor. Aber Michael sah mich kommen und zog bei 300 km/h herüber. Sein rechter Hinterreifen berührte die linke Endplatte meines Frontflügels, als ich vom Gas ging und das Manöver zurückzog."

Es war ein gefährliches Manöver und eine harte Aktion Schumachers. Der damals zweifache Weltmeister wurde zu dieser Zeit oft für seine ruppige Fahrweise kritisiert, die manche als unfair titulierten. "Jetzt, 15 Jahre später habe ich kein Problem mehr damit", glättet Häkkinen im Rückblick die Wogen. "Ich habe meine Formel-1-Karriere genossen und mein Highlight war die Rivalität mit Michael. Ich habe ihn respektiert und ich denke, er respektierte auch mich."

Häkkinen riskiert alles und nimmt Eau Rouge voll

Der erste Angriff war abgewehrt, aber es blieben noch drei Runden. "Ich wusste, dass ich Michael nur am Eingang von Les Combes überholen konnte. Mir war aber auch klar, dass ich ein entschlossenes Manöver machen musste, denn Michael würde die Führung nicht einfach abgeben wollen. Das hat er ganz klar gezeigt", schildert Häkkinen seine Gedanken nach dem Highspeed-Manöver bei 300 km/h. "Als wir Runde 41 begannen, entschied ich mich für Risiko."

"Ich habe die Eau Rouge voll genommen. Damals war das nichts für jemanden ohne Mut."Mika Häkkinen
"Es war ein großes Risiko, aber kalkuliert. Ich habe die Eau Rouge voll genommen. Damals war das nichts für jemanden ohne Mut. Es war extrem schwierig. Wenn man es nicht schaffte, gab es einen schweren Unfall. Neben der Ideallinie war die Strecke auch noch feucht. Ich wusste, dass ich auf den Millimeter perfekt fahren musste. Das ist in der schwierigsten Kurve der Welt nicht einfach. Man presst den Fuß auf das Gaspedal und visiert den Scheitelpunkt für den blinden Kurvenausgang an."

"Bei der Anfahrt zu dieser Kurve war ich direkt hinter Michael. Als ich einlenkte, hat jede Faser in meinem Körper gesagt, dass ich lupfen muss. Ich entschied mich, bis drei zu zählen und meinen Fuß auf das Gaspedal zu stemmen, während ich zählte. Mir war klar, wenn ich drei erreichen würde, hätte ich die Kurve entweder geschafft, oder ich würde in die Leitplanken fliegen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht, da war ich mir zu 100 Prozent sicher."

Häkkinen: Es klappt oder es gibt einen schweren Crash

"'Eins', sagte ich laut. Das Auto begann unter den Starken Fliehkräften zu vibrieren." Die G-Kräfte drückten nicht nur von der Seite, sondern durch die Kompression wurde das Auto auf den Boden gepresst. Hohe Belastungen von allen Seiten, ein Härtetest für das Material. "Mir war klar, dass ich mit dem Auto kämpfen muss, um einen großen Unfall zu vermeiden. Und um ehrlich zu sein: Ich wusste, dass es auch um mein eigenes Schicksal ging."

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Häkkinen überraschte Schumacher mit seinem Überholmanöver Zoom Download

"'Zwei', schnappte ich nach Luft, als ich am Lenkrad sah, dass das Auto instabil wurde. Für einen Bruchteil der Sekunde - genau in der Kurvenmitte - dachte ich mir, dass ich es nicht halten könnte. Das Auto war wie auf Zehenspitzen, aber dann bekam es Grip und fuhr weiter. 'Drei', stöhnte ich, als das Auto am Kurvenausgang erschreckend leicht wurde. Es ist immer ein mulmiges Gefühl, wenn ein Auto bei diesem Tempo leicht wird. Trotzdem fuhr es weiter. Ich hatte es geschafft!"

"Ich bin Eau Rouge im Rennen voll gefahren, wobei es nur eine schmale trockene Linie gab. Vor mir auf der Geraden hatte Michael Eau Rouge ganz klar nicht voll genommen, denn ich schloss rasend schnell zu ihm auf. Als wir auf Les Combes zufuhren, sah ich vor mir den zu überrundenden BAR-Honda von Ricardo Zonta. Ich sagte zu mir: 'Egal auf welche Seite Michael fahren wird, ich nehme die andere Seite!'"

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Großer Respekt: Schumacher gratuliert Häkkinen auf dem Podium Zoom Download

"Michael fuhr nach links, also scherte ich nach rechts aus. Ich bremste so spät wie möglich. Ich war neben der Ideallinie, mit 300 km/h auf feuchter Strecke. Als ich einlenkte, hatte ich es geschafft! Ich hatte Michael überholt und wieder die Führung übernommen. In den nächsten Kurven versuchte mich Michael in einen Fehler zu treiben. Er war immer ein richtiger Zweikämpfer, ein wahrer Racer. Ich behielt aber meine Nerven und sagt mir unter dem Helm: 'Mika, bleib ruhig, bleib ruhig, bleib ruhig."

Häkkinen blieb cool und fuhr den Sieg ins Ziel. Die Bilder von diesem Überholmanöver gingen um die Welt und brannten sich in das Gedächtnis der Fans. Zonta auf der anderen Seite wird immer als jener Fahrer in Erinnerung bleiben, der links und rechts von zwei großen Champions überholt wurde. Mit dem Sieg schien Häkkinen damals gute Chancen auf seinen dritten WM-Titel in Folge zu haben. Schumacher drehte den Spieß aber um und gewann anschließend alle verbleibenden vier Rennen bis Saisonende. Damit war Schumacher zum dritten Mal Weltmeister und nicht Häkkinen. Außerdem beendete der Rekordsieger die über 20 Jahre dauernde erfolglose Zeit von Ferrari.

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