• 23. Juli 2015 · 18:57 Uhr

Erinnerungen an Bianchi: "Das größte Talent im Motorsport"

Die Formel-1-Piloten erinnern sich an ihrem verstorbenen Kollegen Jules Bianchi zurück - Geschichten mit dem Franzosen auf und auch abseits der Rennstrecke

(Motorsport-Total.com) - Der Große Preis von Ungarn steht ganz im Zeichen von Jules Bianchi. Der Franzose, der wenige Tage vor dem Rennen an den Folgen seines schweren Unfalls in Suzuka im Oktober 2014 verstarb, hinterlässt eine Lücke im Fahrerfeld der Königsklasse. Doch Bianchi war nicht nur ein Teil der Formel-1-Familie, viele Fahrer kannten den ehemaligen Formel-3-Champion bereits Jahre bevor er erstmals einen Fuß in die Königsklasse setzte. Vor dem Rennen auf dem Hungaroring erinnern sich die Piloten an die gemeinsamen Momente zurück.

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Jules Bianchi hat in seiner kurzen Karriere einen bleibenden Eindruck hinterlassen Zoom Download

"Zunächst einmal war Jules ein toller Freund", berichtet Williams-Pilot Felipe Massa, dessen Manager Nicolas Todt auch für Bianchis Karriere verantwortlich war. "Als Nicolas zum ersten Mal mit ihm arbeitete, da war er gerade am Ende seiner Kartkarriere. Damals traf ich ihn. Er war ein toller Junge, sehr nett und bescheiden. Außerdem war er ein großartiger Fahrer", erinnert sich der Brasilianer zurück.

"Leider hatte er in der Formel 1 nie die Möglichkeit, in einem konkurrenzfähigen Auto zu fahren, um sein Talent unter Beweis stellen. Ich denke aber, dass er es trotzdem gezeigt hat, als er damals in Monaco in die Punkte fuhr. Er fuhr mit einem unterlegenen Auto und alle wussten, dass er in diesem Rennen etwas Fantastisches geschafft hatte", erinnert sich Massa an Bianchis einzigen Punktgewinn im Jahr 2014 zurück.

"Wir sind zusammen eine Menge Kart gefahren, auch in Brasilien. Er war der beste Kartfahrer, den ich je gesehen habe", sagt Massa und ergänzt im Hinblick auf die Trauerfeier am vergangenen Dienstag: "Es war wirklich schwierig, dort in der Kirche überhaupt zu verstehen, was eigentlich passiert ist. Es war so traurig. Aber ich bin mir sicher, dass er jetzt an einem guten Ort ist, an dem er Rennen fahren kann und es genießt. Er wird uns alle definitiv von diesem Ort aus beobachten."

Viel Lob von allen Seiten

Während Massa lediglich in der Formel 1 gegen den Franzosen fuhr, kreuzten sich die Wege von Bianchi und Manor-Marussia-Pilot Roberto Merhi deutlich häufiger. "2002 traf ich ihn erstmals bei einem Kartrennen. Es war ein Rennen in Spanien und er kam aus Frankreich. Er war sehr jung und kam auf eine Strecke, auf der er noch nie gefahren war. Ich erinnere mich, dass ich wirklich überrascht war, weil er trotzdem sofort sehr schnell war. Er hat alle beeindruckt", verrät der Spanier.

"Er war der beste Fahrer, gegen den ich je gefahren bin."Roberto Merhi
"Danach habe ich seine Karriere sehr intensiv verfolgt, denn wir fuhren zusammen Kart und er war immer eine Referenz für die anderen Piloten, denn er war immer der Schnellste und vollbrachte wirklich tolle Dinge. Als ich 2007 in die Formel Renault kam, da sind wir ein paar Rennen gegeneinander gefahren", erinnert sich Merhi und erklärt: "Er war das größte Talent, das ich im Motorsport kannte."

"Auch als ich 2009 erstmals in der Formel 3 fuhr, da kämpften wir wieder gegen ihn, weil er in diesem Jahr der Fahrer war, den es zu schlagen galt. Er hat die Meisterschaft ganz locker gewonnen, obwohl so viele gute Piloten dabei waren. Er gewann sehr viele Rennen und ich denke das zeigt, wie gut er war", so der Spanier. Bianchi setzte sich damals in der Formel-3-Euroserie unter anderem gegen Piloten wie Merhi, Valtteri Bottas und DTM-Champion Marco Wittmann durch.


Fotostrecke: Die Karriere von Jules Bianchi

"Ehrlich gesagt ist es eine Schande, dass er in einem Formel-1-Auto nie zeigen konnte, was er drauf hat. Er war der beste Fahrer, gegen den ich je gefahren bin", betont der Spanier noch einmal. Auch Romain Grosjean würdigt die Fähigkeiten seines Landsmanns: "2003 hörte ich seinen Namen zum ersten Mal, und er war ein sehr viel besserer Kartfahrer als ich. In allen Kategorien, in denen er gefahren ist, hat er auch gewonnen."

"Er war ein sehr viel besserer Kartfahrer als ich."Romain Grosjean
Gegenüber 'Formula1.com' verrät er: "Jules folgte mehr oder weniger meinem Karriereweg: Ich war Champion in der Französischen Formel Renault und er auch. 2011 kreuzten sich unsere Wege in der GP2 zum ersten Mal, als er bei ART und ich bei DAMS war. Wir hatten einen guten Kampf um die Meisterschaft." Letztendlich schnappte sich Grosjean den Titel, der drei Jahre jüngere Bianchi wurde Dritter.

"Dann schafften wir es beide in die Formel 1. Ich hatte das Glück, dass ich es zwei Jahre vor ihm schaffte. In meiner schwierigen Saison 2014 kämpften wir oft gegeneinander. Ich erinnere mich daran, wie ich 2014 in Monaco hinter ihm ins Ziel kam, als er seine ersten Punkte sammelte. Nach dem Rennen bekam er eine Strafe, weshalb er hinter mir gewertet wurde. Das spielt aber keine Rolle: Er beendete das Rennen vor mir auf Platz acht."

"Alle mochten ihn"

Ein weiterer alter Bekannter: Nico Hülkenberg. "Er war 2008 in der Formel 3 und 2012 in der Formel 1 mein Teamkollege", erinnert sich der Le-Mans-Sieger zurück. 2012 testete Bianchi mehrfach für Hülkenbergs Force-India-Team. "Ich erinnere mich, dass ich 2008 in meinem zweiten Jahr in der Formel 3 war und in diesem Jahr die Meisterschaft gewinnen sollte. Er war ein Rookie und gerade einmal in seinem ersten Jahr."

"Wir hatten zusammen einige tolle Momente. Wir werden ihn alle vermissen."Nico Hülkenberg
"Ich erinnere mich an ein Rennen in Mugello: Ich startete von der Pole und er war Zweiter oder Dritter. Nach dem Start führte ich und er war hinter mir. Ich sah im Rückspiegel, dass er wirklich hart pushte, um mich einzuholen. Er verbrannte seine Reifen damit, während ich sie schonte. Aber das zeigte, wie konkurrenzfähig er war. Er wollte unbedingt erfolgreich sein. Abseits der Strecke war er ein großartiger Kerl, mit dem man eine Menge Spaß haben konnte. Wir hatten zusammen einige tolle Momente. Wir werden ihn alle vermissen", so Hülkenberg.

Fotostrecke: Unfall von Jules Bianchi

Der Deutsche gewann die Formel-3-Euroserie im Jahr 2008, Bianchi beendete sie auf Rang drei. Zwei Jahre später schaffte es Bianchi in die GP2 - wo er unter anderem auf Sergio Perez traf. "Ich traf ihn, als wir beide in der GP2 waren. In der Ferrari Academy verbrachte ich etwas mehr Zeit mit ihm und man konnte sehen, dass Jules ein besonderer Fahrer war, aber auch ein sehr spezieller Mensch, den alle mochten. Er war sehr bescheiden und ein großartiger Kerl", erinnert sich der Mexikaner zurück.

"Er war ein toller Junge, sehr nett und bescheiden."Felipe Massa
"Es ist sehr traurig. Wir Piloten teilen viele Momente - an jedem Sonntag und an jedem Freitagnachmittag im Fahrerbriefing. Manchmal sind wir nicht die besten Freunde, aber diese Momente verbinden uns für immer. Wir tun alle dasselbe und wir sehen uns während des gesamten Jahres ungefähr alle 15 Tage. Wir verbringen also viel Zeit zusammen und es ist ein echter Schock, dass wir ihn nie wiedersehen werden. Es ist für uns alle sehr hart", so Perez.

Gedanken sind bei Bianchis Familie

"Seine Familie ist jetzt auch unsere Familie. Wir möchten sie so gut wie möglich unterstützen, denn Jules wird für immer bei uns sein", verspricht der Force-India-Pilot und Nico Rosberg ergänzt: "Das Begräbnis war sehr traurig, emotional, intensiv. Es war schön, dass so viele Leute gekommen sind. Hoffentlich konnten wir der Familie mit unserer Anwesenheit ein wenig Trost spenden. Es ist eine schwierige Zeit, aber über die Jahre habe ich als Rennfahrer gelernt: Wenn das Visier runtergeklappt wird, muss alles andere beiseite geschoben werden."

"Seine Familie ist jetzt auch unsere Familie."Sergio Perez
"Wir alle wissen, dass er eine große Zukunft vor sich hatte", erklärt McLaren-Pilot Fernando Alonso. "Er hatte eine große Chance auf ein Cockpit bei Ferrari. Abseits der Strecke habe ich in Maranello drei Jahre lang viel Zeit mit ihm verbracht. Wir haben zusammen trainiert und sind zusammen Fahrrad gefahren oder haben Fußball oder Karten gespielt", erinnert sich der Spanier, der "sehr traurig" ist.

Valtteri Bottas, der sich Bianchi im Kampf um den Titel in der Formel 3 einst geschlagen geben musste, erklärt: "Es war eine harte Woche für alle, die Jules gekannt haben, für alle in der Formel 1. Und ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie es für die Familie sein muss. Es war nicht einfach, ihn am Dienstag loszulassen. Er war ein netter Kerl, jeder hat ihn gemocht."


Fotostrecke: Tödliche Unfälle in Formel-1-WM-Rennen

"In den Nachwuchsserien war er eine Referenz für uns alle, ganz besonders für mich", erinnert sich derweil Sauber-Pilot Felipe Nasr zurück. "Ich war immer ein paar Jahre hinter ihm zurück, weil wir nicht das gleiche Alter hatten. Man konnte definitiv sehen, dass er alle Voraussetzungen hatte, um ein sehr guter Fahrer zu werden, der in der Zukunft um größere Ziele kämpft. Ich habe eine Menge Respekt vor ihm, obwohl ich ihn nicht so gut kannte."

"Ich kannte ihn nicht sehr gut", berichtet auch Sebastian Vettel, "aber ein Erlebnis, an das ich mich erinnere, war das Joggen in Suzuka. Wir sind eine komplette Runde gelaufen und ich war beeindruckt davon, wie stark und wie fit er war. Man konnte allein auf dieser kurzen Distanz sehen, wie leidensfähig er war. Es war beeindruckend zu sehen, wie er auf der hügeligen Strecke alles gab." Jules Bianchi gab immer alles. Auf der Strecke und in jeder anderen Lebenslage. Nur den Kampf gegen den Tod konnte er am Ende nicht gewinnen.

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