Ecclestone: Vom Gebrauchtwagenhändler zum Formel-1-Paten
Unumstritten war Bernie Ecclestone schon lange nicht mehr, bisher konnte ihm aber nichts etwas anhaben - Doch nach der Anklage droht dem Formel-1-Paten das Aus
(Motorsport-Total.com) - Bernie Ecclestone liebt die ganz derben Scherze. In seinem Büro in Londons bester Lage hat er auf seinem Couchtisch eine Handgranate liegen. "Es war noch nicht der richtige Besucher da, um sie zu zünden", sagte der Brite einmal und lächelte sein berühmtes Lächeln, das eine Mischung aus Überheblichkeit und Unantastbarkeit verrät. Schließlich perlten an dem umstrittenen Strippenzieher alle Skandale und Vorwürfe stets ab - wie heißes Öl an einer Teflonpfanne. Bis jetzt.
Nun muss sich der Brite wegen Anstiftung zur Untreue und Bestechung in besonders schwerem Fall vor der deutschen Justiz verantworten. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat gegen Ecclestone ein entsprechendes Verfahren eingeleitet. Damit droht dem Briten nach etwa vier Jahrzehnten an der Spitze der Formel 1 das Aus, zudem muss der Chefvermarkter der Rennserie eine Gefängnisstrafe fürchten.
Doch noch gibt sich der umtriebige Geschäftsmann betont gelassen. "Ich habe mit meinen Anwälten gesprochen, sie haben eine Anklageschrift erhalten", sagt Ecclestone der 'Financial Times': "Wir werden uns ordentlich verteidigen. Es wird ein interessanter Fall. Es ist schade, dass das passiert." Ein Angebot, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen, sei ihm nicht gemacht worden. Die Vorwürfe, dem früheren BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky 44 Millionen Dollar Bestechungsgeld gezahlt zu haben, hat Ecclestone stets bestritten.
Provokation als Geschäftsmodell
Dabei machte der ehemalige Gebrauchtwagenhändler aus seinen extravaganten Geschäftsmethoden nie einen Hehl. "Wir sind nicht so etwas wie die Mafia, wir sind die Mafia", sagte der Formel-1-Pate, der bei der Rennserie seit den 1970er Jahren alle Fäden in der Hand hält und den PS-Zirkus in ein milliardenschweres Unternehmen und eine der profitabelsten Sportveranstaltungen der Welt verwandelte. Ein Rücktritt kam für ihn nie infrage: "Ich denke, wenn die Leute 100 Jahre alt werden, dann sollten sie anfangen, über die Pension nachzudenken."
Doch bald sollte es ruhiger um den umtriebigen Manager werden. Einer möglichen Gefängnisstrafe in der Schmiergeld-Affäre sah Ecclestone zuletzt gelassen entgegen. "Ich bin nicht schuldig. Aber wenn ich ins Gefängnis geschickt werde, muss ich damit klarkommen", sagte er, "ich glaube nicht, dass es mir besonders gefallen würde. Aber man muss mit gewissen Dingen umgehen. "Einen Rücktritt schließt er kategorisch aus. "Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte. Ich werde das tun, was ich immer gemacht habe: Weiter arbeiten und meinen Job tun. Für mich ändert sich durch diese Sache nichts", sagt er der 'Bild'-Zeitung (Donnerstag-Ausgabe).
Im Fahrerlager ist "Mr. E" noch immer beliebt, Ecclestone machte viele Menschen in der Formel 1 zu Millionären, fast alle schätzen ihn für seine Arbeit. Doch auch der Gegenwind wurde zuletzt immer schärfer. Aber egal - ob peinliche Aussagen über Adolf Hitler und Saddam Hussein oder ein drohender Prozess, nachhaltig konnte ihm bisher kein Skandal schaden. Ecclestone lächelte sie meist einfach weg.
Ecclestone überstand alle Krisen
In der freien Wirtschaft wäre wohl jedem Manager eine einzige seiner skurrilen Aussagen längst zum Verhängnis geworden. Erst recht natürlich jene wie die 2009 über Hitler ("Er wurde mitgerissen und überredet", "Er war fähig, Dinge zu erledigen") oder ein Jahr später über den irakischen Diktator Hussein ("Wir haben etwas Schreckliches gemacht, als wir die Idee unterstützten, ihn loszuwerden", "Er hat aus dem Irak ein stabileres Land gemacht. Das ist doch bewiesen, oder?").
Ecclestone hielt sich an der Spitze und regierte sein Imperium gerade so demokratisch wie es sein muss - auch wenn alle die Nase über seine Ausführungen zur Weltpolitik rümpften und nur noch mit den Kopf schüttelten.
Die Formel 1 brauchte Ecclestone, wie Ecclestone die Formel brauchte. Viele werfen ihm zwar vor, dass er beispielsweise den Markt der neuen Medien nicht nutzt oder die Formel 1 mit seinem aufgeblähten und immer weltoffeneren Kalender einer manchmal fast unzumutbaren Belastung aussetzt. Doch genau so generierte der "Herr der Räder", der schon in der Schule Bleistifte und Radiergummis an seine Mitschüler verhökerte, stets frisches Geld und erschloss neue Märkte.
Sein Geschäftssinn hat der Formel 1 bisher um ein Vielfaches mehr genutzt als geschadet, deshalb blieb die große Rebellion bisher aus. Das dürfte mit der Anklage in München nun anderes werden. Dem Paten drohen die Fäden zu entgleiten.