Webber: "Ich wollte Dans Tod nicht wahrhaben"
Wie Mark Webber vom Tod seines Freundes Dan Wheldon erfuhr, was ihn mit ihm verband, welche Konsequenzen er fordert und wie er mit dem Risiko umgeht
(Motorsport-Total.com) - Mark Webber saß nach dem Grand Prix von Südkorea am Sonntagabend am Flughafen in Singapur und wartete auf seinen Anschlussflug nach Sydney, als ihn eine SMS-Nachricht erreichte. Es war Luke, der Sohn seiner Freundin Ann, der ihn informierte, dass sich beim IndyCar-Rennen in Las Vegas ein fürchterlicher Unfall ereignet hat. Viele Piloten seien ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Dass es seine zwei Kumpels Dan Wheldon und Will Power am schlimmsten erwischte, traf den Australier ins Mark. Eine Stunde später ereilte Webber die nächste Textnachricht. "Luke hatte mich informiert, dass es Dan nicht geschafft hat", erinnert sich der 35-Jährige in seiner 'BBC'-Kolumne.
"Es war einer dieser entsetzlichen, niederschmetternden Momente", schildert Webber seine Gefühle. "Ich wollte nicht wahrhaben, was mir mitgeteilt wurde." Erst zuhause vor dem Fernseher wurde ihm das volle Ausmaß des Unfalls bewusst: "Es war mir völlig klar, dass die Gefahr bestand, dass sich jemand bei dieser Art Unfall ernsthaft verletzt. Es war wirklich übel und viele Fahrer hatten nicht die Chance, der Situation auszuweichen."
Wheldon einer von Webbers ersten Freunden in Großbritannien
Doch Webber verlor bei diesem Unfall einen Freund. "Ich bin nie gegen ihn gefahren", blickt er zurück. "Aber ich habe viel Zeit mit ihm in Brands Hatch verbracht, als wir beide von 1996 bis 1997 Instruktoren bei der Rennfahrer-Schule waren." Er bestätigt den Eindruck, den viele Weggefährten von Wheldon hatten: "Es war schwierig, sich mit ihm nicht gut zu verstehen - er war ein liebenswürdiger Kerl."
Doch bald danach sollten sich die Wege von Webber und Wheldon trennen. "Dan baute sich ein Leben in Amerika auf, während ich in Europa Rennen fuhr. Aber ich habe unsere Treffen immer genossen, wenn er in Großbritannien war - bei einer Motorsport-Preisverleihung oder was auch immer."
Wheldons Testfahrer-Job "bittere Ironie"
Als Webbers Formel-1-Karriere Fahrt in den vergangenen Jahren aufnahm, hatte Wheldon etwas zu kämpfen: Der Brite konnte zwar dieses Jahr ein zweites Mal sensationell das Indy500 für sich entscheiden, verdiente sich aber sonst als Testfahrer für das NextGeneration-IndyCar seine Brötchen. Ein Auto, das möglicherweise sein Leben gerettet hätte.
"Es ist bittere Ironie, dass Dan Testfahrer eines Autos war, dass die Verantwortlichen nächstes Jahr einführen wollen", findet auch Webber. "Die Hinterräder sind dabei nicht mehr freistehend, was definitiv eine Hilfe ist, denn die Vorderreifen geraten so nicht mehr auf die Hinterreifen - was einer der Hauptgründe dafür ist, dass Autos abheben."
IndyCar: Webber fordert Konsequenzen
Der Red-Bull-Pilot ist der Meinung, dass die IndyCar-Serie wie die Formel 1 nach Imola 1994 aus dem tragischen Massencrash lernen muss: "Die Organisatoren müssen auf jeden Fall herausfinden, wie man es verhindern kann, dass die Autos in solchen Situationen abheben und durch die Luft fliegen. Ich bin noch nie auf einer Ovalstrecke gefahren, aber ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die das getan haben. Was sie nicht mögen, ist das Fahren im Pulk, vor allem auf kurzen Ovalen wie in Las Vegas."
Er fordert Konsequenzen: "30 Einsitzer, Nase an Heck, mit kalten Bremsen - das geht zu weit. Die Fahrer haben das Gefühl, dass man sich das ansehen sollte. Beim Unfall, der Dan das Leben gekostet hat, kollidierte fast das halbe Feld und die Hälfte von ihnen flog durch die Luft. Das ist nicht richtig! Sie konnten nirgends hinfahren und das war keine Frage des Könnens mehr. Es hängt ausschließlich davon ab, wie dein Auto reagiert, in welchem Winkel man einander berührt. Man ist nur noch Passagier."
Webbers Crash-Serie
Wenn es um schwere Unfälle geht, dann ist Webber ein gebranntes Kind. Der Mann aus "Down Under" war Teil des Le-Mans-Teams von Mercedes, als die Boliden 1999 im Training mehrmals Unterluft bekamen und abhoben. Auch im Vorjahr erlebte er im Vorjahr einen ähnlichen Abflug, als er in Valencia auf Heikki Kovalainens Hinterrad auffuhr und sich überschlug.
Gefahr in der Formel 1 geringer?
Und trotz des Valencia-Unfalls ist er sicher: "In der Formel 1 bemüht man sich schon lange um die Sicherheit, außerdem handelt es sich um eine andere Art des Rennfahrens. Ich fühle mich hier sicherer als bei den IndyCars. Oder als im Rallyesport oder in der MotoGP. Das gibt mir das Vertrauen, Rennen zu fahren."
Im Cockpit spielen diese Gedanken aber keine Rolle: "Man fährt hart und tut, was sich richtig anfühlt. Man fährt das Auto am absoluten Limit und holt so viel wie möglich heraus. Das bedeutet, dass man sich in gefährliche Situationen bringt. Man weiß aber, dass normalerweise alles in Ordnung ist, wenn wir crashen. Wir steigen einfach wieder ein und es geht weiter." Er vermutet aber, dass dieses Kredo für seine Kollegen in den USA nicht mehr gilt: "Ich glaube, für die Jungs in Amerika ist das derzeit etwas anderes."