• 08. September 2025 · 00:01 Uhr

Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Mattia Binotto

Eine der ersten Weichenstellungen, die Mattia Binotto als neuer Audi-Chef in der Formel 1 getroffen hat, erweist sich ein Jahr später als absoluter Goldgriff

(Motorsport-Total.com) - Mit einem Jahr Abstand wirkt es wie eine absolute Selbstverständlichkeit, dass Gabriel Bortoleto für das Schweizer Sauber-Team Formel 1 fährt. Fast unvorstellbar, dass Mattia Binotto den jungen Brasilianer durch sein Fernglas hätte übersehen und jemand anderem den Vorzug geben hätte können. Doch so einfach, wie sie heute aussieht, war die Sache damals nicht.

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Mattia Binotto hat mit Gabriel Bortoleto eine goldrichtige Entscheidung getroffen Zoom Download

Rund um Monza 2024 begannen im Fahrerlager erste Gerüchte zu kursieren, dass Bortoleto bei Audi auf dem Radar stehen könnte. Noch bevor sein beeindruckender "Von-ganz-hinten-nach-ganz-vorne"-Sieg in der Formel 2 Realität wurde. Damals war er lediglich Titelanwärter, kein Champion. Zweifellos ein großes Talent, aber Garantien gab es keine.

Wie viele junge, vielversprechende Fahrer hat es schon gegeben? Bei Sauber saß mit Theo Pourchaire einer davon auf der Bank. Einst als kommender Superstar gehandelt, im Gegensatz zu Bortoleto bereits Formel-2-Champion. Doch, so heißt es im Umfeld des Teams, eine Beförderung sei für ihn nie ein Thema gewesen.

Dass stattdessen Robert Schwarzman im Vorjahr die Freitagstrainings bestreiten durfte, sprach Bände. Der mittlerweile russisch-israelische Rennfahrer, von Binotto persönlich einst hoch geschätzt, wirkte in seiner ersten Formel-2-Saison noch wie ein Rockstar. Nur ein Jahr später war er fast völlig vom Formel-1-Radar verschwunden. Zwei Beispiele direkt vor den Augen der Italiener.

Bottas hatte den Vertrag schon unterschrieben

Fast schon offenes Geheimnis: Valtteri Bottas hatte im frühen Herbst sogar einen neuen Vertrag mit Sauber (einseitig) unterschrieben, übergab das Papier an den neuen Teamchef - und wurde erstmal hingehalten. Vermutlich lag der Vertrag eine Zeit lang auf Binottos Schreibtisch. Vielleicht hatte er sogar schon den Stift in der Hand.

Doch während die Gespräche mit Bortoleto voranschritten und dessen Leistungen in der Formel 2 immer stärker wurden, setzte das Papier erst Staub an, wanderte dann unter einen Stapel von "Boxenstopp-Problemlösungen" und schließlich in eine untere Schublade. Spätestens beim Brasilien-Grand-Prix dürfte es im Papierkorb gelandet sein.

Worum es in den Gesprächen mit Bortoleto genau ging, wird man nie in Gänze erfahren. Doch der Irrglaube, es sei einzig und allein um Titel gegangen, wäre ein Fehler. So einfach ist es in der Formel 1 nie. Die Ergebnisse bewiesen Bortolotos außergewöhnliches Talent, und sein Platz im exklusiven Club jener, die Formel 3 und Formel 2 gleich im ersten Anlauf gewonnen haben, war längst gesichert, da hatte er sein Formel-1-Cockpit schon in der Tasche. Binottos Gründe gingen tiefer.


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Fragt man Carlos Sainz, erzählt er, wie verblüfft er war, als er 2020 erfuhr, dass Binottos Ferrari-Team seine gesamte Karriere durchleuchtet hatte - bis zurück in die Kart-Zeiten -, ehe es ihn als Vettel-Nachfolger ansprach. Nicht allein die Ergebnisse, sondern Arbeitseinstellung und Methodik waren für den Italiener entscheidend.

Vielleicht war es bei Bortoleto ähnlich: seine Lernbereitschaft, die Fähigkeit, Informationen aufzusaugen wie ein Schwamm - und nicht zuletzt seine persönliche Sympathie.

Bortoleto: Eine ungewöhnliche Begegnung im Paddock

Schon in Bahrain, bei den Wintertests, überraschte mich ein Gespräch mit Nico Hülkenbergs Manager Raoul Spanger. "Ein unglaublich netter Kerl", sagte er beiläufig. Normalerweise nutzt ein Manager solche Gelegenheiten, um den eigenen Fahrer ins rechte Licht zu rücken, nicht den Stallrivalen. Minuten später kam Bortoleto vorbei, um Spanger herzlich zu umarmen: "Mann, wenn ich groß bin, will ich so sein wie du!" Beide lachten, dabei kannten sie sich erst seit wenigen Monaten.

Als Hülkenberg wenig später wegen eines winzigen Carbonsplitters im Auge seine Trainingssession abbrechen musste, stürmte Bortoleto mit eigener Notfallausrüstung in dessen Zimmer, um seinem neuen Teamkollegen zu helfen. Der verpasste sogar die erste Pressekonferenz des Jahres.

Obwohl Binotto Hülkenberg nicht selbst verpflichtete, ist das Duo heute eines der harmonischsten im Feld. Man spürt es in den Schulterklopfern nach Qualifyings und Rennen, sieht es in Saubers Social-Media-Videos mit dem Running-Gag über den "alten Hulk". Man spürte es, als Bortoleto in Silverstone als Erster durch in den Parc ferme rannte, um Hülkenberg nach dessen Podium zu gratulieren.

Steckt hinter den Nettigkeiten eine Strategie?

Bortoleto wirkt fast zu nett - so sehr, dass man sich fragt, ob dahinter nicht auch eine Taktik steckt, um möglichst viel Wissen aus dem Fahrerlager zu ziehen. Er freundet sich nicht nur mit Hülkenberg an, sondern auch mit Max Verstappen, der offen erzählt, er teile mit dem Brasilianer nicht nur seine Simulator-Set-ups, sondern auch praktische Ratschläge. Und dazu kommt noch Bortolotos Manager, selbst zweimaliger Weltmeister.

Er lernt von jeder Begegnung. Und er lernt schnell. In den vergangenen sieben Qualifyings - F1-Sprint in Spa eingeschlossen - war Bortoleto schneller als Hülkenberg, ein Fahrer, der seit jeher als einer der besten Qualifyer des Grand-Prix-Sports gilt.

Bemerkenswert ist, wie Hülkenberg selbst damit umgeht. Auf die Frage, ob Bortoleto derzeit die Nase vorn habe, hätte er leicht auf Balanceprobleme oder "ungewöhnliches Fahrverhalten" verweisen können. Doch er sagte schlicht: "Er macht einfach einen richtig guten Job. Er ist wie eine Maschine, spult Runde um Runde ab wie ein Drucker, dem nie die Tinte ausgeht. Er macht kaum Fehler für einen Rookie, fährt seine Runden locker und stark. Er ist eindeutig einer für die Zukunft."

Wann hat man zuletzt einen Formel-1-Fahrer so über seinen Teamkollegen reden hören?

Bortolotos Saisonstart war weniger spektakulär als der von Andrea Kimi Antonelli, und auch einen Zandvoort-Moment wie Isack Hadjar hatte er noch nicht. Doch seine Entwicklungskurve beeindruckt: Nicht nur die Qualifying-Pace, auch im Rennen fühlt er sich in den Top 10 zunehmend zuhause.

Sein Monza-Wochenende war vielleicht kein "10 von 10"; ein späterer Stopp zusammen mit Alonso wäre wohl klüger gewesen. Doch das war fast der einzige sichtbare Makel.

Sicherlich weiß Binotto noch mehr über das Tempo dieser Entwicklung. Aber viel mehr braucht es auch nicht, um zu erkennen: Seine Entscheidung - eine der ersten großen seit seinem Amtsantritt bei Audi - zahlt sich bereits aus. Spätestens das Monza-Wochenende dürfte letzte Zweifel beseitigt haben.

Bortolotos weiterer Weg hängt stark von Audis Motorenabteilung in Neuburg an der Donau ab. Doch daran ändert sich nichts: Sollte Audi sportlich Fahrt aufnehmen, hat Binotto das Fundament für ein künftiges Superstar-Projekt bereits gelegt.

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