• 07. Juli 2025 · 07:08 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Charles Leclerc

Ein Rohdiamant, keine Frage, aber einer, der das Zeug zum Weltmeister hat? Warum Charles Leclerc langsam Gefahr läuft, ein bisschen wie Jean Alesi zu enden ...

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

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Charles Leclerc: Wann schafft er den Schritt vom Rohdiamanten zum geschliffenen Produkt? Zoom Download

erinnert ihr euch noch an Jean Alesi? Der leidenschaftliche Franzose im Ferrari, der mit seiner Furchtlosigkeit immer ein wenig an Gilles Villeneuve erinnert hat, galt besonders am Beginn seiner Karriere als kommender Formel-1-Champion. Unvergessen, wie er 1990 in Phoenix den großen Ayrton Senna herausforderte, mit dem unterlegenen Tyrrell, und am Ende Zweiter wurde, beim Auftakt seiner erst zweiten Saison in der Königsklasse des Motorsports.

Jahrelang waren sich die Experten im Formel-1-Paddock einig, dass Alesi früher oder später Weltmeister werden würde. Eher früher als später. Im Sommer 1990 wollten ihn mit Ferrari und Williams gleich zwei der großen Teams unter Vertrag nehmen. Alesi unterschrieb bei beiden, und am Ende entschieden die Rechtsanwälte, dass er zu Ferrari gehen muss. Viele fragen sich heute noch, wie seine Karriere wohl verlaufen wäre, wenn er 1992 statt Nigel Mansell, 1993 statt Alain Prost und 1994 statt Ayrton Senna im Williams gesessen wäre. Vielleicht wäre er heute dreimaliger Champion.

Aber es kam anders. Alesi ging zu Ferrari, einem Team, das unmittelbar nach Enzos Tod noch nach seiner neuen Identität suchte und diese erst Ende der 1990er-Jahre fand, als Michael Schumacher kam und Alesi schon wieder weg war.

Am Ende seiner Karriere, die in der Formel 1 bis 2001 dauerte, stand nur ein einziger Grand-Prix-Sieg. Eine Statistik, die mit dem natürlichen Speed und der Car-Control Alesis eigentlich überhaupt nicht zusammenpasst. Aber im Rückblick war er wahrscheinlich a) nicht nervenstark genug, hielt sich b) viel zu früh selbst für einen Superstar, und war c) bei Ferrari nicht richtig aufgehoben.

Vielleicht fantasiere ich ja. Aber erkennt der/die eine oder andere Parallelen zu Charles Leclerc?

Leclerc: Fällt er jetzt gegen Hamilton zurück?

Der inzwischen 27-jährige Monegasse, der am Samstag sieben "Fucks" benötigt hat, um seine eigene Leistung zu beschreiben ("Fuck, fuck, fuck, fuck, fuck that. So fucking shit I am. I am so fucking shit. That's all I am."), war auch nach dem Rennen nicht wahnsinnig zufrieden mit seiner eigenen Performance. Er sagte nach der Zieldurchfahrt am Boxenfunk: "That was fuckingly bad." Also, sinngemäß: "Das war richtig schlecht von mir."


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Es mag merkwürdig klingen, aber wenn Leclerc selbst von Lewis Hamilton geschlagen wird, dann schrillen bei ihm die Alarmglocken. "Wo verliere ich auf Lewis? Ich schätze, überall ein bisschen?", wollte er während des Rennens in Silverstone einmal wissen. "Ja, überall ein bisschen", antwortete sein Renningenieur. Und als Leclerc geraten wurde, er könne in den Kurven 1, 2, 12 und 13 am meisten Zeit gewinnen, staunte er nur: "Wie kann das sein? Kurve 1 und 2 fahre ich sowieso schon voll!"

Silverstone war das erste Wochenende, an dem Leclerc der gefühlt etwas Langsamere der beiden Ferrari-Piloten war. Kein Wunder, denn der alte Militärflugplatz ist nicht nur das Home of British Motor Racing, sondern quasi auch Hamiltons Wohnzimmer. Seit 2013 stand der siebenmalige Weltmeister dort immer auf dem Podium (bis gestern), und mit neun RAC-Goldpokalen ist er Rekordsieger in Silverstone. Haushoch.

Doch einiges spricht dafür, dass Silverstone im teaminternen Armdrücken nicht nur eine Eintagsfliege war, sondern eine Trendwende. Jerome D'Ambrosio, der Stellvertreter von Frederic Vasseur als Teamchef, hat am Freitag ausgeplaudert, dass Hamilton in Sachen Set-up jetzt begriffen hat, dass er wie Leclerc versuchen muss, mit einem losen Heck einfach zu leben, anstatt dieses zu kurieren. Und siehe da, schon wechselt die interne Dynamik zu seinen Gunsten.

Respektabel, aber am Ende zu wenig?

Leclerc hat 2018 in der Formel 1 angefangen. Ende 2025 wird er sein achtes Jahr beendet haben, das siebte davon auf Ferrari. Und er steht immer noch bei verhältnismäßig mickrigen acht Grand-Prix-Siegen. 2022 wurde er Zweiter, 2024 Dritter in der Fahrer-Weltmeisterschaft. Respektable Errungenschaften, sicher. Aber im Grunde genommen viel zu wenig für einen Mann seines Talents.

In Silverstone wurde Leclerc am Ende 14., mit fast einer Runde Rückstand. Da war nicht mehr viel übrig vom unbekümmerten jungen Mann, der 2019, genau wie vom damaligen Sauber-Physio Josef Leberer vorhergesagt, auf Anhieb Sebastian Vettel das Leben schwermachte und letztendlich dessen interne Vormachtstellung bei Ferrari beenden konnte.

In der Fahrerwertung 2025 liegt Leclerc zur Halbzeit an fünfter Position, mit 119 Punkten. Hamilton, obwohl gefühlt an den meisten Rennwochenenden langsamer, ist mit 103 Punkten nahe an ihm dran. Ich gebe zu: Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass Leclerc nach Vettel den nächsten Mehrfach-Champion auseinandernimmt und Hamilton bei Ferrari in Rente schickt. Aber danach sieht es Stand nach Silverstone nicht aus. Es riecht jetzt eher nach einem Duell auf Augenhöhe. Was für Hamilton spricht. Und gegen Leclerc.

Nicht falsch verstehen: Es ist eine herausragende Lebensleistung, am Ende zehn Jahre bei Ferrari Formel 1 gefahren zu sein, mit ein paar Grand-Prix-Siegen zum Drüberstreuseln. Sie lieben Leclerc in Italien - und das gilt nicht nur für den mächtigen Agnelli-Clan, sondern auch für die Fans in Imola und Monza. Ich bin mir sicher, Jean Alesi würde aus heutiger Sicht unterschreiben, dass er ein tolles, privilegiertes Leben hatte. Mit nicht zu knapp Dollars auf dem Bankkonto, was nicht das Allerwichtigste ist, aber dabei hilft, die Rente ein bisschen entspannter anzugehen.

Nur: Charles Leclerc ist halt dann doch nicht Jean Alesi. Im Go-Kart hat er bewiesen, dass er eigentlich eher zur Liga Max Verstappen gehört. Es wird langsam mal Zeit, dass er den Beweis dafür antritt. Und Weltmeister in der Formel 1 wird.

2025 klappt das schon mal nicht.

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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