• 16. Juni 2025 · 06:07 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Lando Norris

Was Lando Norris mit Nigel Mansell verbindet und warum die Serie an Unsicherheiten in entscheidenden Momenten in Sotschi 2021 begonnen hat

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

Foto zur News: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Lando Norris

Lando Norris fehlt es in entscheidenden Situationen oft an der nötigen Abgebrühtheit Zoom Download

was hat sich Lando Norris nur dabei gedacht? Die Art und Weise, wie er am Sonntag in der 67. Runde des Grand Prix von Kanada 2025 mit Oscar Piastri kollidiert ist, wirkte schon ziemlich amateurhaft. Der McLaren-Pilot sah eine Lücke, wo keine war - und fuhr dem eigenen Teamkollegen einfach hinten drauf.

Mein Verdacht: Nachdem sein Überholversuch in der Zielkurve noch knapp gescheitert war, wollte er den Geschwindigkeitsüberschuss bei Start und Ziel auf Biegen und Brechen nutzen, um bei Kurve 1 die entscheidende Attacke zu reiten. Denn weil Piastri die Schikane aufgrund des späten Bremsmanövers nicht perfekt getroffen hatte, hatte Norris den Schwung auf seiner Seite.

Er saugte sich im Windschatten und mit aufgeklapptem Flügel an Piastri ran und wäre wohl innen locker auf gleiche Höhe gekommen, hätte er einen Weg an Piastri vorbei gefunden. Aber diesen Weg gab es nicht, weil Piastri sich geschickt positionierte. Und weil Norris keinesfalls lupfen wollte, krachte es.

Schon nach Miami hat der 25-Jährige schlecht geschlafen, und nach dem Rennen in Montreal kann es keinen anderen als Frontmann für diese Kolumne geben. Norris hat's verbockt, und das wusste er auch. Gleich sein erster Funkspruch lautete: "Mein Fehler", gab er sofort zu, und: "Dumm von mir."

Darüber gab es nichts zu diskutieren. Dass er für die Aktion am Ende auch noch mit einer Fünfsekundenstrafe belegt wurde, die für das Rennergebnis aber keine Rolle spielte, könnte man sogar noch als glücklich bezeichnen. Viele Fans fragen sich, ob die Rennkommissare auch so milde geurteilt hätten, wenn Piastri danach noch ein Hinterreifen geplatzt wäre.

Was Norris und Nigel Mansell verbindet

Dass solche Fehler vorkommen können ... Geschenkt. In der Formel 1 sind größeren Namen schon dümmere Dinge passiert. Nigel Mansell etwa würgte 1991 als sicher scheinender Sieger in Kanada den Renault-Motor seines Williams ab, weil er zu sehr damit beschäftigt war, den Zuschauern zuzuwinken.

Norris' Problem ist nur: Bei ihm wird die Liste der Fehler in denkbar ungünstigen Situationen immer länger. Während Piastri gefühlt immer abgebrühter wird, je näher er dem Traum vom WM-Titel rückt, wirkt es bei Norris fast so, als trete bei ihm genau der gegenteilige Effekt ein. Wenn es so etwas wie ein "Champion-Gen" gibt bei Formel-1-Fahrern, dann scheint Norris es (noch?) nicht zu haben.

Die Geschichte seiner ganz bitteren Niederlagen beginnt am 26. September 2021. Es war jener Russland-Grand-Prix, den Norris beinahe gewonnen hätte, wenn ihm nicht das Wetter und die eigenen Nerven einen Strich durch die Rechnung gemacht hätten.

Zur Erinnerung: Der damals 21-Jährige fuhr ein blitzsauberes Rennen und hatte eine Hand am Pokal, als es in Sotschi zu regnen begann. Am vom Kommandostand eher chaotisch organisierten Boxenfunk überließ man ihm die Entscheidung, ob er auf Slicks bleiben möchte oder nicht. Norris entschied sich dafür, es mit Slicks zu versuchen, rutschte von der Strecke, musste danach doch noch Reifen wechseln und kam letztendlich als Siebter ins Ziel.

Norris muss zum Ulf Kirsten der Formel 1 werden

Es gibt Rennfahrer, die schlagen sofort zu, wenn sich ihnen eine Chance bietet. Max Verstappen ist so einer. Als er in Barcelona 2016 im ersten Rennen für Red Bull Racing die Gelegenheit roch, den Grand Prix zu gewinnen, tat er es. Und es gibt solche, die haben zwar das Talent und den Speed, aber offensichtlich nicht die nötige Abgebrühtheit, um den Sack ein ums andere Mal kaltschnäuzig zuzumachen.

Man kennt das auch aus dem Fußball: Es gibt Stürmer, die sind schnell wie der Blitz, stechen schneller als jeder Verteidiger in Lücken auf dem Spielfeld - und schießen vor dem Tor dann ein ums andere Mal daneben. Und es gibt den typischen "Knipser", der läuferisch und technisch vielleicht gar nicht so versiert ist, aber jedes Mal vollstreckt, wenn sich eine Chance bietet. Ulf Kirsten war so einer, um ein Beispiel zu nennen.


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Lando Norris ist kein "Knipser". Zumindest bisher nicht. In Situationen wie am Sonntag in Montreal fehlt ihm die innere Ruhe und Gelassenheit, um instinktiv die richtige Entscheidung zu treffen. Wobei sich der Hebel, den er umlegen muss, im Kopf befindet und nicht im Gasfuß.

Denn schnell war er im Grand Prix von Kanada. Von der 51. bis zur 58. Runde ist es ihm gelungen, 4,5 Sekunden Rückstand zuzufahren. Ja, seine Reifen waren um zwei Runden frischer. Aber Norris war auch von Platz 7 aus ins Rennen gestartet und hatte eigentlich die schlechteren Vorzeichen als Piastri.

Wäre Rosberg der perfekte Norris-Support?

"Für mich ist Oscar Piastri ab heute der ganz klare WM-Favorit", sagte Nico Rosberg in seiner Analyse bei den Kollegen von Sky. Denn der Australier sei "unglaublich solide" unterwegs und könne sein hohes Level "die ganze Zeit" halten. Und "der Norris macht die ganze Zeit Fehler".

Rosberg weiß genau, was es bedeutet, eine innerlich vollkommen unsichere Persönlichkeitsstruktur zu überwinden, um Formel-1-Weltmeister zu werden. 2016 Lewis Hamilton bei Mercedes zu schlagen, rang ihm so viel Hingabe ab, dass er am Saisonende völlig überraschend zurücktrat, als er den WM-Pokal endlich in Händen hielt. Aber er weiß zumindest, wie das geht.

Vielleicht hätte Norris mal antworten sollen, als ihm Rosberg angeboten hat, ihm zu helfen. Auf mich wirkt es so, als würde Nico in Norris ein bisschen was von sich selbst sehen. Nämlich einen herausragend talentierten Fahrer, der es vom Speed her mit wirklich jedem aufnehmen kann. Der aber seine eigenen Unsicherheiten überwinden muss, um in einem brutalen Sport wie der Formel 1 auf höchstem Niveau erfolgreich sein zu können.

Die gute Nachricht ist: Nigel Mansell wurde ein Jahr nach seinem Malheur in Kanada 1992 doch noch Formel-1-Weltmeister, als ihn viele schon abgeschrieben hatten. Vielleicht gelingt Norris 2026 ja ein ähnliches Kunststück. Und die Saison 2025 ist, das möchte ich nicht unterschlagen, auch noch lange nicht vorbei ...

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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