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Kolumne: Warum die V10-Diskussion zu kurz greift
Mit dem Benzindurchflusslimit gibt es einen Faktor, der Debatten um Hubraum und Zylinder überflüssig macht - Warum die Formel 1 den radikalen Schritt gehen sollte
(Motorsport-Total.com) - Liebe Freunde des guten Sounds,

© Giorgio Piola
Die V6-Motoren stehen in der Formel 1 seit ihrer Einführung 2014 für ihren mageren Sound in der Kritik Zoom Download
in eine Zeit, in der mit der Brechstange herbeigeführte, überhastete Ideen auf höchster Ebene in der Politik höchste Wellen schlagen, passte diese Debatte irgendwie rein. Die V10-Debatte kam aus dem Nichts, nahm urplötzlich Fahrt auf und wird nun erstmal wieder in der Schublade verschwinden.
Was bleibt nun, außer viel aufgewirbeltem Staub? Vor allem die Grundsatzfrage. Diese ist an sich nicht falsch und sollte für die Diskussionen für das Reglement ab 2031 herangezogen werden. Fortschritt und laute Motoren, das schloss sich lange Zeit aus. Schallemissionen sind rausgeblasene Energie, in der Effizienz lag das Heil für den Planeten.
Doch seit klimafreundliche Kraftstoffe im Motorsport eine immer schnellere Entwicklung nehmen, ist diese Debatte eigentlich gar nicht mehr nötig. Das Beste aus beiden Welten nehmen, klingt nach einem vernünftigen Ansatz. Und diesen sollte man für künftige Motoren auch nicht beerdigen.
Trotzdem bleibt festzuhalten: Diese Diskussion, so disruptiv sie gewesen sein mag, ging die ganze Zeit nicht weit genug.
Die einen wollen V8, andere V10, wiederum andere sehnen sich nach V12-Motoren zurück. Aber da diskutieren wir in viel zu engen Grenzen mit Limits von gestern. Es ist an der Zeit, über den Tellerrand hinauszuschauen und uns von alten Limits zu lösen. Denn seit der Limitierung des Benzindurchflusses im Jahr 2014 brauchen wir eigentlich keine Hubraum- und Zylinderdiskussionen mehr.
Warum nicht einfach alles erlauben und einfach nur den Benzindurchfluss in Abhängigkeit zur Drehzahl begrenzen? Okay, gewisse Limits sollte man vielleicht setzen, damit niemand mit einem LKW-Motor kommt. Aber die Regeln sollten Spielraum lassen.
Drehzahlfaktor wie in Le Mans
Natürlich muss man kein Ingenieur sein, um einzuwenden, dass verschiedene Motoren verschiedene Drehzahlen aufweisen. Doch für dieses Problem wurde in der Sportwagenszene längst eine Lösung gefunden. Hier wird die Nenndrehzahl einfach ins Verhältnis zur Maximaldrehzahl gesetzt.
In der Hypercar-Kategorie ist die Leistungskurve der Motoren genau vorgegeben. Keine Sorge, die Leistung begrenzen wir in der Formel 1 nicht, wir ziehen diese nur wegen des Drehzahlfaktors heran. Konkret wird die aktuelle Drehzahl durch die per Homologation maximale Drehzahl geteilt. Heraus kommt ein Wert zwischen 0 und 1.
Nehmen wir als Beispiel einen Motor mit maximal 10.000 Umdrehungen pro Minute. Für diesen würde in Le Mans gelten: 289 kW bei 6.000 U/min (Koeffizient 0,6), 413 kW bei 7.500 U/min (Koeffizient 0,75), die Höchstleistung von 500 kW (680 PS) würde bei 9.500 U/min anliegen, dahinter fällt sie wieder leicht auf 495 kW bis zum Begrenzer ab.
Für einen Motor mit 5.000 Umdrehungen pro Minute gelten dann die 289 kW bei 3.000 U/min (weiterhin Koeffizient 0,6) und 413 kW bei 3.750 U/min (0,75). Für einen Motor mit maximal 15.000 Umdrehungen wären es dieselben Werte für 9.000 U/min und 11.250 U/min. Alle Motoren folgen derselben Leistungskurve.
Das Prinzip funktioniert in der Le-Mans-Szene sehr gut und es gibt kaum Diskussion um die Motorleistung. Es kommen Saug- und Turbomotoren zum Einsatz, vom 2,4-Liter-V6-Turbo bis zum 5,5-Liter-V8-Sauger.
Die Leistung in der Formel 1 zu begrenzen, würde natürlich dem Grundgedanken des Sports widersprechen. Aber statt einer Leistungsvorgabe ließe sich die Leistungsvorgabe schlicht durch den Benzindurchfluss bei jedem Koeffizienten ersetzen. Das Motorenprinzip wäre dann völlig freigestellt.
Vielfalt statt Einengung
Ein paar lose Vorschriften (Gesamtgewicht und Schwerpunkt des Motors, aller Kolben zusammen, Kurbelwelle und so weiter) würden Parität schaffen und das Reglement sogar entschlacken. Denn derzeit werden selbst Pleuelstangen im Gewicht genormt und Materialien für alle möglichen Motorteile vorgeschrieben.
Ach ja: Eine Mindestlaustärke könnte man auch noch vorschreiben. Das wäre mal eine Abwechslung zu den sonst immer strikteren maximalen Lärmvorschriften anderer Rennserien.
Die Vorteile lägen auf der Hand: Jeder kann bauen, was er möchte. Die Autos würden wieder größere Vielfalt beim Sound aufweisen, was beim Publikum ankommen sollte. Und die Ingenieure können ihrer Kreativität freien Lauf lassen.
Traut euch den Schritt, er wird es wert sein!
Euer
Heiko Stritzke
Wussten Sie, dass...?
- es tatsächlich bereits eine Berechnungsformel in der Formel 1 für den Benzindurchfluss bei niedrigeren Drehzahlen gibt? Sie lautet 0,009 x Drehzahl + 5,5 Kilogramm pro Stunde. Beispiel: Bei 9.000 Umdrehungen pro Minute wären es 0,009 x 9.000 + 5,5 = 86,5 kg/h.
- es zuletzt 1997 Motoren mit unterschiedlicher Zylinderzahl bei gleichem Reglement in der Formel 1 gab? Damals waren Tyrrell und Minardi die letzten Verfechter des V8-Motors, der es gegen die V10-Meute aufnahm.
- 1998 das allererste Jahr der Formel 1 überhaupt markierte, in dem alle Autos dasselbe Motorenkonzept aufwiesen? Diese Serie dauert bis heute an - mit der Ausnahme 2006, als das frisch aus Minardi hervorgegangene Toro-Rosso-Team noch ein Jahr lang einen gedrosselten 3,0-Liter-V10-Motor des Vorgängerreglements verwenden durfte, während die Konkurrenz bereits die 2,4-Liter-V8-Motoren verwendete.
- die größte Zahl der Motorkonzepte (ungeachtet der Aufladung) bei sechs liegt? 1964, in der 1,5-Liter-Ära, gab es Reihen-Vierzylinder, V-Motoren mit sechs, acht und zwölf Zylindern sowie Boxermotoren mit vier und zwölf Zylindern. Sie traten aber nie alle gleichzeitig in einem Rennen an.