• 08. April 2024 · 04:50 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Bruno Famin

Ein bissiger Verriss des Alpine-Teams, dessen peinliche Vorführungen in der Formel 1 man sich spätestens nach Suzuka wirklich nicht mehr schönreden kann ...

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

Foto zur News: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Bruno Famin

Ist Bruno Famin der Richtige, um Alpine an die Spitze zu führen? Die Bilanz zeigt: Nein! Zoom Download

erstmal muss ich heute, ausnahmsweise, was in eigener Sache loswerden. Denn die Schwesterkolumne "Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat", die hat diesmal ein neuer Kollege in unserem Team aufgeschrieben: Frederik Hackbarth. Frederik verstärkt seit 1. April unser Team und setzt sich bei seiner Premiere mit der Frage auseinander, ob Sergio Perez mit seinen starken Leistungen gerade das Red-Bull-Ticket für 2025 löst. Könnt ihr hier nachlesen!

Aber nun zur Sache.

Ich bin ja, dazu bekenne ich mich gern auch öffentlich, ein großer Fan der Formel-1-Übertragungen des ORF. Kommentator Ernst Hausleitner und Experte Alexander Wurz schaffen es auf eine Art, wie nur Österreicher das können (Sorry für die Voreingenommenheit, meine lieben deutschen Freunde!), sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen und dabei auf charmante Art und Weise unterhaltsam zu sein, und den Grand-Prix-Sport trotzdem wahnsinnig kompetent zu präsentieren.

Beim Grand Prix von Japan in Suzuka hat Hausleitner für mich den Satz des Wochenendes live kommentiert. Als bei uns in der Redaktion während des Rennens gerade ein Kollege flachste, das müsse doch ein "optischer Trick" sein, weil es gar nicht sein kann, dass "zwei Alpines in so kurzer Zeit 20 Mal überholt werden", sprach Hausleitner ganz unverblümt aus, was Millionen von TV-Zuschauern gerade gedacht haben müssen: "Der Alpine ist, verzeihen Sie, eine Krücke. Die werden durchgereicht wie ein Staffelholz."

Am Ende wurde Esteban Ocon 15. und Pierre Gasly 16., beide waren überrundet, und vor der Totalblamage der letzten Plätze rettete sie nur Logan Sargeant, der mangels Talent montags nach einem Formel-1-Rennen auch immer ein potenzieller Dauerbrenner als Thema für diese Kolumne ist, mit seinem "Mumpitz" (Copyright: Ralf Schumacher) in der zweiten Degner-Kurve.

Wie man, übrigens, an der Stelle nach einem Ausritt ins Kiesbett so gedankenlos auf die Strecke zurückfahren kann wie Sargeant, und das noch dazu ohne dafür sanktioniert zu werden, ist mir ein Rätsel. Fernando Alonso und Oscar Piastri waren zum Glück aufmerksam genug, den Williams nicht mit vollem Karacho aufzuspießen.

Schumacher fiel dazu in der Sky-Übertragung nur ein: "Wow. Ja, also ... Ja. Okay." Und Kommentator Sascha Roos meinte: "Damit ist alles gesagt."

Was Eddie Irvine mit Bruno Famin zu tun hat

Eddie Irvine hat mir 2016 in unserer damaligen Videoserie "Ein Drink mit Eddie Irvine" erzählt, das Management bei Jaguar habe in seiner Zeit dort agiert wie "headless Chicken", also wie geköpfte Hühner, die vor ihrem qualvollen Tod noch eine Weile unkoordiniert durch die Gegend rennen und dabei nicht wirklich wissen, was sie tun.


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Das, was gerade bei Alpine passiert, hat mich irgendwie an Eddies Aussage von damals erinnert.

Zur Verteidigung der wirklich armseligen Performance in Suzuka sei gesagt: Durch den Zwischenfall am Start hatten Gasly 30 und Ocon 15 Punkte aerodynamischen Anpressdruck verloren. Gasly meinte sogar, das Auto sei so unfahrbar gewesen, dass er nur noch in der Hoffnung weiterfuhr, es werde noch einmal eine rote Flagge geben. Denn dann hätte seine Crew den Schaden in der Pause reparieren dürfen.

Nicht einmal dabei war auf Sargeant Verlass, nebenbei bemerkt.

Nach dem Rennen wirkte auch die Kommunikation der beiden Fahrer unkoordiniert. Gasly sprach von 40 Punkten weniger Anpressdruck, Ocon meinte, es sei gar nichts kaputt gewesen. Dass es beim einen 30 und beim anderen 15 Punkte waren, musste mein Kollege Jonathan Noble beim Team separat recherchieren.

Okay, schwamm drüber. Zehn Minuten nach Rennende nicht alle Fakten zu kennen, ist nun wahrlich kein Verbrechen.

Aber: Den Schaden - ganz egal, wie groß er letztendlich war - hatten sich die beiden selbst zuzuschreiben. Gasly zog nämlich beim (stehenden) Neustart ziemlich abrupt nach links, um Yuki Tsunoda auf der rechten Seite Platz zu lassen, und Ocon trug wenig dazu bei, Abstand zu seinem Teamkollegen zu halten, obwohl er diesen neben sich ganz wunderprächtig gesehen haben muss.

Kann passieren, wirklich. Sollte aber nicht. Und gerade wenn die beiden Franzosen, die einander noch nie gut leiden konnten, ineinander krachen, schauen die ewigen Nörgler wie ich natürlich besonders genau hin.

Bruno Famin: Eine ziemlich kurze Erfolgsbilanz

Es würde mich überraschen, sollte Teamchef Bruno Famin angesichts der katastrophalen Darbietung seines Teams im Flieger gut geschlafen haben.

Bisher, fand ich zumindest, hatte er stets einen Hang zur Schönfärberei, wenn es darum ging, die Lage des Rennstalls einzuschätzen. Zumindest das bekam er nach Suzuka nüchterner hin: "Wir sind zu langsam", analysierte er, und: "Wir müssen in allen Bereichen besser werden."

Dem ist nichts hinzuzufügen. Wirklich nichts.


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Als ich das Rennen beobachtete und fast Mitleid dabei empfand, wie die Alpines von der Konkurrenz vorgeführt und hingerichtet wurden, ertappte ich mich beim Gedanken, wie viel Überwindung es Renault-CEO Luca de Meo wohl kosten würde, sich einzugestehen, dass Otmar Szafnauer vielleicht doch der bessere Teamchef war als Famin.

Eigentlich müsste de Meo auf Knien angekrochen kommen und Szafnauer bitten, die Demütigung des vergangenen Sommers zu verzeihen und es doch nochmal mit Alpine zu probieren. Das wird natürlich nicht passieren. Weder würde de Meo fragen, noch würde Szafnauer zusagen. Aber sind wir mal ganz ehrlich: Die Erfolgsbilanz von Famin liest sich bisher recht überschaubar.

Ich finde es immer ein bisschen amüsant, wenn er davon redet, dass er (sinngemäß) den Sauhaufen aufräumen muss, den seine Vorgänger hinterlassen haben. Uns wurde ein Bär auf die Nase gebunden von einer technischen Umstrukturierung, von einer Neuaufstellung des Personals.

Die Wahrheit ist, so empfinden das zumindest viele im Paddock: Viele der Topleute bei Alpine wurden nicht rausgeschmissen, sondern haben schreiend das sinkende Schiff verlassen.

"Silly Season": Warum redet eigentlich keiner von Alpine?

Es ist doch bezeichnend, dass sich die halbe Formel 1 gerade in der "Silly Season" befindet, Topfahrer wie Max Verstappen, Carlos Sainz oder auch Fernando Alonso, und selbst Stardesigner wie Adrian Newey angeblich damit liebäugeln, sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Jeder, der da nicht die Chance erkennt und diesen Leuten ein Angebot unterbreitet, ist in seinem Job fehl am Platz.

Toto Wolff baggert ganz unverblümt an den Verstappens rum, Lawrence Stroll soll Newey de facto einen Blankoscheck ausgestellt haben, selbst Helmut Marko flirtet wieder mit Carlos Sainz rum, dessen Vater Carlos sen. bei Red Bull früher übrigens kein gern gesehener Gast mehr war, weil er sich in die Rennfahrerei seines Sohnes immer ein bisschen zu viel einmischen wollte.

Praktisch jeder wird mit jedem in Verbindung gebracht, nur ein Name fällt dabei nie: Alpine.

Klar, Alpine ist laut Konstrukteurs-WM das schlechteste Team der Formel 1. Aber Alpine ist auch ein Werksteam, und noch dazu eins, in das ein Konsortium rund um Hollywood-Superstar Ryan Reynolds erst im Juni 2023 200 Millionen US-Dollar für 24 Prozent der Anteile investiert hat.

24 Prozent bedeutet: ein Prozent unter einer Sperrminorität, mit der man wirklich was entscheiden könnte. Ich frage mich manchmal, ob Mister Reynolds manchmal zu Hause vor dem Fernseher sitzt und sich angesichts des peinlichen Schauspiels seiner beiden Autos wünscht, damals noch ein paar Millionen mehr draufgelegt zu haben, um heute mitreden zu können.

Mag schon sein, dass Famin nicht die richtigen Leute beisammen hatte, und dass es reinigend gewesen sein kann, den einen oder anderen davon loszuwerden.

Das Problem ist nur: Famin hat nicht das Scheckbuch eines Lawrence Stroll, nicht die Schlitzohrigkeit eines Helmut Marko und nicht den Charme eines Toto Wolff, um die "Big Names" der Branche davon zu überzeugen, dass es eine gute Idee wäre, zu Alpine zu kommen.

Alpine: Super Stoff für bissige Kolumnen und blöde Witze!

Immerhin taugt das Alpine-Engagement in der Formel 1 ganz wunderbar dazu, blöde Witze zu machen. Am Sonntagmorgen zum Beispiel stolperte ich über ein Foto, das Pierre Gasly dabei zeigte, wie er gerade aus seinem Dienstwagen stieg, einem Alpine A110 S (300 PS, Neupreis ab 76.950 Euro). Und der erste Gedanke, den ich hatte, war: Der Kofferraum ist zwar winzig - aber mehr Platz für WM-Punkte brauchen die aktuell eh nicht.

Es ist nicht so, dass Famin eine Marke mit einem klingenden Namen vor die Wand fahren würde. Alpine hat in der Formel 1 null Tradition, und wenn das so weitergeht, dann wird's diese auch in Zukunft nicht geben. "Headless Chicken" eben, wie Eddie Irvine damals gesagt hat. Eine Beschreibung, die heute zu Alpine irgendwie auch gut passen würde.

Bleibt zu hoffen, dass Monsieur de Meo und Mister Reynolds nicht genauso denken wie ich und noch dran glauben, dass Famin der Messias ist, der den Turnaround in den nächsten Jahren schaffen wird. Denn wenn das so weitergeht, wie es jetzt gerade läuft, kann eigentlich kein Investor ein Interesse daran haben, so ein Formel-1-Programm zu finanzieren.

Andererseits: Vielleicht ist ja zufällig Michael Andretti in der Nähe, wenn die Verlassenschaft von Alpine eines Tages als Ramschware auf dem Markt angeboten wird. Und kommt dann so über Umwege doch noch an seine Formel-1-Lizenz.

Selbst wenn Stefano Domenicali befürchtet, dass Andretti nicht das Zeug hat, sportlich zu bestehen: Sehr viel peinlicher als Alpine kann's ja wohl nicht werden, oder?

Euer Christian Nimmervoll


Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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