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Valtteri Bottas stellte in Melbourne Hamilton in den Schatten - und holte sich damit als einziger Fahrer Bestnote 1. Wie wir als Redaktion sonst benotet haben? Jetzt durchklicken!
Robert Kubica (5): Sein Comeback ist ein Märchen. Und das bleibt es. Auch ohne Happy End. Kubica war das ganze Wochenende der Langsamste im Feld. Im Freien Training krachte er in die Boxenmauer. Im Qualifying flog er in der schnellen Schikane ab. Und am Start wurde er ins Gerangel verwickelt. Da ist noch Luft nach oben.
Pierre Gasly (4): In Melbourne war er kein Ricciardo-Ersatz. Das Q1-Aus geht eher auf die Kappe des Teams. Im Rennen hing er lange hinter Kwjats Toro Rosso fest. Was mit einem Red Bull eigentlich nicht sein darf. Gasly passieren zu viele Fehler. Vor der 5 rettet ihn, dass sein Frontflügel nicht mehr vollen Abtrieb geliefert hat.
Daniel Ricciardo (4): Hülkenberg, das musste er beim Heimrennen lernen, ist eine harte Nuss. Im Qualifying blieb Ricciardo hinter dem Deutschen, obwohl der ein technisches Problem hatte. Der Ausritt am Start kann passieren, war aber vermeidbar. Die vielen Termine beim Heim-Grand-Prix helfen nicht. Dürfen aber keine Ausrede sein.
Antonio Giovinazzi (4): Ob er am beschädigten Flügel selbst schuld war oder nicht, können wir aus den Replays nicht rekonstruieren. Sein Fehler ist, dass er sich in die Rolle der Nummer 2 hinter Räikkönen drängen lasst. Er passt seinen Fahrstil an und lässt sich als Strategie-Puffer einsetzen. Da muss er selbstbewusster werden.
Alexander Albon (4): Bei den Tests hat er sich ebenso Fehler erlaubt wie im Training. Das darf einem Rookie passieren. Im DRS-Zug hinter Giovinazzi von Perez überholt zu werden eher nicht. Albon war das ganze Wochenende unauffällig. Er kann Autofahren. Und sich sicher noch deutlich steigern.
Carlos Sainz (3): Ein Fahrer, dessen Leistung man kaum bewerten kann. In Q1 schied er aus, weil er Opfer des Kubica-Abflugs wurde. Im Rennen streikte früh sein Hybridsystem. So sah er neben Rookie Norris schlechter aus, als er eigentlich ist. Im Zweifel für den Angeklagten. Daher Note 3.
Sergio Perez (3): Im Qualifying zeigte er, dass er der bessere Racing-Point-Fahrer ist. Im Rennen litt er unter der schlechteren Strategie. Zeigte aber trotzdem (gegen Albon), dass er überholen kann und einer ist, der seine Chancen nutzt. Momentan aber ist Perez vom Auto abhängig. Und das gehört zu den schlechteren im Feld.
Daniil Kwjat (3): Der Russe hat von seinem Speed nichts eingebüßt. Ist aber noch genauso unbesonnen wie früher. Die schiefgegangene Attacke gegen Stroll war übermotiviert. Im Qualifying setzte er sein Potenzial nicht um. Wenn Kwjat sein zweifellos vorhandenes Talent ausschöpfen möchte, muss er gelassener werden.
George Russell (3): Es ist schon beeindruckend, wie professionell der Rookie auftritt, obwohl die Situation bei Williams schlimmer nicht sein könnte. Den Teamkollegen hat er im Griff - aber Kubica ist keine echte Referenz. Seine Leistung möglichst objektiv zu bewerten, fällt angesichts dieser Umstände schwer.
Lance Stroll (3): Mit WM-Punkten beim Debüt im Team seines Vaters hat er den Kritikern bewiesen, dass er besser ist als sein Ruf. Im Rennen wurde er von Giovinazzi aufgehalten, länger als der vor ihm fahrende Grosjean. Vielleicht, weil er den ersten Grand Prix seiner dritten Formel-1-Saison einen Tick zu konservativ angelegt hat.
Romain Grosjean (3): Im Qualifying blieb er vor Magnussen, am Start fiel er hinter den Teamkollegen zurück. Dass Haas wieder den Boxenstopp verpatzt hat, ist nicht seine Schuld. Dass er später nicht an Norris vorbeikam, ist kein großer Kritikpunkt, aber ein kleiner. Australien und Grosjean, das wird einfach keine Love-Story mehr.
Charles Leclerc (3): Große Dinge hatte man vom jungen Monegassen erwartet, aber die (überzogene) Erwartungshaltung konnte er nicht ganz erfüllen. Ihm unterliefen in Melbourne kleine Fehler, auch im Qualifying. Und sein zweiter Stint im Rennen war besser als der erste. Alles in allem eine solide Leistung. Aber noch kein Feuerwerk.
Sebastian Vettel (3): Erstmal gibt's Entwarnung: Vettel wird 2019 nicht von Leclerc in die Rente geschickt. Warum der Ferrari so langsam war, ist allen ein Rätsel. Vettel hat nicht viel falsch gemacht - außer die Strategie. Und für die kann er (mutmaßlich) selbst nicht viel.
Lando Norris (3): Zweifellos der beste der drei Rookies. Sein Qualifying war stark - auch wenn wir nicht genau wissen, wo Sainz ohne sein Pech gelandet wäre. Im Rennen konnte er die Punkteränge nicht halten. Mit einem McLaren auch nicht ganz einfach. Da wächst ein großes Talent heran!
Kimi Räikkönen (3): Ja, das Qualifying war nicht ganz lupenrein. Sagt er auch selbst. Und die Pace im Rennen mittelmäßig. Aber das muss man richtig einordnen: Er kam früh an die Box und war damit auf der schlechteren Strategie. Und hatte ein Abreißvisier in der Bremsbelüftung hängen. Was für das Tempo nicht hilfreich ist.
Kevin Magnussen (2): Im Qualifying hat er teamintern die erste Niederlage kassiert, diese aber gleich am Start wieder ausgebügelt. Danach holte er das Maximum aus dem Haas heraus, ohne nennenswerte Fehler. Eine trockene, routinierte Performance.
Nico Hülkenberg (2): Der Renault ist noch nicht so gut in Form wie "The Hulk". Ein technisches Problem verhinderte seinen Einzug in Q3. Im Rennen holte er das raus, was möglich war. Typisch Hülkenberg. Und, am allerwichtigsten: Ricciardo hat er gleich gezeigt, dass er das Feld nicht kampflos räumen wird. Stark!
Lewis Hamilton (2): Bis auf den verlorenen Start hat Hamilton alles richtig gemacht, um das Rennen zu gewinnen. Er kämpfte wegen eines beschädigten Unterbodens schon ab der vierten Runde mit stumpfen Waffen. Und wurde trotzdem Zweiter. Das könnten am Ende der WM wertvolle 18 Punkte sein.
Max Verstappen (2): Zunächst sah es so aus, als sei Red Bull wieder nur dritte Kraft. Aber nach dem Wechsel auf die Medium-Reifen legte Verstappen ein sehr hohes Tempo an den Tag - und bewies allen anderen, dass man in Melbourne sehr wohl überholen kann, nämlich sogar Vettel im Ferrari. Platz drei ist ein gerechter Lohn.
Valtteri Bottas (1): Was sich Bottas ins Frühstück getan hat, würden wir gern wissen! Starkes Qualifying, nur knapp geschlagen, Start gewonnen, Rennen dominiert. Das war die Leistung eines Champions. Jetzt muss er es nur noch schaffen, diese konstant abzurufen. Dann ist er mittendrin im WM-Kampf.
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,
normalerweise servieren wir an dieser Stelle am Montagmorgen die Kolumne "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" meines Kollegen Christian Nimmervoll. Die übersiedelt 2019 auf unser Schwesterportal de.motorsport.com - und beschäftigt sich heute mit der Krise des Williams-Teams. Trotzdem gibt's natürlich weiterhin eine Montags-Kolumne auf diesem Portal - nur eben das Gegenstück "Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat".
Was wurde nach dem Saisonende 2018 über Valtteri Bottas nicht alles geschrieben: dass seine Zeit bei Mercedes - ja sogar in der Formel 1 - eigentlich schon abgelaufen sei; dass Ersatzmann Esteban Ocon schon zu Saisonmitte sein Cockpit übernehmen werde; und dass sich der 29-jährige Finne bereits in der Rallye-Szene nach einem neuen Job umschaut.
"Fuck you!": Haben wir richtig gehört?
Doch dann siegte der "Underdog", der laut Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve nach Platz zwei im Qualifying bereits "gebrochen" war, beim Formel-1-Saisonstart in Melbourne mit 20,9 Sekunden Vorsprung auf den als übermächtig geltenden Teamkollegen Lewis Hamilton. Und jubelte: "Das war das beste Rennen meiner Karriere." So einen großen Vorsprung hatte kein Pilot bei einer Siegesfahrt im vergangenen Jahr.
Und dann war da diese Botschaft über Boxenfunk nach der Zieldurchfahrt. "Fuck you! To whom it may concern ..." Also: "An alle, die sich angesprochen fühlen: Leckt mich!" Zieht da jemand plötzlich aus negativer Energie seine Kraft, der sonst als netter, braver Teamsoldat galt?
Neuerfindung mit Ansage
Der Eindruck täuscht nicht: Nach dem bitteren Saisonende 2018, als Bottas neben elf Hamilton-Siegen kein einziges Mal ganz oben stand, schwor sich der frustrierte und verärgerte Mercedes-Pilot: So etwas darf nie mehr passieren! Er ließ sich einen Bart wachsen und stellte im Gespräch mit 'Auto Bild motorsport' klar: "Ich brauche für dieses Jahr eine neue Einstellung, um meine Ziele zu erreichen."
Gegen Valtteri Bottas hatte im Albert Park niemand eine Chance
Situationen wie in Sotschi, als er trotz anderslautender Versprechungen von Teamchef Toto Wolff zurückgepfiffen wurde und Hamilton den Sieg schenken musste, werde es in Zukunft nicht mehr geben: "Um meine Ziele zu erreichen, bin ich dieses Jahr bereit zu tun, was nötig ist. Wenn ich dafür an einigen Stellen härter agieren muss, gehört das dazu."
Möglicherweise tut da auch sein neues Umfeld gut: Statt Tony Ross, der in die Formel E zu HWA gewechselt ist, agiert nun Hamiltons ehemaliger Performance-Ingenieur Riccardo Musconi als sein Renningenieur. Und der kennt die Tricks der Ich-AG Hamilton ganz genau.
Macht es Bottas Nico Rosberg nach?
Bottas, der den heißen Atem des auf sein Cockpit spitzenden Ersatzmannes Ocon spürt, scheint aufgewacht zu sein: Er weiß, dass er als klassischer Teamplayer in der Formel 1 nicht weiterkommt. Ähnlich wie Nico Rosberg im Jahr 2016, der ebenfalls zwei Mal in Serie als Teamkollege zusehen musste, wie Hamilton den Titel holt, und dann sein Schwiegersohn-Image abschüttelte und die Krallen ausfuhr. Das Ergebnis ist bekannt.
Valtteri Bottas erlebte das Duell Rosberg gegen Hamilton aus der ersten Reihe
Auch Bottas wirkte beim ersten Rennen der Saison plötzlich kompromisslos: Trotz der Anweisung des Teams, am Ende nicht auf die Schnellste Runde loszugehen, entschied er sich anders und ging kurz vor der Zielflagge noch einmal voll ans Limit. Nun führt er nicht nur erstmals in seiner Karriere die WM an, sondern sogar mit einem Weltrekord: 26 Punkte hatte nach dem ersten Rennen noch niemand auf dem Konto.
Und das ist mental extrem wichtig: Denn gerade bei Bottas hat sich in den vergangenen zwei Jahren gezeigt, dass er einknickt, wenn die Chance auf den Titel schwindet. "Mit Sicherheit war es nicht einfach, das Allerletzte aus mir herauszuholen, als ich wusste, dass ich nicht mehr um den WM-Titel kämpfe", gab der Finne, der 2018 ab dem Belgien-Grand-Prix nur noch dreimal auf dem Podest stand, sogar selbst zu.
Welches Vorurteil Bottas als nächstes widerlegen muss
Dafür muss er nun auch mit einem weiteren Vorurteil aufräumen: dass er nur an gewissen Tagen und auf gewissen Kursen wirklich siegfähig ist und daher langfristig gegen Hamilton keine Chance hat. Das attestiert ihm vor allem Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko, ein Kritiker des Finnen.
Doch Bottas hat schon in Melbourne den ersten Schritt gemacht: Denn auch die Strecke im Albert Park war bislang im Gegensatz zu Kursen wie Sotschi, Baku oder Spielberg keine klassische Bottas-Strecke. "Melbourne war noch nie mein bestes Rennen", bestätigt der Finne, der im Vorjahr im Qualifying crashte und bis 2019 im Albert Park nur einmal auf dem Podest stand.
Wenn er nun bei den bevorstehenden Rennen in Bahrain, Schanghai und Baku, die ihm liegen sollten, ebenfalls glänzt, dann könnte sich der Ehemann der früheren Weltklasseschwimmerin Emilia Pikkarainen wie Nico Rosberg vor drei Jahren ein wichtiges Polster schaffen. Und 2019 gegen Hamilton endlich einmal nicht untergehen.
Sven Haidinger