• 25. November 2024 · 10:00 Uhr

Interview: Wie Max Verstappen Red Bull durch die Horner-Affäre geführt hat

Die besten Aussagen von Helmut Marko nach Verstappens viertem Titel: Wie gut "Super-Max" inzwischen ist und wie er geholfen hat, die Horner-Affäre zu überstehen

(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen hatte schon ein paar Bierchen intus und saß gerade in der FIA-Pressekonferenz, als Helmut Marko im Paddock Interviews gab. Zuerst den Kollegen vom ORF, anschließend auch Motorsport-Network-Reporter Ronald Vording von Motorsport.com Niederlande.

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Helmut Marko freut sich mit Max Verstappen über den vierten gemeinsamen WM-Titel Zoom Download

Obwohl Marko einer ist, der nach Rennende normalerweise früh in den Flieger steigt, und noch dazu kein Fan von Las Vegas ist, wirkte er diesmal bei seinen Interviews gelöst und entspannt, und ganz und gar nicht hektisch. Wie Christian Horner kurz zuvor in einem anderen TV-Interview gesagt hatte: Jetzt wird erstmal Party gemacht, und "Helmut wird wahrscheinlich zahlen".

In der Stunde des Erfolgs waren alle wieder ein Herz und eine Seele. Das war 2024 nicht immer so. Während der totalen Eskalation in Saudi-Arabien sah es zunächst so aus, als müsse Marko gehen, und später dann wurde an Horners Stuhl emsig gesägt. Es ist letztendlich auch Verstappens Verdienst, dass das Team heute immer noch ein Team ist.

Wie der Abend danach weitergegangen ist, entzieht sich übrigens unserer Kenntnis. Aber die besten Aussagen des Red-Bull-Motorsportkonsulenten am späten Samstagabend in Las Vegas haben wir in diesem Gesprächsprotokoll zusammengestellt.

"Große Erleichterung": Das sagt Marko nach Las Vegas

Frage: "Herr Marko, Max Verstappen hat in einer unglaublichen Saison seine vierte Weltmeisterschaft gewonnen. Was ist Ihre erste Reaktion?"

Helmut Marko: "Es ist eine große Erleichterung. Es war nicht wie 2021, aber in Monza war unser Auto nirgendwo. Wir haben es gedreht, Max ist ruhig geblieben, und er hat einen unglaublichen Job gemacht. Das Auto war nicht das beste, aber er hat trotzdem das Maximum rausgeholt. Auch heute wieder: Er hat gewusst, dass er nicht unbedingt aufs Podium fahren muss, und hat es einfach nach Hause gebracht. Weil er sich auch diese große Erleichterung gewünscht hat. Und wir sind wirklich glücklich über den vierten WM-Titel."

Frage: "Sie erwähnen Monza. Gab es spezielle Momente in diesem Jahr, in denen Sie dachten, das wird nichts mehr?"

Marko: "Ja, in Monza. Unsere Strategie dort war nicht gut und der Speed des Autos war auch nicht gut. Da kam alles zusammen. McLaren hat dominiert. Aber unser Team hat es gedreht. Und Max ist wie gesagt ruhig geblieben. Auch wenn unser Auto manchmal nur das dritt- oder viertschnellste war, hat er immer das Maximum herausgeholt, und es waren, glaube ich, immer 60 bis 70 Punkte Vorsprung. Er hat diesen Puffer immer gehalten, sodass die anderen nie wirklich Hoffnung schöpfen konnten."

"Wir haben begonnen mit drei Doppelsiegen und uns gedacht: 'Na fein, das geht so weiter wie 23.' Dann hat Max noch Rennen gewonnen, die gehen rein auf seine Kappe. Er hat mit seinem fahrerischen Können und seiner Brillanz die Schwächen des Autos überdeckt. Wir waren phasenweise nicht nur hinter McLaren, wir waren hinter Ferrari und manchmal auch hinter Mercedes. Wir waren das viertstärkste Team. Und in dieser Phase hat er immer das Maximum herausgeholt."

"Monza war der Tiefpunkt, und da ging dann ein Ruck durchs Team. Wir haben gesagt, wir müssen alle zusammenstehen, wir müssen alles unternehmen, um diese Weltmeisterschaft zu gewinnen. Und er hat ja auch fünfte, sechste Plätze eingefahren, aber die waren wahnsinnig wichtig. Da hat er auch gezeigt, dass er das, was möglich ist, nicht mit der Brechstange, sondern mit einer Kombination aus Können und Kopf herausholt. In der Vergangenheit war er auch manchmal ungestüm, aber das hat er abgelegt."

Frage: "Sie sagen, das Team hat es gedreht. 2022 und 2023 war das Auto dominant. Aber geht dieser vierte Titel mehr auf das Konto von Max?"

Marko: "Ja, definitiv. Zwischendurch gab es ja auch kritische Stimmen. Aber dann kam Brasilien. Da hat er allen gezeigt, wer der Platzhirsch ist."

Kritiker haben Verstappen angestachelt

Frage: "Kann es sein, dass ihn diese Stimmen sogar noch mehr angestachelt haben?"

Marko: "Ja. Und er war nach Brasilien auch erleichtert, das konnte man ihm ansehen. Diese Performance im Rennen war einfach unglaublich. Aber hier in Las Vegas hat er auch demonstriert, wie reif er inzwischen ist."

Frage: "Gibt es spezifische Bereiche, in denen er in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach gewachsen ist?"

Marko: "Da gibt es ein paar. Zuerst ist er, wie gesagt, viel reifer geworden. Er setzt seinen Kopf ein, wenn es notwendig ist. Er kann unheimlich gut mit den Reifen umgehen, er kann die Reifen lesen. Und er kann die Rennen lesen. Wenn man all das zusammenzählt, gehört er für mich jetzt schon zu den Größten."

Marko: Verstappen zu einer Führungsfigur gereift

Frage: "Es ist immer schwierig, WM-Titel zu vergleichen. In Abu Dhabi 2021 waren die Emotionen unglaublich. Wo ordnen Sie diesen Titel ein?"

Marko: "Dieser Titel ist anders als 2021, würde ich sagen. Aber er beweist, dass wir immer noch eins der stärksten Teams haben, und dass wir alle zusammenhalten, wenn's drauf ankommt. Das macht den Unterschied. Wichtig ist auch: Max ist 27 Jahre alt. Für dieses Alter hat er unglaubliche Charaktereigenschaften entwickelt. Er hat sich auch in eine Führungsposition begeben, was das Team wieder zusammengeführt hat. So haben wir wieder auf die Erfolgsschiene gefunden."

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Frage: "War es schwierig, nach all den Geschehnissen hinter den Kulissen, das Team zusammenzuhalten?"

Marko: "Seit Bestehen des Teams, also aus den letzten 20 Jahren, kannten wir sowas nicht. Das war natürlich neu. Und es war auch neu, dass wir plötzlich ein Auto hatten, das vom Speed her nicht vorne mitfahren konnte. Das war eine harte Phase, aber wie schon gesagt: Wir haben uns zusammengesetzt und gesagt: 'Das Wichtigste ist, diese Weltmeisterschaft zu gewinnen. Und da müssen wir alle Köpfe zusammenstecken und uns auch die Arme reichen.' Das ist gelungen."

Frage: "War das auch wegen der Turbulenzen um die Horner-Affäre besonders schwierig?"

Marko: "Ja. Und man darf nicht vergessen: Dietrich Mateschitz ist gestorben. Er war eine unglaubliche Führungspersönlichkeit, die auch den Rennsport geliebt hat und unglaubliches Fachwissen hatte. Es ist ganz klar, dass so jemand nicht zu ersetzen ist. Das hat sich alles entwickeln müssen. Auch in der obersten Führungsebene haben wir dann sehr viel Unterstützung gehabt. Und das hat es wieder gedreht."

"Vier Siege gehen nur auf das Konto von Max"

Frage: "Was waren die Schlüsselrennen von Max? Sticht Brasilien da hervor? Oder erinnern Sie sich auch an andere Schlüsselmomente?"

Marko: "Brasilien hat gezeigt, wer der Beste ist. Aber dazwischen gab es, wie schon erwähnt, einige Rennen, in denen das Auto nicht konkurrenzfähig war. Er hat trotzdem mehr rausgeholt als eigentlich möglich war. Ich schätze, es gibt ungefähr vier Siege, die nur auf das Konto von Max gehen. Das Auto war nicht siegfähig, aber er hat trotzdem gewonnen."

Frage: "Er hat jetzt genauso viele WM-Titel wie Alain Prost und Sebastian Vettel. Was kommt da noch? Hängt sicher auch davon ab, wie lang Max weitermachen will. Was denken Sie?

Marko: "Das hängt ganz davon ab. Solange er Spaß hat, wird er weitermachen. Und er wird bei uns weitermachen, solange wir ihm ein Siegerauto hinstellen können. Wir haben dieses Jahr unsere Lektion gelernt, und wir wissen, was wir für nächstes Jahr zu tun haben. Wir haben jetzt zweimal vier WM-Titel hintereinander gewonnen. Es wäre schön, diesmal einen fünften draufzulegen."

Frage: "Was wäre Red Bull heute ohne Max Verstappen?"

Marko: "Kein Siegerteam. Das ist ganz klar, das hat man gesehen. Perez hat keine sehr gute Saison gehabt. Ohne Max, auch wenn wir jetzt ein nicht so gutes Auto haben, sieht man, was dann rauskommt. Und er ist derjenige, der das alles übertüncht mit seinem unglaublichen Talent, und inzwischen auch mit seiner Vernunft und seinem Wissen, wann muss er pushen, wann nicht, und einer unglaublichen Übersicht. Ich glaube, der einzige Crash war mit Norris in Österreich. Aber ansonsten war es eine unfallfreie Saison."

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