• 05. September 2025 · 08:22 Uhr

"Großartiges Manöver": Fahrer bei Leclerc-Aktion in einem Punkt einig

Die Fahrer applaudieren Charles Leclerc für sein Manöver gegen George Russell in Zandvoort, doch Uneinigkeit gibt es über eine mögliche Strafe und den Zeitpunkt

(Motorsport-Total.com) - War das Manöver von Charles Leclerc gegen George Russell fair oder über der Grenze? Darüber gehen die Meinungen auch einige Tage später in Monza noch auseinander. Leclerc hatte sich in der Schikane am Mercedes mit Berührung vorbeigepresst und Russells Auto dabei beschädigt. Auch stellte sich die Frage, ob Leclerc dabei überhaupt auf der Strecke geblieben war.

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Das Manöver von Charles Leclerc sorgt für Diskussionen Zoom Download

Für Russell war der Fall klar: Leclerc hätte eine Strafe bekommen müssen. Das sagte er den Journalisten nach dem Rennen in Zandvoort auch. Kurz darauf aber die Überraschung: Leclerc bekam für sein Manöver keine Strafe - auch weil Russell vor den Kommissaren plötzlich zustimmte, dass es sich um einen Rennunfall gehandelt habe.

Zuvor hatte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff bei Sky noch gemeint, Mercedes wolle nach dem Ausfall Ferrari-Piloten, der vom zweiten Mercedes von Andrea Kimi Antonelli später aus dem Rennen genommen wurde, keine Strafe für Leclerc erzwingen, was womöglich in einer Gridstrafe für das Heimspiel in Monza geendet hätte.

Russell: Warum Meinung geändert?

Russell selbst sagt zu seiner Meinungsänderung: "So wie das Rennen lief, wollte ich das Thema nicht weiterverfolgen, weil er am Ende ohnehin nicht gepunktet hat", so der Brite.

"Ich war mir ziemlich sicher, dass er neben der Strecke war. Aber zu dem Zeitpunkt gab es keine klaren Beweise, also habe ich die Entscheidung der Stewards verstanden, dass es zu diesem Zeitpunkt einfach keinen kategorischen Beweis gab. Auch wenn man es sich irgendwie hätte zusammenreimen können", meint er weiter.

Erst später sei mit aufgetauchten Fotos klar gewesen, dass Leclerc bei seinem Manöver neben der Strecke war. Doch für Russell ist das in Ordnung: "Ich bin überhaupt nicht verbittert deswegen, denn ich habe am Ende sogar profitiert, so wie alles gelaufen ist."

Leclerc war mit der Entscheidung der Kommissare natürlich einverstanden, weil er so um eine Strafe herumkam. "Aber das hängt immer davon ab, von welcher Seite man es betrachtet", weiß der Monegasse, der seine Aktion als "großartiges Überholmanöver" ansieht.

"War es am Limit? Definitiv. War ich allein schuld? Das denke ich nicht - und so sind die Regeln geschrieben. Wir haben das besprochen, und die Stewards haben entschieden, mir keine Strafe zu geben. Wenn Dinge am Limit sind, wird es immer geteilte Meinungen geben, und das ist okay für mich."

"Hätte es gehasst, wenn es eine Strafe gegeben hätte"

Nun ist die Meinung der beteiligten Fahrer natürlich klar, doch was sagen andere Fahrer zu diesem Manöver: Fair oder nicht?

"Also, das Manöver war außerhalb der Strecke, es war über dem Limit", stellt sich Isack Hadjar auf die Seite von Russell. "George war, denke ich, clever genug, den Platz zu lassen. Für ihn war es unglücklich, dass er sich bei einem Manöver Schaden einfängt, das nicht auf der Strecke war - aber es war ein sehr guter Versuch."

Dass es ein guter Versuch war, darüber sind sich die Fahrer eigentlich einig - gerade in Zandvoort ist Überholen sonst praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. So sieht es auch Nico Hülkenberg: "Ich habe gesehen, dass er neben der Strecke war, aber es war trotzdem ein großartiges Manöver. Und als Racing-Fan hat es mir richtig gefallen", meint der Sauber-Pilot.


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"Darum geht es im Racing: dich in eine Lücke zu quetschen, die eigentlich nicht da ist, und es trotzdem irgendwie hinzubekommen. Ich fand, es war großartiges Racing", sagt der Deutsche.

"Und in Zandvoort ist es super, super schwierig zu überholen. Wenn du da ein Überholmanöver setzt, musst du immer ein Risiko eingehen. Anders geht es nicht in Zandvoort. Also ja, ich hätte es ehrlich gesagt gehasst, wenn es dafür eine Strafe gegeben hätte."

Sein Teamkollege Gabriel Bortoleto stellt sich sogar noch stärker hinter den Ferrari-Piloten: "Das war ein unglaubliches Überholmanöver von Charles. Da gibt es nichts zu sagen", staunt er. "Ich meine, wir müssen irgendwann ja auch Rennen fahren, und ich finde, er hat da einen Mega-Move gemacht."

Auch Russell sieht ein: War für Zuschauer toll, aber ...

Dass es - zumindest aus Spektakelsicht - ein tolles Manöver war, das muss selbst Russell zugeben: "Für einen neutralen Zuschauer war es großartig", findet er. Trotzdem müsse man eben irgendwo eine Grenze ziehen.

"Er war vielleicht einen halben Meter neben der Strecke. Soll das okay sein? Was, wenn es ein Meter wäre, oder 75 Zentimeter? Ich weiß, es ist nicht einfach. Aber irgendwann muss eine klare Grenze gezogen werden, damit wir nicht diese Diskussionen haben."

"Fakt ist: Er war neben der Strecke, als er das Manöver gemacht hat. Wenn ich gewusst hätte, dass das möglich ist, wäre ich selbst neben die Strecke gefahren, um ihn weiter rauszudrücken - das wäre mein Recht gewesen", so der Mercedes-Pilot. "Irgendwo braucht es eben eine klare Linie."


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Doch das Manöver selbst war nicht der einzige Aufreger rund um die Kommissare in Zandvoort. Für einige Kritik hatte dabei gesorgt, dass die Entscheidung nicht sofort fiel, sondern erst nach dem Rennen getroffen wurde.

"Man sollte meinen, mit der vorhandenen Technik wäre es einfacher", sagt Russell, versteht aber, dass es für die Kommissare nicht immer leicht ist. "Sie müssen viele verschiedene Vorfälle gleichzeitig beurteilen, unter Zeitdruck schnelle Entscheidungen treffen - für das Rennen und für die Zuschauer."

Der Brite zieht einen Vergleich zum Fußball: "Bei einem 50:50-Zweikampf könntest du eine Stunde prüfen und zur perfekten Entscheidung kommen. Aber darum geht es im Sport nicht. Wir müssen akzeptieren, dass es auch mal Fehlentscheidungen gibt, auch wenn wir sie minimieren wollen. Perfekt wird es nie sein."

Lieber schnell als richtig?

Das heißt: Laut ihm wäre es besser, wenn die Entscheidung schnell getroffen wird, auch wenn sie einmal falsch sein kann. "Die Antworten müssen schnell kommen - für die Fahrer, aber auch für die Fans", sagt er und erinnert an Kanada, wo es nach dem Rennen Fragezeichen über seinen Sieg gab, weil ein Bremsmanöver gegen Max Verstappen hinter dem Safety-Car untersucht wurde.

"Da war ich schon in New York und wusste nicht einmal, ob ich den Sieg behalten würde. So sollte es nicht laufen", findet er.

Dass es im Zweifel aber auch falsch laufen kann, wurde in Zandvoort dabei deutlich. Carlos Sainz hatte für einen Zweikampf gegen Liam Lawson eine Strafe bekommen, was der Spanier überhaupt nicht nachvollziehen konnte und wogegen Williams auch eine Neubewertung beantragt hat.

"Die Strafe von Carlos war meiner Meinung nach nicht verdient", sagt Russell, der als Präsident der Fahrervereinigung GPDA auch die generellen Interessen der Formel-1-Piloten vertritt. "Aber ich denke nicht, dass es jemals einen Punkt geben wird, an dem alle glücklich sind."

"Wir haben, ich weiß die Zahl nicht genau, aber ich glaube, 25 verschiedene Stewards über eine Saison verteilt. Nimm 20 Fahrer - bei einem 50:50-Vorfall wird wahrscheinlich jeder eine etwas andere Meinung haben", so Russell. "Mit einem anderen Stewards-Gremium wäre es vielleicht anders ausgefallen."


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"Es wird nie eine perfekte Lösung geben"

Auch die Strafe von Lewis Hamilton war in Zandvoort ein Diskussionspunkt. Der siebenmalige Weltmeister hatte sich ein Fehlverhalten noch vor dem Rennen geleistet, wird aber mit einer Gridstrafe für das folgende Wochenende bestraft. "Das war eine spezielle Situation", meint Russell. "Ich denke, das muss diskutiert werden."

"Ebenso wie Fünf-Sekunden-Strafen", meint er weiter. Denn die hätten je nach Rennverlauf immer unterschiedliche Auswirkungen. "Manchmal bedeuten sie gar keinen Positionsverlust. Kommt ein Safety-Car spät, wie letzte Woche bei Kimi [Antonelli], verlierst du alle Plätze. Also hat die gleiche Strafe nicht immer das gleiche Ergebnis."

Doch er weiß auch: "Es wird nie eine perfekte Lösung geben."


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"Die Leute, die die Regeln schreiben, sind nicht dumm. Jeder bringt eine gute Idee ein, dann gehen sie zurück und sprechen darüber - und ein anderer intelligenter Mensch zeigt auf, warum das so nicht funktionieren würde, wenn du verstehst, was ich meine", so der Brite.

"Ich versichere dir: Für niemanden in diesem Sport ist es leicht - in keiner einzelnen Rolle", betont Russell weiter. "Jeder versucht sein Äußerstes, es so fair wie möglich zu machen, die richtige Entscheidung zu treffen, sicherzustellen, dass FOM mit dem TV-Produkt zufrieden ist und es für die Fans gut ist - ohne dabei Entscheidungen hinauszuzögern."

"Es gibt so viele Hürden, die alle zu überwinden versuchen. Ich denke, manchmal muss man akzeptieren, dass es auch mal eine falsche Entscheidung geben kann - natürlich will das keiner - aber vielleicht ist das der Kompromiss, den man eingehen muss, anstatt jede Entscheidung sechs Stunden oder ein, zwei Tage lang zu prüfen."

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