Oscar Piastri: Habe nur gehofft, dass Verstappen nicht in mich reinkracht!
Oscar Piastri hatte das Rennen in Zandvoort im Griff, musste am Start aber auf Max Verstappen aufpassen, der quer in seinem Rückspiegel war
(Motorsport-Total.com) - Am Ende waren es zwölf Tausendstelsekunden, die Oscar Piastri das Leben in Zandvoort am Sonntag leichter gemacht haben. Denn von der Pole aus konnte der WM-Spitzenreiter das Geschehen kontrollieren und seinen siebten Saisonsieg einfahren - und dank des Defekts von Lando Norris einen ganz wichtigen Schritt in der Meisterschaft.
"Es war ein wirklich gutes Rennen. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, die Kontrolle zu haben", fasst der Australier seinen Sonntag gewohnt sachlich zusammen. "Das Ende war leider unglücklich für Lando und das Team, sodass wir keinen Doppelsieg erzielen konnten, obwohl wir es verdient hätten."
"Aus meiner Sicht bin ich sehr stolz auf die Woche, die wir zusammenbekommen haben. Wir waren schnell, als es zählte."
Damit bleibt die Strähne von Zandvoort bestehen: Seit der Rückkehr in den Kalender gewann jedes Mal der Pilot, der auf Pole gestartet war. Die zwölf Tausendstel am Samstag waren daher ziemlich wichtig - oder am Ende vielleicht auch nicht, wenn das Auto von Norris ohnehin den Geist aufgegeben hätte.
Doch der Platz an der Sonne machte Piastri das Leben bedeutend leichter - sowohl am Start als auch bei den insgesamt drei Safety-Car-Restarts.
Gefahr von querem Verstappen am Start
Denn vor allem Red Bulls Max Verstappen wurde zu Beginn zur großen Gefahr. Der Niederländer suchte sein Heil in den Soft-Reifen, während die beiden McLaren auf den Mediums starteten. Mit seinem zusätzlichen Grip und der besseren Startseite konnte er in Kurve 1 an Norris vorbeiziehen und wollte danach auch Piastri angreifen.
Doch in Kurve 2 geriet Verstappen mächtig ins Schlingern und musste sein Auto erst wieder einfangen. "Ich habe Max im Spiegel sehr quer gesehen und habe nur gehofft, dass er mich nicht trifft", schildert Piastri. "Aber es ging gut."
Danach ging es für den McLaren-Piloten nur darum, die Reifen in den optimalen Bereich zu bringen und die Kontrolle zu behalten.
Einzig die Neustarts hinter dem Safety-Car wurden noch einmal zum möglichen Gefahrenmoment, doch Piastri beschleunigte jedes Mal früh und ließ seinem Hintermann keine Chance zum Angriff. "Der erste Neustart lief sehr gut, bei den nächsten beiden hatte man kaum Optionen", sagt er. "Je länger man wartet, desto eher weiß jeder, dass es bald losgeht."
"Ich habe einfach versucht, so gut wie möglich zu variieren. Bei den letzten beiden hat es nicht ganz perfekt funktioniert, aber es reichte. Das war wahrscheinlich der schwierigste Teil, aber wir haben es gut gemeistert", so Piastri, der schließlich als Sieger über die Ziellinie fuhr.
Stella: War ein "Oscar-typisches" Wochenende
Damit konnte er auch den schwierigen Grand Prix aus dem Vorjahr vergessen machen, als er nur Vierter wurde und keine Chance gegen Norris hatte, der das Rennen damals vor Verstappen gewann. Auch 2025 sah es zunächst danach aus, als hätte wieder Norris die besseren Karten.
"Aber wir haben kontinuierlich an der Verbesserung gearbeitet, das Auto optimiert und meinen Fahrstil angepasst", erklärt er. "Das Auto war ja ziemlich gut, da kann man sich nicht beschweren. Das hat sich am Ende ausgezahlt."
"Im Rennen hatte ich auch eine gute Pace und konnte sie einsetzen, wenn nötig. Ich bin enorm stolz - erst auf mich selbst, aber auch auf das gesamte Team, das es geschafft hat, sich von vor zwölf Monaten so zu verbessern."
Für Teamchef Andrea Stella war das Zandvoort-Wochenende dabei typisch für Piastri, "weil wir gesehen haben, wie er sich über das Wochenende in den Trainings gesteigert hat und das Gelernte umsetzen konnte", so der Italiener.
"Wir haben gesehen, wie er im entscheidenden Moment, nämlich im Qualifying, abliefert, und dass er bei Regen sehr souverän ist, die Situationen kontrolliert, präzise agiert und dabei stets ruhig und konzentriert bleibt", so Stella. "Ich denke, das ist ein sehr 'Oscar-typisches' Wochenende. Es zeigt seine Reife und sein Niveau als Formel-1-Fahrer."
Piastri: Langsam ins Wochenende gekommen
Auf diese Aussage angesprochen, schmunzelt Piastri und meint, dass es in diesem Jahr schon ein paar Wochenenden gab, in denen er etwas langsam reinkam und sich dann steigerte. "Der Unterschied zum Vorjahr ist: Damals waren Wochenenden, die langsam begonnen haben, auch in der Mitte und am Ende eher langsam."
"Dieses Jahr war es gut zu sehen, dass man über das Wochenende kontinuierlich Zeit gutmachen kann. Ist das der ideale Weg? Mache ich das bewusst? Nicht immer. Ich versuche natürlich, mich Schritt für Schritt aufzubauen, aber dieses Wochenende hätte ich mir gewünscht, dass es etwas schneller geht", sagt er.
Letzten Endes schaffte er, das Blatt noch rechtzeitig in Q3 zu wenden, "aber ich bin nicht mit allzu großen Erwartungen ins Qualifying gegangen", so Piastri. "Und am Ende hat das gereicht. Ähnlich war es heute auch. Aus dieser Sicht bin ich sehr zufrieden, und ich denke, genau das macht das 'Oscar-typische Wochenende' aus."
Im Endeffekt brachte ihn das Zandvoort-Wochenende ein ganzes Stück näher an den WM-Titel, denn durch den Ausfall von Norris machte er 25 Zähler gut. Aus den dünnen neun Punkten Vorsprung wurden so 34. Die Hand hat er zwar noch nicht am Pokal, den Zeigefinger aber schon einmal deutlich ausgestreckt.