• 28. Juli 2023 · 06:58 Uhr

George Russell: Spa lieber absagen als einen weiteren Unfall riskieren

George Russell betont, dass die Rennleitung am Wochenende kein Risiko eingehen dürfe - Nach dem jüngsten Todesfall solle man das Rennen im Zweifel lieber absagen

(Motorsport-Total.com) - Das Formel-1-Wochenende in Spa hat noch nicht einmal richtig angefangen, da wird bereits darüber diskutiert, ob das Rennen in Belgien im Zweifelsfall abgesagt werden muss. Grund dafür ist die Wettervorhersage, die ein nasses Wochenende in Spa ankündigt.

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George Russell möchte am Wochenende in Spa kein Risiko eingehen Zoom Download

Bereits am Donnerstag regnete es an der Strecke, und viele Formel-1-Fans hatten sofort das Szenario aus dem Jahr 2021 im Kopf, als lediglich zwei Runden hinter dem Safety-Car absolviert wurden und der Grand Prix zur Farce verkam, weil das Rennen trotzdem gewertet wurde.

Heute wäre ein solches Szenario nicht mehr möglich, weil anschließend die Regeln geändert wurden. George Russell, der damals als Zweiter auf dem Podium stand, erklärt vor dem Rennen 2023, dass die Sicherheit in solchen Fällen immer Priorität haben müsse.

Zwar solle das Wetter am Sonntag laut Russell gut werden, weshalb er hoffe, "dass der Sonntag stattfinden wird. Aber nach den jüngsten Ereignissen denke ich, dass die FIA mit ihren Entscheidungen mutig sein muss, wenn es um die Sicherheit und die Sichtverhältnisse geht."

Russell spielt auf Nachwuchspilot Dilano van't Hoff an, der vor wenigen Wochen bei einem Rennen der Formel-Regional-Europameisterschaft (FRECA) in Spa einen tödlichen Unfall hatte. "Wir wissen, wie die Situation vor zwei Jahren war", betont Russell, der sich keine Wiederholung wünscht.

"Aber wie ich schon sagte, werden wir einige mutige Entscheidungen brauchen", so Russell, der als einer der Direktoren der Fahrergewerkschaft (GPDA) verrät: "Im Moment sind wir in ständigem Kontakt mit der FIA nach dem tragischen Tod von Dilano in der FRECA."

Russell: Spa ist gefährlich, aber sicher genug

"Die beiden Fragen sind: Ist Spa sicher genug? Und dann ist da noch die Frage nach den Bedingungen. Ich denke, dass der Motorsport immer gefährlich sein wird, wenn man mit diesen Geschwindigkeiten unterwegs ist", betont Russell.

"Wenn man eine Rangliste aller Rennstrecken nach dem Risiko aufstellen würde, dann ist Spa sicherlich eine der risikoreicheren Strecken, zusammen mit Dschidda, mit Monaco zum Beispiel, und mit Suzuka bis zu einem gewissen Grad", so der Mercedes-Pilot.

Vor allem "die Kombination" mit nassen Bedingungen mache die Strecke zu einer Herausforderung, erklärt er. Deswegen kamen zuletzt Forderungen auf, den Kurs in Belgien umzubauen und zu entschärfen. Davon hält Russell trotz des jüngsten Todesfalls aber nichts.

"Wir haben darüber gesprochen, und ich glaube, wir sind alle zu dem Schluss gekommen, dass es nicht nötig ist", verrät er und erinnert daran, dass die Auslaufzone bei Eau Rouge bereits vergrößert wurde. Er betont: "Ich persönlich denke, dass Spa sicher genug ist."

"Aber wir müssen eine Lösung für die Sicht im Nassen finden", so Russell. Der potenzielle Regen sei nämlich das Hauptproblem und nicht die Strecke selbst. "Wir haben einfach überhaupt keine Sicht", so Russell. Ähnliche Aussagen gab es am Donnerstag bereits von weiteren Formel-1-Fahrern.

Als Fan müsse man sich Regen in einem Formel-1-Auto so vorstellen, "dass man bei strömendem Regen auf der Autobahn fährt und die Scheibenwischer ausschaltet", zieht Russell einen Vergleich und versichert: "So fühlt es sich im Cockpit wirklich an."

Warum die Sicht so ein Problem ist

Und dafür gebe es keine kurzfristigen Lösungen. "Ich denke, für ein einzelnes Formel-1-Auto sind die Bedingungen [bei Regen] sicher und geeignet genug, um zu fahren. Aber wenn man 20 Autos gleichzeitig auf der Strecke hat, ist es schwierig", erklärt er.

Denn das Problem entsteht erst, sobald man im Verkehr steckt. An der Spitze könne man daher durchaus fahren, aber: "Jeder ab Platz drei kann nichts mehr sehen. Wir sprechen hier von 20, 30 oder 40 Metern", erklärt Russell, der betont: "Wir alle wollen ein Rennen fahren."

"Aber wenn man mit über 200 Meilen pro Stunde die Gerade hinunterfährt und keine 50 Meter vor sich sieht, wird es zu großen Zwischenfällen kommen. Sie haben also eine große Verantwortung an diesem Wochenende", sagt er in Richtung der Rennleitung.


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"Ich hatte das Gefühl, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis so etwas wie in der FRECA passieren würde", sagt er und erklärt: "Die Fahrer fahren auf der Geraden nicht mit Vollgas, weil sie nichts sehen können. Jemand fährt einem hinten drauf und dann steht ein Auto mitten auf der Strecke."

"Natürlich ist es für niemanden perfekt, wenn ein Rennen abgesagt wird. Aber wir wollen nicht noch so einen großen Zwischenfall erleben, wie wir ihn gerade gesehen haben", betont Russell, der das Rennen (oder den Sprint am Samstag) daher im Zweifel eher absagen würde.

Russell: Dürfen die Nachwuchsklassen nicht vergessen

Gleichzeitig versichert er, dass es einen ständigen Austausch zwischen Piloten und dem Weltverband gebe, um die Situation zu verbessern. "Ich denke, es gibt definitiv mehr Interaktion zwischen uns Fahrern und der FIA [als früher]", zeigt sich Russell zufrieden.

"Sie wollen auf jeden Fall unsere Ansichten hören und unsere Perspektiven aus dem Cockpit einbringen, nicht nur um die Formel 1 zu verbessern, sondern den Motorsport insgesamt", so Russell, der daran erinnert, dass es nicht nur ein Problem der Königsklasse sei.

"Ich denke, dass wir hier alle über eine unglaubliche Technologie verfügen und über zukünftige KI-Technologien sprechen, die zur Lösung einiger dieser tragischen Unfälle beitragen können", so Russell, der jedoch betont, man dürfe die Nachwuchsklassen nicht vergessen.

"Es muss auch etwas sein, das in die niedrigeren Serien einfließen kann, die nicht über die gesamte Technologie verfügen", betont er und erklärt: "Es wird immer gefährlich sein, aber wir müssen einfach weiter daran arbeiten." Wunder dürfe man aber nicht erwarten.

"Fakt ist, dass wir wahrscheinlich auf Jahre hinaus keine Lösung für die schlechte Sicht finden werden", betont er und erklärt, dass ihm aktuell vor allem die Situation in den Nachwuchsklassen Sorgen bereitet - und zwar nicht nur im Hinblick auf schlechte Bedingungen.

Russell: Rennfahrer manchmal "unglaublich egoistisch"

"Ich denke wirklich, dass es in der Formel 3 nicht erlaubt sein sollte, 30 Autos auf einmal auf der Strecke zu haben, auch nicht bei trockenen Bedingungen. Und ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch dort ein großer Zwischenfall passiert", seufzt er.

"Wenn man einen Helm aufhat, denkt man an nichts anderes als an die Meter neben sich und die Straße vor sich, was manchmal unglaublich egoistisch ist", berichtet Russell aus eigener Erfahrung. Im Cockpit vergesse man daher in der Regel die ständige Gefahr.

"Ich bin selbst überrascht, dass man sich in manchen Situationen so sehr darauf konzentriert, das Ergebnis zu maximieren, dass es fast so ist, als wäre nichts anderes wichtig. Nur wenn sich ein tragischer Unfall ereignet und man am nächsten Tag aufwacht, wird einem irgendwie bewusst, dass es jeden hätte treffen können."

"Es spielt keine Rolle, ob man der beste Fahrer der Welt ist [...], wenn jemand mit mehr als 150 Meilen pro Stunden in einen hineinfährt. Wir alle kennen die Risiken, die wir eingehen", betont Russell, der aber auch klarstellt, dass der Motorsport da keine Ausnahme sei.

"Viele Sportarten sind nicht sicher. Schaut euch die Radfahrer an, die mit 100 km/h einen Berg hinunterfahren. Sie sind jedes Mal am Rande von Leben und Tod, wenn sie auf die Straße gehen. Bei Rugbyspielern kann ein schlechtes Tackling die Karriere beenden oder lebensgefährlich sein", so Russell.

Trotzdem müsse es das Ziel sein, den Motorsport so sicher wie möglich zu machen.

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